Mannheim. Sabine Pahlke startet in einen neuen Lebensabschnitt. Für ihren neuen Job als Abteilungsleiterin ist sie von München nach Mannheim gezogen und hat eine schnuckelig möblierte Wohnung mit knallroter Ledercouch, Kaktustapete und gut bestücktem Bartischchen gefunden. Sie könnte also voller Aufbruchstimmung sein, doch die Sache hat zwei Haken: Erstens gerät sie durch die Rückkehr in ihre Heimatstadt wieder unter die Fuchtel ihrer „Drachenmutter“ Ingrid und zweitens spukt in der Wohnung der Geist der Vormieterin Pia herum. Die ist nach einem Verkehrsunfall nicht „hinübergegangen“ ins Reich der Toten und muss erstmal überzeugt werden, dass sie tot ist. Sabine hat also alle Hände voll zu tun, sich und ihr neues Reich gegen Eindringlinge und Übergriffe zu behaupten.
„Tote Frauen trinken nicht“ ist der Titel des in vielerlei Hinsicht geistreichen Stücks von Claudia Kumpfe, das Regisseur Thomas Nauwartat-Schultze als temporeiche Tür-auf-Tür-zu-Komödie mit angemessen dosiertem Klamauk für das Zimmertheater Mannheim inszeniert hat. Auf der Bühne agieren ausschließlich weibliche Laiendarstellerinnen des Ensembles der Freilichtbühne – mit großer Lust am Spielen. Dass Angelika Lederer in der Rolle der Putzfrau Biggi die Handlung mehrfach erzählend einordnet, wäre nicht zwingend nötig, ist aber bereichernd, denn ihr Monnemer Dialekt erdet das Geschehen und ihre schnoddrigen Kommentierungen treffen zuverlässig ins Schwarze.
Im ersten Teil der 90 Minuten (reine Spielzeit) lernen wir die Charaktere kennen. Agnetha Rauch agiert in der Hauptrolle der tüchtigen, aber introvertierten Sabine nuanciert und authentisch. Henrike Haase karikiert Ingrid blasiert als herrische, notorisch nörgelnde Mutter. Veronika Ludwig als Heide Pahlke hat den Schalk im Nacken: Zunächst likörfixiert und etwas treudoof im Schlepptau der dominanten Schwester, zeigt sie bald, dass sie ihr Herz am rechten Fleck hat. Und Ute Zuber darf als dem Alkohol ebenfalls nicht abgeneigte Vermieterin regelrecht mütterliche Gefühle für Sabine entwickeln. Auch die junge Mia Lelia Franz in ihrer ersten großen Rolle macht ihre Sache als Geist Pia hervorragend: Zu Lebzeiten ein Partygirl, muss sie nun abstinent bleiben und wird, da Sabine die Einzige ist, die sie sehen und hören kann, zu deren Freundin und Ratgeberin.
Bis in die Nebenrollen hinein ist die Besetzung stimmig: Claudia Bendig und Andrea Resch begeistern als Geisterjägerinnen in roten Overalls mit einer (leider etwas schlecht zu verstehenden) Tanz- und Gesangseinlage zu „Ghostbusters“, und Jelena Bruderuhs ist unwiderstehlich als Reinigungskraft Dunja Paslowski, deren gellendes Hexenlachen und serbisches Fluchen heftig beklatscht werden. Dunjas turbulente Séancen, die Pia endgültig ins Jenseits befördern sollen, haben zwar nicht den gewünschten Effekt, lassen aber weitere Mutter-Tochter-Konflikte aufbrechen und legen offen, dass auch für die Verhaltensmuster von Ingrid gilt: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Fazit: ein vergnüglicher Abend, tolle Unterhaltung.
Sämtliche weiteren Vorstellungen am 4., 5., 6., 10. und 11. April sind ausverkauft. Durch Absagen frei werdende Plätze werden nachbesetzt.
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