Ladenburg. Die Austritte häufen sich, der Frauenchor hat bereits aufgehört, die Männer könnten bald folgen, und der Gesamtverein ist so gut wie führungslos: Es steht schlecht um die Ladenburger Sängereinheit. Als einstmals lebendige Chorgemeinschaft hat der 1883 gegründete Verein über Generationen hinweg das kulturelle Leben der Stadt mitgeprägt. Doch momentan sieht alles eher danach aus, dass das traditionelle Weihnachtssingen des Männerchors an Heiligabend, 24. Dezember, um 15 Uhr der letzte Auftritt sein könnte - ausgerechnet auf dem Friedhof.
Unter 100 Mitglieder-Marke
Es gibt jedoch noch einen kleinen Hoffnungsschimmer: „Wir wollen voraussichtlich im Januar darüber abstimmen, wie es weitergeht, also ob wir auch mit dem Männerchor aufhören oder ob wir weitermachen“, sagt Günter Grundmann im Gespräch mit dieser Redaktion. Der seit 2019 amtierende Vorsitzende hatte sich bei der jüngsten Hauptversammlung nicht mehr zur Wahl gestellt. Allein die Posten des Notenwarts (Dieter Kraus) und des Vertreters der passiven Mitglieder (Werner Bläß) ließen sich wiederbesetzen. Nun führen Grundmann und sein Stellvertreter Hans-Peter Gutscher den Verein bis auf Weiteres nur noch kommissarisch.
„Ich wäre bereit, noch ein Jahr dranzuhängen, wenn mich jemand bei der Mitgliederwerbung unterstützen würde, aber ich glaube, da passiert nichts“, äußert sich Grundmann zu den Aussichten. Ohne Beitritte werde die Zahl der Mitglieder von zuletzt schon nur noch 113 auf 99 im kommenden Jahr sinken. 2014 waren es 190. „Ich werde bald 82 und will das nicht mehr mitmachen, weil ich schon alles Mögliche organisiert habe, aber nichts angenommen wurde - und Corona hat auch viel kaputt gemacht“, sagt Grundmann, der seit 1986 dazugehört.
Durch Corona fielen Einnahmen weg
Pandemiebedingt hatte das Mitte der 1980er Jahre durch viel Eigenarbeit sanierte Vereinsheim „Ratskeller“ in den Jahren 2020 und 2021 nicht vermietet werden können. Damit war eine wichtige Einnahmequelle ausgefallen. Grundmann glaubt jedoch, dass schon in den vergangenen 20 Jahren „zu wenig passiert“ sei bei der Sängereinheit. Grundmann übernahm das Amt 2019 vom Interimsvorstand, als es schon einmal einen Zustand der Führungslosigkeit zu vermeiden galt. „Ich wollte damals weitermachen, bis Jüngere übernehmen, aber für die gezeigte Interessenlosigkeit will ich mich nicht mehr abrackern“, so Grundmann.
Auch anderen Gesangsvereinen in Ladenburg fehlen aktive Mitglieder
Enttäuschung und Frust sitzen bei vielen tief. So verzichteten Grundmanns Amtsvorgängerin Marianne Stein und Ehemann Manfred beim jüngsten Treffen sogar darauf, sich auf Vorschlag von Altstadtrat Jürgen Müller zur Ehrenvorsitzenden beziehungsweise zum Ehrenmitglied ernennen zu lassen. Als Vorsitzende hatte Stein zuletzt 2014 vor allem den hohen Altersdurchschnitt beider Chöre als „großes Problem“ bezeichnet. Aber auch dass sich bei vereinseigenen Veranstaltungen wie närrischer Singstunde - jahrzehntelang ein Garant für gute Stimmung in der örtlichen Fasnacht - und dem „Lampionfest“ immer weniger Mitglieder blicken ließen, wurde intern immer wieder bemängelt.
Ein Thema, das den noch älteren Ladenburger Gesangverein Liederkranz ab 2009 wieder vorangebracht, aber die „Einheit“ zusehends entzweit hatte, war offenbar der gemischte Chor. Noch 2018, also 31 Jahre nach Gründung des Frauenensembles, hatte der kürzlich verstorbene Ehrenvorsitzende Helmut Kinzig lediglich für ein „schrittweises Annähern“ plädiert.
Der damalige Vizechef Josef G. Hoffmann entgegnete darauf kopfschüttelnd: „Wir Männer können doch bald gar nicht mehr alleine singen.“ Und Ehrenmitglied Ingrid Müller, die langjährige Sprecherin des Frauenchors, flehte damals vergebens, wie diese Redaktion berichtete: „Probiert es doch erst einmal, dann könnt ihr ja immer noch meckern.“
Dass nur „aktive Mitglieder und gute Vorstandsarbeit Garanten für einen erfolgreichen Verein“ seien, das betont Rudi Neumann vom Sängerkreis Weinheim oft. Der Kreisvorsitzende aus Hemsbach war 2017 zu Gast bei der traditionellen vorweihnachtlichen Feier der Sängereinheit, um Karl Fallenstein für 65 Jahre aktives Singen zu ehren. Neumann stellte fest: „Langjährige Treue im Verein ist keine Selbstverständlichkeit mehr“.
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