Pop-Konzertkritik

Wechselseitig Gänsehaut: So gut war der Auftritt von Söhne Mannheims Piano in Worms

Obwohl kurzfristig Bandleader Florian Sitzmann ersetzt werden muss, feiert das Sextett mit fünf Vokalisten und Ersatzpianist Till Sahm einen sehr gelungenen Einstand ins Konzertjahr 2023. Im Juni soll ein Album folgen

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Jörg-Peter Klotz
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Statt Florian Sitzmann unterstützte im fast ausverkauften Wormser-Theater der Berliner Till Sahm am Piano die Söhne-Mannheims-Vokalisten (v. l.) Karim Amun, Dominic Sanz, Michael Klimas und Metyphysics. © Berno Nix

Worms. Es geht aufwärts im Veranstaltungswesen, auch für die Söhne Mannheims. Die lange Parkplatzsuche rund um das Wormser-Theater macht schnell klar: Das Konzert ihrer Piano-Formation um Keyboarder Florian Sitzmann ist gut besucht. Sogar fast ausverkauft mit 660 Besuchern. Wobei die 180 Plätze im Oberrang gar nicht im Verkauf waren. Dass viele Besucherinnen und Besucher sehr früh erschienen sind, liegt auch am Rahmenprogramm der neuen Event-Reihe Spot: Vor und nach dem Konzert gibt es Musik, Fingerfood, Drinks und Wein, unterstützt von der Sat.Schadensmanagement GmbH. Na, da kann ja nichts schief gehen.

Tut es auch nicht. Obwohl dem Sextett Söhne Mannheims Piano im Vorfeld eigentlich der Worst Case passiert. Das wird deutlich, nachdem die ersten Klavierakkorde von „Das hat die Welt noch nicht gesehen” erklingen und unter großem Jubel der schwere blaue Vorhang fällt: Denn da sitzt gar nicht Bandleader Sitzmann am Flügel. Der Sitzmann-Ersatzmann kommt aus Berlin heißt Till Sahm, ist bekannt aus dem Umfeld des Pop-Songwriters Cosmo Klein und hat live schon im Spektrum zwischen Sarah Connor und Dieter Meier (Yello) reüssiert. Den Fans ist’s egal, sie schwelgen im einzigen Nummer-eins-Hit der normal mit mehr als einem Dutzend Musikern aufwartenden Band. Die altgedienten Sänger Dominic Sanz und Michael Klimas eröffnen. Dann setzt der vor der Pandemie eingestiegene Karim Amun sanft ein, das charmant angeraute Organ des Frankfurters Giuseppe „Gastone“ Porrello rundet das stimmige Gesangsbild ab– und der erste vierstimmige Part klingt nahezu perfekt schön.

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Till Sahm springt am Flügel ein

Danach erläutert Amun kurz die Situation: „Der Florian ist krank. Das ist eher fatal. Aber nach den letzten drei Jahren werden wir alles tun, um kein Konzert ausfallen lassen zu müssen.“ Aber der Ausfall des Popakademie-Professors macht sich nur für Experten und bemerkbar. Sitzmann spielt seine Piano-Arrangements der Söhne-Klassiker zwangsläufig etwas flüssiger und mit einer Selbstverständlichkeit, als würde er Körperteile benutzen. Aber obwohl Sahm laut Management nur zweieinhalb Tage Zeit zum Proben hatte, schlägt er sich bis auf einen Aussetzer beim Einsatz absolut souverän. Und kann auch beim gelegentlichen musikalischen Schabernack der Söhne jederzeit spontan mitgehen.

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Das praktiziert vor allem das Publikum,, als Amun per Beatboxing den Fanfavoriten „Dein Leben“ einleitet, in dem Rapper Metaphysics seinen ersten Auftritt im sich abwechselnden Vokalisten-Quintett hat. Nach „Eine Million Lieder“, „Wir leben im Jetzt“ und dem großartigen Gastone-Song „Moral“ folgt die Söhne-Pianoballade schlechthin. In einer Version, die die Welt noch nicht gesehen hat. Sanz kündigt das Duett „Und wenn ein Lied“ auch damit an, dass es bei Söhne-Konzerten „über die Jahre von verschiedenen Interpreten gesungen worden sei und immer etwas Schönes herausgekommen sei. Was stimmt, egal, ob Xavier Naidoo, Claus Eisenmann, Tino Oac oder Rolf Stahlhofen sich die populärste Nummer der Bandgeschichte teilten.

Das Duo hat die Welt noch nicht gesehen

Aber auch die Premiere des Duos Sanz/Gastone gelingt, hat durch die ganz entgegengesetzten Stimmen besonderen Reiz und wird wie so vieles an diesm Abend extrem laut bejubelt. Besonders schön, wie hauchzart und chorisch sensibel vor allem die Töchter Worms’ im Saal hauchzart einstimmen. Das Publikum reagiert generell fast ausgehungert, auch auf auf kleinste Anreize: Als Sanz die Zeile „dieses Lied ist nur für euch, Worms, schön, wenn es euch gefällt“, singt, setzt es tosenden Szenenapplaus. „Ich habe dabei geweint“, sagt ein Zuschauer noch bewegt in der Pause über diesen Konzertmoment. Die emotionale Wirkung funktioniert aber wechselseitig: Nach „Ich wollt nur deine Stimme hörn“ im zweiten Teil sagt Amun sehr angefasst: „Wie schon ihr Dingen könnt, Worms! Jetzt habt ihr mir Gänsehaut gemacht. Nächstes Mal machen wir’s wieder annersch rum.”

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„Mut“ als Botschaft

Aber es funktionieren nicht nur die Hits der Naidoo-Ära, auch de neuen Songs werden äußerst positiv aufgenommen, wie zum Beispiel „Mut“. Die vorletzte Single (vor dem aktuellen „Keine Eile“) kündigt Klimas als Vorboten des siebten Söhne-Albums an, das im voraussichtlich Juni erscheinen soll. Auch bei „Mut wird heftig mitgeklatscht. Die Botschaft des Songs, „Alles wird gut“, könnte auch für die von Pandemie und Schlagzeilen gebeutelte Band gelten, deren erstes Konzert des Jahres kaum positiver enden könnte als mit Standing Ovations und lautstarken Zugaberufen.

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