Veröffentlichungen zum Jubiläum

Warum AC/DC nach 50 Jahren keineswegs zum Altmetall gehören

Vor ihrem ausverkauften Open Air am 13. Juli auf dem Hockenheimring standen Angus Young und Co. zuletzt mit neun (!) wiederveröffentlichten Alben der "AC/DC 50 Series" in den deutschen Top 30 - und der 2016 fast ertaubte Sänger Brian Johnson sendet ein starkes Lebenszeichen

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Seit 50 Jahren Kult: Angus Young, Lead-Gitarrist und Mitgründer von AC/DC. © C. Tyler Crothers

Wer sich fragt, warum AC/DC mit nur noch einem Gründungsmitglied und einem 2016 fast ertaubten Sänger rasant mehr als 100 000 teure Karten für ihr Open Air am 13. Juli auf dem Hockenheimring verkauft haben - der kann einfach einen Blick auf die deutschen Albumcharts der Vorwoche werfen. Die wurden dominiert von Wiederveröffentlichungen zum 50. Bandjubiläum. Etwas verspätet zum Anlass: Am 31. Dezember 1973 spielte die Band um Angus Young ihre erste Show im Chequers Nightclub in Sydney. In der „AC/DC 50 Series“ erschienen im März neun der 18 Studio- und drei Live-Alben unter anderem auf goldfarbenem Vinyl - alle Neune landeten in den Top 30.

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Platz eins gehörte dem am zweitmeisten verkauften Album aller Zeiten, nach Michael Jacksons „Thriller“: „Back in Black“ aus dem Jahr 1980, das am Karfreitag seine insgesamt 89. Woche in den deutschen Charts feierte - ausgerechnet die Platte mit „Hells Bells“. Wenn man nur das Genre Rockmusik betrachtet, sind diese knackigen, auf zehn Songs verteilten 42 Minuten erfolgreicher als alles, was die Beatles, die Rolling Stones, Pink Floyd, Genesis, Deep Purple, Jimi Hendrix  oder Led Zeppelin veröffentlicht haben.

2016 musste Brian Johnson erstmals bei einer Tour von AC/DC passen. Vor dem Konzert in Hockenheim im Juli 2024 senden der 76-jährige Sänger und seine Band eindrucksvolle Lebenszeichen. © C. Tyler Crothers

Auf Rang zwei folgte der Meilenstein „Highway To Hell“, das letzte Album mit dem 1980 verstorbenen Frontmann Bon Scott (33). Dazu kamen: „Live“, das Tour-Album aus dem Jahr 1991, auf Platz neun, „High Voltage“ (12.), „The Razors Edge“ (13.), „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ (19.) „For Those About To Rock“ (22.) „Powerage“ (26.) und „Who Made Who“ (30.).

Der Vorwurf „Primitivität“ ist in der Rockmusik kein Makel

Vor diesem Hintergrund lesen sich die oft vernichtenden Kritiken für die ersten Alben nach „High Voltage“ (1975) recht amüsant. Aber noch heute gelten Sound und Texte der Australier mit den nordbritischen Wurzeln bei vielen Rock-Fans als primitiver Kneipenschlägerrock. Dagegen kann man mit Absatzzahlen natürlich nicht argumentieren. Dass sich allein „Back In Black“ mehr als 50 Millionen Mal verkauft hat, sagt ja nichts über die Qualität des ersten Albums mit Brian Johnson am Mikrofon.

Wenn man die neue Pressung auf den Plattenteller legt, wird man aber sofort daran erinnert, dass Primitivität in der Rockmusik nichts Schlechtes ist. Ganz im Gegenteil: Fast jedes Intro wird von unverkennbaren, meist von Malcolm Young (1953-2017) erdachten Gitarrenriffs getragen, die im knochentrockenen Sound der „AC/DC 50 Series“ auch nach 44 Jahren noch knallen wie einst im Juli 1980. Präzision, Tempo und Virtuosität des Lead-Gitarristen Angus Young beeindrucken bis heute, ähnlich wie die kontrollierte Intensität bem mal kreischende, mal rau röhrenden Organ  Johnsons.

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Vom Selbstverständnis der Band her ist das viel näher an Chicago Blues und frühem Rock ’n’ Roll als am Heavy Metal, dem sich AC/DC ab Ende der 80er mit Hits wie "Heatseeker" oder „Thunderstruck“ kurz annäherten. Was bei den Songs des Erstlings „High Voltage“ noch viel deutlicher wird, das in der „internationalen Version“ wiederveröffentlicht wurde. Der stoische Rhythmus des Drum-Uhrwerks Phil Rudd und die Lust an der simplen Repetition rühren an diesen Blues-Wurzeln, am Besten zu hören bei scheinbar monotonen Songs wie "It's a Long Way To The Top (If You Wanna Rock 'n' Roll"  - und betreiben schon Mitte der 1970er das spätere Geschäft des Punk: die Überfrachtung der Rockmusik durch progressive, elaborierte Elemente mit dem Dampfhammer auszutreiben.

Einziger Mangel an wiederveröffentlichten AC/DC-Alben: Beigelegte "Kunstdrucke" sind Massenware

Auch Brian Johnsons jüngstes Lebenszeichen unterstreicht das Blues-Fundament seiner Band: Im Video zur aktuellen Solo-Single „Killing Floor“ des Guns-N’-Roses-Gitarristen Slash nimmt es der 76-Jährige sehr gekonnt mit dem in jeder Hinsicht großen Blues-Sänger Howlin’ Wolf auf. Dessen Klassiker interpretiert der Band-Methusalem, der immerhin sieben Jahre älter ist als AC/DC-Gründer Angus Young, nicht nur erstaunlich lässig und raffiniert. Aerosmith-Frontmann Steven Tyler veredelt die Coverversion mit energetischer Mundharmonika und Tyler-typischen Schreien. Es ist auch eine brillante kleine Geste, dass er ausgerechnet mit dem Co-Star der Band arbeitet, deren Sänger Axl Rose ihn 2016 bei mehr als 20 Konzerten ersetzt hat. Was Johnson in nunmehr 44 Jahren als "neuer Sänger" der Australier nicht ein einziges Mal passiert ist. 

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Zu bemängeln gibt es an der „AC/DC 50 Series“, die mit guten Pressungen und inhaltlich vorbildlich gestalteten Innenhüllen alles andere als Altmetall liefert, nur Formalien: Das Gold-Vinyl glänzt allenfalls wie Karamell und die beigelegten „Kunstdrucke“ sind grafisch leider einfallslose Massenware. Die sich zu allem Überfluss auch noch sehr stark ähneln. Das mag auch für den Sound vieler AC/DC-Songs gelten, die klingen aber trotzdem erstaunlich zeitlos. 

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