Theater

Theaterstück "Schtonk!" in Ludwigshafen beleuchtet die Aktualität von Fake News

Die Inszenierung von "Schtonk!" als Produktion des Eurostudios Landgraf wirft ein Licht auf den Skandal um die Hitler-Tagebücher und zeigt, warum der Skandal von 1983 immer noch Relevanz hat

Von 
Sibylle Dornseiff
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Die Tourneeproduktion des Eurostudios Landgraf zeigt, dass die Geschichte um Fälschungen und Sensationslust noch immer fesselt. © T.Behind-Photographics,Tim Muell

Ludwigshafen. Manche mögen sagen, der Medienskandal um die gefälschten Hitler-Tagebücher, die das Magazin Stern 1983 veröffentlichte und so weltweit für eine Riesenblamage sorgte, sei ein alter Hut. Auch die Film-Satire „Schtonk!“ von Helmut Dietl, die 1992 Furore machte, liegt schon Jahre zurück. Sie traf damals einen anderen Nerv der Zeit.

Damals geriet die Presselandschaft als solche in Verruf, stand die verführerische Gier nach Sensation und eine daraus resultierende Gutgläubigkeit der Medienmacher im Vordergrund. Der Begriff „Fake News“, das Unwort des Jahres 2017, war noch nicht kreiert. Heute können alle, die sich in den sozialen Netzwerken bewegen, Fake News ohne Ende produzieren - und es finden sich immer Menschen, die ihnen Glauben schenken.

Geschichte um gefälschte Hitler-Tagebücher lebt in Ludwigshafen wieder auf

Dieser Fakt und ein weiterhin weltweit großes Interesse an Devotionalien des Dritten Reiches halten das Thema, um das „Schtonk!“ kreist, aktuell. Auch deshalb machte Marcus Grube, der Chefdramaturg und Co-Intendant der Württembergischen Landesbühne Esslingen, aus dem Film eine Theaterfassung, die 2018 in Esslingen uraufgeführt wurde und seither viel gespielt wird. Seit vier Jahren ist „Schtonk!“ als Produktion des Eurostudios Landgraf auf Tournee, im Ludwigshafener Pfalzbau amüsierte sich das Publikum im eher mäßig gefüllten Saal bestens.

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Die Geschichte rankt um den genialen Fälscher Dr. Fritz Knobel („ich werde in Kürze das weltweit größte Fälscher-Machwerk der Geschichte geschrieben haben“) und den Hitler heimlich verehrenden Reporter Hermann Willié, der für die eher linksliberale HHPress arbeitet („die Meinung meiner Zeitung ist nicht die meine“). Er ist wegen des Kaufs der ehemaligen Göring-Yacht Carina II pleite, muss an Geld kommen. Als er Bekanntschaft mit dem Maler Dr. Fritz Knobel macht, der gerade ein angeblich von Hitler gemaltes Bild von der nackten Eva Braun fälscht, entwickelt der die Idee der „gefundenen“ Tagebücher.

Nun läuft das Spiel um Macht und Sensation im Zeitraffer ab, geilen sich plötzlich sogar antifaschistisch eingestellte Menschen an der Aussicht auf Ruhm auf. „Die Geschichte Deutschlands muss neu geschrieben werden“, verkündet HHPress-Chefredakteur Kurt Glück (Ulrich Westermann). Das, im Gegensatz zum Film andere Ende nach der Aufdeckung der Fälschungen ist fast schon genial und treibt den Widersinn auf die Spitze: Wenn die Bücher erst nach 1945 geschrieben sein konnten, dann muss Hitler noch leben!

"Schtonk!"-Aufführung im Pfalzbau kommt der sehr gut beim Publikum an

Im dreigeteilten, exzellenten Bühnenbild (Alexander Martynow) lässt Regisseur Harald Weiler seine zehn Akteure in schnellen Wechseln auftreten, die Szenen sind kurz, die Dialoge knackig. Man merkt dem Stück an, dass es von einem Dramaturgen geschrieben wurde, denn es hat zwar viele gelungene Sentenzen und Wortspielereien, aber keine überflüssigen, wortverliebten Passagen.

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Es gab viel Beifall für das Ensemble. Allen voran für Karsten Klemm, der vom selbstbewussten, irgendwie sympathischen Fälscher Knobel zum Hitler-Besessenen wird. Dann für Luc Feit, den durchtriebenen, undurchsichtigen, schmierigen Reporter Willié, der überzeugt ist, dann zweifelt und sich letztendlich Lügen schönredet, bis er sie glaubt.

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