Zum Programm
- Der Kabarettist, Musiker und Autor Frederic Hormuth wurde am 1. November 1968 in Mannheim geboren. Seit 1992 ist er Satire-Profi.
- Den Jahresrückblick „Wie war’s für dich?“ spielt er vom 14. bis 18. Dezember in der Mannheimer Klapsmühl’ (jeweils 20 Uhr. Sonntag 18 Uhr). Abendkasse: Mi/Do/So 20 Euro, Fr/Sa 22 Euro).
- Am 14. Januar 2023, 20 Uhr, folgt ein Auftritt beim Forum Kultur im Saalbau-Kino in Hormuths Wahlheimat Heppenheim. Karten: reservix.de, 21 Euro.
Mannheim. Herr Hormuth, sind Sie eigentlich Masochist?
Frederic Hormuth: Eigentlich nicht. Aber wenn Sie mich so fragen, komme ich natürlich ins Grübeln. Um nach der Pandemie weiterhin Kleinkünstler zu bleiben, ist vielleicht ein gewisser positiver Grundmasochismus von Nöten. Oder wie kommen Sie drauf?
Weil Sie sich für Ihren satirischen Rückblick „Wie war’s für Dich?“ gerade intensiv mit einem Jahr beschäftigen, das viele gern so schnell wie möglich abhaken würden.
Hormuth: Ach, das geht mir seit Jahren so. Kabarett ist ja immer auch ein therapeutisches Angebot. Ich versuche für das Publikum, aber beim Schreiben auch für mich, das, was man gerne verdrängen würde, in positive Energie zu verwandeln. In Lachen oder befriedigende Aha-Momente. Sonst fliegt einem das ganze Verdrängte plötzlich im ungünstigsten Moment um die Ohren. Mir persönlich passt das am Jahresende besser als beispielsweise im nächsten Sommer.
Krieg, Energiekrise, Inflation, immer noch Pandemie – fühlt sich 2022 für Sie bei dem Rekapitulieren eigentlich so an, als ob Sie in den Rückblicken vorher immer nur über Pillepalle geredet hätten – also vergleichsweise Nichtigkeiten?
Hormuth: Das waren ja keine Nichtigkeiten, sondern oft Überlegungen nach dem Motto „Wo soll das hinführen?“ Und jetzt sind wir halt halbwegs angekommen. Also wäre es Zeit, auszusteigen. Abgesehen davon ist ein gewisses Maß an Pillepalle natürlich nötig. Was glauben Sie, warum ich über britische Königshäuser oder die deutsche Nationalelf spreche? Ich sag mal so: Wenn unser Team vorher gewusst hätte, wie schlecht es ist, hätte es politisch mehr wagen können. Vielleicht mit einem ganzen regenbogenfarbenen CSD-Truck ins Stadion fahren. In Village-People-Kostümen. „It’s fun to stay at the F.I.F.A.“ singend. Mir persönlich kam das ja sehr entgegen, dass es bei der WM weniger um Sport ging.
Früher haben wir uns über Maut-Millionen ereifert und an vielen Stellen über Beträge, die heute fast niedlich wirken. Nun werden die Sondervermögen mit der Bazooka rausgehauen … da kommt Satire mit Überspitzung kaum hinterher, oder?
Hormuth: Wir haben gelernt: Auch wenn kein Geld da ist, kann man es ausgeben. Corona hat unser Gefühl für Zahlen nachhaltig gestört. Ich zum Beispiel tanke für 1,19 Euro und bin 27 Jahre alt.
In den beiden Pandemiejahren konnten Sie Ihrer Chronistenpflicht nicht wie gewohnt nachkommen. Hallen die nach oder ist der Fokus strikt auf 2022?
Hormuth: Auf 2021 konnte ich ja letztes Jahr zurückblicken, wenn auch mit latent schwindsüchtigen Zuschauerzahlen. Also bleibe ich strikt bei 2022, denn nichts ist älter als der Rückblick vom Vorjahr.
Immerhin: Die Ampel ist kabarettistisch wesentlich ergiebiger als die Große Koalition, oder?
Hormuth: Da ist einfach mehr zusammengewachsen, was nicht zusammen gehört. Und es gab seltsame Verwandlungen. Lauterbach war vor der Wahl der große Mahner und Warner, jetzt hört man in Sachen Pandemie nur noch wenig von ihm. Früher hat er sich ja immer sehr salzarm ernährt. Ich wette, heute sitzt er abends mit ‘ner Tüte Chips im Bett. Damit es da auch mal knistert. Außerdem hat er jetzt die Fallpauschalen als Problem erkannt, die er vor 20 Jahren noch propagiert hat,
Ist Olaf Scholz kabarettistisch gesehen ein guter Tausch gegen Angela Merkel?
Hormuth: Olaf Scholz vereint die Drögheit der Ex-Kanzlerin mit sprachlichem Polit-Dadaismus à la „Doppelwumms“ und einer potenziell semikriminellen Cum-Ex-Vergangenheit. Dieser Mix müsste eigentlich halbwegs sexy sein. Klappt aber nicht.
Man hört Ihren Texten keine Angst an vor wachsender Wokeness, politischer Korrektheit und der damit wachsenden Gefahr, einen richtigen Shitstorm zu säen. Trotzdem hatten Sie noch keinen ausgewachsenen Proteststurm, oder?
Hormuth: Nein, kein Witz. Ein Shitstorm würde ja immerhin Reichweite bedeuten (lacht).
Denken Sie darüber nach, in Ihren Programmen zu gendern?
Hormuth: Ich gendere bisher nur innerlich. Als alter weißer Mann brauche ich immer ewig, bis ich die Sternchentaste gefunden habe. Aber wenn es mir gelingt, bin ich immer wieder stolz darauf. Gegen Gendern habe ich an sich überhaupt nix. Wer es gut kann, soll es gerne tun. Also: Gendern ja, aber locker und freiwillig. Alles nur in Pro oder Contra aufzuteilen, ist Sprachpolizei.
Ist denn irgendetwas besser geworden 2022?
Hormuth: Die Leute trauen sich wieder ins Kabarett. Also die, die nicht sparen müssen. Und nicht grade krank sind. Und nicht verdrängen wollen. Ich bin gespannt und empfange alle mit offenen Armen!
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