Albumkritik Rock

Was an Slashs neuem Album auszusetzen ist

Der Gitarrist von Guns N' Roses hat für sein neues Soloalbum "Orgy Of The Damned" eine ganze Starparade ins Studio in Los Angeles eingeladen. Für kleine Makel sorgen Popstar Demi Lovato und Produzent Mike Klink

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Slash gehört zu den wenigeren Rockgitarristen heutzutage, die auch mit ausgedehnten Soli ein großes Publikum begeistern. © Gene Kirkland

Los Angeles. Wer mit Axl Rose in einer Band spielt, den schreckt der Umgang mit möglicherweise kapriziösen Stars nicht: Trotzdem verblüfft das enorme Ausmaß an musikalischer Prominenz, das sich Guns-N’-Roses-Gitarrist Slash für sein siebtes Studioprojekt „Orgy Of The Damned“ ins Studio geholt hat. Und das für ein Album, das Klassikern aus Blues und Rock huldigt, wie es die Rolling Stones 2016 mit „Blue & Lonesome“ eindrucksvoll vorgemacht haben.

AC/DCs Brian Johnson trifft auf Steven Tyler von Aerosmith

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Schon Slashs erster Appetitmacher, die mit einem Video voller effektvoller historischer Bilder beworbene Single „Killing Floor“ nach Chess-Records-Legende Howlin’ Wolf, versammelt die Frontmänner von AC/DC und Aerosmith. Brian Johnson übernimmt den Lead-Gesang – quasi von Kraftpaket zu Kraftpaket, und klingt dabei deutlich dunkler als gewohnt, ohne sich an den einzigartig, fast animalischen Stil des Original-Wolfs anzubiedern. Tyler steuert eine hochenergetische Blues Harp à la Little Walter bei – und lässt es sich nicht nehmen, die Neuinterpretation mit seinen typischen Ekstase-Schreien zu veredeln.

Von Robert Johnson bis Fleetwood Mac: Erstaunliche Vielfalt bei der Song- und Stimmauswahl

Erstaunlich ist aber die Vielfalt in Slashs Song- und Stimmenauswahl: Das Album startet auf Topniveau mit Steppenwolfs Bluesrocker „The Pusher“, dessen Soul-Potenzial Chris Robinson in typischer Manier seiner Black Crowes herausarbeitet.

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Generationenübergreifendes Konzept: ZZ Tops Billy Gibbons folgt auf den brillanten Gary Clark Jr.

Es folgen mit Robert Johnsons „Crossroads“ und Willie Dixons „Hoochie Coochie Man“ Blues-Klassiker, interpretiert von zwei Generationen stilprägender Gitarristen: Gary Clark Jr. (40) und ZZ Tops Frontmann Billy Gibbons (74). Und auf die Idee, Fleetwood Macs „Oh Well“ von der Soul-Rock-Stimme des größten Country-Stars der Gegenwart singen zu lassen, muss man auch erst mal kommen. Natürlich löst Chris Stapleton das auf Topniveau.

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Eine absolute Bank, auch geschmacklich ist Paul Rodgers (Bad Company, Free). Der 74-Jährige interpretiert „Born Under A Bad Sign“ souverän, lässig und frisch. Tash Neal, Rhythmusgitarrist von Slashs vierköpfiger Studioband für dieses Projekt, singt Stevie Wonders „Living For The City“ mehr als solide. Slashs weitere Begleiter sind Drummer Michael Jerome (Better Than Ezra, John Cale, Charlie Musselwhite), Keyboarder Teddy Andreadis (GN’R, Carole King, Chuck Berry, Alice Cooper, Bo Diddley) und Johnny Griparic (Bass).

Iggy Pops Sprechgesang räumt den Originalitätspreis ab

Den Originalitätspreis räumt der älteste Mitwirkende ab: Punk-Ikone Iggy Pop rekapituliert „Awful Dream“ von Lightnin’ Hopkins im Sprechgesang so, als würde er seinem Therapeuten bei einem Glas Rotwein von diesem furchtbaren Traum erzählen. Der 77-Jährige wird dabei nur von Slash auf der Gitarre begleitet, der hier sehr puristisch agiert. Auch sonst ist das Spiel des 1965 in London geborenen Gitarristen-Superstars stets der zweite Hauptdarsteller; natürlich vor allem im selbst verfassten Instrumental „Metal Chestnut“ zum Abschluss. Slash paart das Gefühl für den Blues und dessen Groove sowie Mut zur Sparsamkeit mit exaltierten Soli zwischen eruptiver Energie und melodischer Lyrik, die man sich heutzutage fast nur noch von ihm anhört.

Keine reine Männerrunde dank Dorothy, Beth Hart und Demi Lovato

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Vor 20 Jahren hätte so ein All-Star-Projekt zur reinen Männerrunde werden können (plus Bonnie Raitt). Heute wirken immerhin auf drei der zwölf Songs Sängerinnen mit: Dorothy Martin von der nach ihrem Vornamen benannten Rockband aus Los Angeles interpretiert die Chicago-Bluesnummer „Key To The Highway“ hochkompetent und eskaliert am Ende sehr hübsch. Der großen Beth Hart („Stormy Monday“) kann eh niemand etwas vormachen. Die Geister scheiden könnten sich an der jüngsten Sängerin Demi Lovato. Die 31-Jährige lässt beim Temptations-Evergreen „Papa Was A Rolling Stone“ zwar ihren Pop-Hintergrund vergessen und agiert stimmgewaltig. Ihre Interpretation ist allerdings teilweise etwas unterkühlt und schroff. Andererseits: Mit Soul-Girlanden und gefühlig wurde das Lied schon oft genug gecovert, so dass ihre sperrigere Herangehensweise auf jeden Fall originell ist. Dazu kommt Slashs Spiel mit der Talk Box im Stil von Peter Frampton als zusätzlicher Spannungsfaktor. Einziges Manko der Gesamtproduktion: An vielen Stellen ist der von Mike Clink (Whitesnake, Guns N‘ Roses, Mötley Crüe, Megadeth, Jefferson Starship) verantwortete Sound zu glatt – mit Ausnahme der Gitarren.

Toni Greis comichaftes Album-Cover ist ein Hingucker fast mit Wimmelbild-Mehrwert

Toni Greis comichaftes Album-Cover ist ein Hingucker fast mit Wimmelbild-Mehrwert. © Toni Greis/Sony Music

Warum der 58-Jährige dieses Werk als „Orgie der Verdammten“ verkauft, bleibt sein Geheimnis. Schließlich lässt er hier alle Beteiligten wirklich glänzen. Vor allem in den starken Videos zu einigen Songs – und im Innencover der gut klingenden Doppel-LP, das von starken Fotos der Stars und Studiomusiker lebt. Toni Greis comichaftes Album-Cover mit einer Tanzszene im Stil der Diskos der frühen 1970er (die in den Video-Clips auch zitiert werden) ist zwar ein Hingucker fast mit Wimmelbild-Mehrwert, führt musikalisch aber etwas auf die falsche Fährte. Also weniger zum Blues, dem Zentrum des Werks, als zu Stevie Wonder, Temptations und Co.

Mit „Orgy Of The Damned“  können letztlich nur wenige der bisher sieben anderen Soloprojekte mithalten, die der GN’R-Star  seit 1995 u.a. mit Slash’s Snakepit oder Myles Kennedy & The Conspirators veröffentlicht hat. Die  (nur!) fünf Alben an der Seite von Axl Rose spielen eh in einer anderen Liga.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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