Mannheim. Sonne und Wolken wechselten sich ab und Vögel flatterten zwischen blühenden Bäumen hin und her. Doch das Naturspektakel vermochte kaum jemand zu interessieren. Denn groß waren hier die Ausgelassenheit und die Freude darüber, mit dem Ella & Louis Jazz Orchestra im heimeligen Ambiente vor der Freilichtbühne des Spinelli-Geländes im Rahmen der Bundesgartenschau (Buga) Live-Musik erleben zu dürfen. Gut möglich, dass viele Zuschauerinnen und Zuschauer am Sonntagnachmittag das Konzert, in dessen Mittelpunkt die Musik eines ganz großen Musikers der Jazzszene, die des Mannheimers Fritz Münzer, stand, erleben wollten.
Und es war in mehrfacher Hinsicht ein ganz besonderes Konzert. Zum einen fand es am Unesco International Jazz Day statt, der jedes Jahr am 30. April gefeiert wird, um die Vielfalt kultureller Ausdrucksmöglichkeiten zu würdigen. Zum anderen war es der Startschuss zum Landesjazzfestival, das bis zum 7. Mai in Mannheim an unterschiedlichen Spielstätten ausgerichtet wird.
Und der dritte Grund, warum es ein besonderer Tag war: Das Ella & Louis Jazz Orchestra ehrte das Urgestein der Mannheimer Jazz-Szene eben auf dem Spinelli-Gelände, wo sich ehemals die Barracks der US-Armee befanden - und wo Fritz Münzer musikalisch groß geworden ist. Dort gab es damals Offiziersclubs, in denen auch auch die deutsche Szene Musik gemacht hat.
Dass jetzt das Eröffnungskonzert des Landesjazzfestivals hier stattfand, ist ein schöner Zufall. Darin waren sich alle drei Redner, die das Festival eröffneten, einig: Oberbürgermeister Peter Kurz, Martin Simon, Vorsitzender des Veranstalters IG Jazz Rhein Neckar, und Trompeter Thomas Siffling. Dieser war einst Münzers Schüler und ist nun Bandleader des Ensembles, das nach seiner Spielstätte benannt ist. Das Ella & Louis Jazz Orchestra, hatte den ersten öffentlichen Auftritt in dem Rosengarten-Kellerclub, der 2022 den „Applaus“-Preis für seine hervorragende Konzertarbeit bekam. Es brachte am Sonntag viele alte Münzer-Arrangements und -Kompositionen, verfasst für ein Tentett, zu Gehör.
Die Formation besteht aus zehn Instrumentalisten, die sich als „Who’s Who der regionalen Jazzszene“ verstehen. Wer sich auf einen spontanen Jam und freie Improvisation eingestellt hatte, wurde überrascht. Denn das Ensemble bot etwas ganz Anderes. Die zehn Musiker spielten auskomponierte Stücke - virtuos und dynamisch, aber kontrolliert von Notenblättern, die Fritz Münzer noch per Hand kopiert hatte.
Die Darbietung passte durchaus zum milden Frühlingsnachmittag im Freien. Die Grooves hoben sich wunderbar ab und die von Münzer oder seinen Lieblingsmusikern komponierten Jazz-Songs vermochten durchaus das Publikum zu berühren. Komplexe Rhythmen überlagerten sich, Linien und Muster liefen gegeneinander und fanden wieder in eine gemeinsame Ordnung. Knapp und präzise von Schlagzeuger Oliver Strauch, Bassist Matthias Debus und Gitarrist Marcus Amani begleitet, liefen die Bläser (Olaf Schönborn, Altsaxofon, Matthias Dörsam, Tenorsaxofon, Sebastian Nagler, Baritonsaxofon) zu Höchstform auf. Ihre Soli wurden stets mit tosenden Szenenapplaus honoriert.
Auch Nicolai Daneck behauptete sich als vielseitiger und expressiver Pianist. Sechzehn Jahre nach dem Tod von Fritz Münzer konnte man der Band die Verbundenheit mit ihrem Lehrer und Förderer anhören. Zeit seines Lebens war der 2007 in Weinheim verstorbene Mannheimer ein großer Mentor für viele junge Musikerinnen und Musiker der Musikhochschule. Als einer der populärsten deutschen Altsaxophonisten gründete er später mit Wolfgang Lauth den Emanon Musikverlag.
So robust wie romantisch
Viele weitere Details aus dem Leben Münzers erfuhren die Fans vom Moderator Siffling. Für ihn war es nur folgerichtig, der großen Jazz-Legende der Stadt Mannheim ein Konzert zu widmen. Münzer war immer näher an der Melodie als an der technischen Raffinesse orientiert, beschrieb Siffling den Stil der Ikone, die auch einen wunderbar sanften wiedererkennbaren Klang hatte. Das Spiel des Jazzorchesters erwies sich ebenfalls als gleichermaßen robust und romantisch - sowohl in vom kräftigen Drive geprägtem „Killer Joe“ von Benny Golson, einem Lieblingssong Münzers, als auch in der beseelten Ballade „I Remember Clifford“, ebenfalls von Golson, oder der Eigenkomposition „Blue ideas“.
Das Beste an diesem Orchester jedoch war das intuitive und risikofreudige Zusammenspiel aller Mitglieder. Hier musste keiner auf einen Wink warten. Auch Bassist und Schlagzeuger waren auf Augenhöhe mit dem Pianisten sowie den originellen Soli der Bläser und schalteten sich mit prägnanten Beiträgen ein. Dieser Auftritt war ein Ereignis und ein treffendes Statement für die Live-Kultur
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheim als Idealfall für den Jazz