Die Mannheimer Klapsmühl’ ist proppenvoll – wie vor Corona. Bei der Suche nach dem „Wir“ gemeinsam mit Frederic Hormuth haben sich auch viele Mitglieder des Fördervereins an die kleinen Tische gesetzt. Ach, wie wunderbar, wenn vielstimmiges Gelächter, aber auch „beredtes“ Zuhören und saalfüllender Applaus beflügeln. Und dies genießt der Kabarettist, der sich zu Herz und Haltung bekennt, sichtlich.
Gleichwohl hat Hormuth während der Pandemie bewiesen, dass er auch ohne üppiges Publikum als verstärkender Resonanzboden zu begeistern vermag. Obwohl sein Programm „Wer ist eigentlich Wir?“ zwei Jahre alt ist, fühlt sich der Abend wie eine Premiere an. Schließlich hatte der in Heppenheim lebende Mannheimer wenig Gelegenheit, den Wir(r)-Warr rund um die eigene Identität innerhalb einer Gemeinschaft durchzudeklinieren. Gleich einem roten Faden zieht sich durch Szenen, gelesene Texte sowie Lieder die lehrreiche, aber nie belehrende Botschaft: Das Ego funktioniert nur in der Gruppe – weil das Ich nun mal ist, was übrigbleibt, wenn man sich die anderen wegdenkt. Und noch etwas vermittelt der 52-Jährige in einer köstlichen Schlagerparodie: „Das Wir werden wir nicht los!“ Ohnehin erweise es sich als „störrisches Biest“.
Auch diesmal setzen die vom Musiker und Pianisten vorgetragenen Songs mit eigenen Kompositionen wie Texten bejubelte Höhepunkte. Ob nun die bei Hamsterkäufen in leeren Regalen übriggebliebene Vollkornnudel („schließlich kann nicht jeder im Leben aus Weißmehl sein“ ) gehuldigt wird, ob genderfreie Stammtische mit Zigeunerschnitzel-Bestellungen ein schrilles „Auuuuu!“ auslösen, ob ein Optimist mit Erschöpfungssyndrom poetisch statt powernd daherkommt. Und angesichts kriegerischer Auseinandersetzungen hat Hormuth sein altes Lied vom letzten Pazifisten reaktiviert. Und das hört sich an, als sei es nicht 2014, sondern aktuell geschrieben.
Klar hat die beiden Jahre, in denen „virologische Unschuld“ verloren ging, jeder anders empfunden. Wie auch immer, erinnert wird an erlebte Gemeinsamkeiten – auch aus der Davor-Ära, als sich noch alle körpernah begrüßten und schüttelnd Menschen an der Hand hatten, die man gar näher kennenlernen wollte.
Selbstredend seziert und parodiert Frederic Hormuth Polit-Ereignisse , vorzugsweise politisch unkorrekt. Treuherzig erzählt er, dass ihn seine Oma gefragt habe, warum Frau Habeck-Baerbock ihrem Mann beim Bundestagswahlkampf nicht den Vortritt ließ. „Weil Frauenquote wichtiger als Kanzleramt ist.“ Tja, die Wahrheit gleicht Gorgonzola, wie Hormuth befindet. Würzig, aber auch schimmelig.
Der ausgewiesene Spezialist für Gedanken-Boogie-Woogie verblüfft mit so manch schräger Erkenntnis: Beispielsweise, so Hormuth, könnten selbst schreckliche Nazis insofern zu etwas nutze sein, als man bei grauen Depri-Momenten in den Spiegel schaut und erleichtert feststellt: „Wenigstens bin ich kein Nazi!“ Soweit dürfte es freilich gar nicht erst kommen, ist Hormuth überzeugt, wenn jeder Selbstzweifel pflegt und Komfortzonen als Dauerdomizil meidet: „Weil in dieser plüschigen Hölle Ego und Faulheit solange miteinander Sex haben, bis man davon blind wird!“
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