Mannheim. Am 30. April ist Unesco International Jazz Day. In Mannheim wird er an diesem Sonntag besonders spektakulär begangen: Zum Auftakt des Landesjazzfestivals huldigt die regionale All-Star-Band Ella & Louis Jazz Orchestra um Trompeter Thomas Siffling und Saxofonist Olaf Schönborn der Musik Fritz Münzers, einer Ikone des Mannheimer Jazz. Das Konzert läuft im Rahmen der Bundesgartenschau (Buga) ab 17 Uhr und lädt zum Entdecken des in der Region hochklassig gepflegten Genres ein – denn bis auf die 28 Euro Buga-Eintritt ist das Konzert kostenlos und kann auch im Vorübergehen ausprobiert werden.
Wer das Aprilwetter zu unberechenbar findet, der kann sich via Stream, Digital-Download (rodensteinrecords.com) oder auf CD eine weitere All-Star-Band der Rhein-Neckar-Szene mit Jazz-Appeal ins Haus holen: Das Deng Xiaomei International Ensemble hat nach langer Sendepause wieder ein Album produziert. Es heißt programmatisch „Crossing Boundaries“ – denn musikalische Grenzüberschreitungen sind bei der in Peking geborenen Erhu-Geigenvirtuosin und dieser Formation schon seit mehr als 15 Jahren Programm.
Septett bietet fast unbegrenzte Möglichkeiten
Kein Wunder, denn mit Xiaomei (Erhu, Guzheng – chinesische Harfe), Heiko Duffner (Gitarre, Tar – orientalische Laute), Michael Fischer (Percussion), Claus Kiesselbach (Vibraphon), Valeria Lo Giudice (Cello), Martin Simon (Kontrabass) und Rodenstein-Records-Chef Schönborn (Saxofone, Flöte, Bass, Klarinette, Hulusi – chinesische Mundorgel) eröffnen sich stilistisch nahezu unbegrenzte Möglichkeiten.
Diese nutzt das Septett weidlich. Und erweitert sein zuvor schon beachtlich breites Stilspektrum zwischen traditioneller chinesischer Musik, Jazz und Weltmusik-Rhythmen erneut: Zur melodischen Basis von Xiaomeis Erhu und Guzheng-Harfe gesellen sich Arabesken, Klezmer („Eden“) und das deutsche Volkslied „Der Mond ist aufgegangen“. Unter den neun Instrumentals finden sich unter anderem auch Popsongs, die in sich Grenzen überschreiten: „Rock, Paper, Scissors“ klingt nach Irish Folk, stammt aber von der norwegischen Indie-Pop-Band Katzenjammer. Den „Country Jam“ hat der chinesische Sänger Jay Chou geschrieben und der „Far East Blues“ ist eine deutsch-chinesische Eigenproduktion des Mannheimer Ensembles.
Exzellenter Klang, nicht ganz klischeefrei
Das Album klingt exzellent und transparent, dank Kiesselbachs Arrangements und den feinsten Sound-Adressen der Region: Christian Bethge aus Mannheim und Markus Borns Kleiner Audiowelt in Sandhausen. Durch diese Qualität fällt nicht weiter ins Gewicht, dass manche Nummer recht nah an die Kitschgrenze gebaut ist – die sehnsuchtsvolle Melancholie der Erhu bietet dafür aber auch emotional viel Tiefe. Und natürlich sind die Einsprengsel aus anderen Musikkulturen nicht ganz klischeefrei. Aber zum Beispiel der Clash von arabischen und fernöstlichen Elementen hat den Reiz, dass man derlei Kombinationen selten bis nie zu hören bekommt.
Passt das zur interkulturellen Sensibilität?
Die seit 1990 in Deutschland lebende langjährige Wahl-Mannheimerin Deng bestreitet auch einen monatlichen Programmpunkt bei der Mannheimer Buga: Am 25. Mai, 19. Juni, 20. Juli, 24. August, 21. September und 5. Oktober möchte sie „mit neuen Klangkreationen und Kompositionen (...) einen musikalischen Dialog zwischen Mensch und Natur erforschen“ – und musikalisch in Kommunikation mit Flora und Fauna treten. Man darf gespannt sein, ob die leider trotz diverser Anfragen immer noch nicht ausformulierten Kriterien der Buga-Leitung für interkulturelle Sensibilität an den Grenzüberschreitungen dieses Ensembles nicht Anstoß nimmt. Denn streng genommen integriert hier die Musik der Hegemonialmacht China mit Hilfe einer überwiegend deutschen Band Stilistiken aus weit weniger privilegierten Kulturen.
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