Mannheim. Die Alte Feuerwache platzt an diesem Abend aus allen Nähten. Es spricht vieles dafür, dass das genau so gewollt ist – denn die Tage, in denen die Sportfreunde Stiller Locations jenseits der 1000 Zuschauer im Handumdrehen füllen können, liegen längst Jahre zurück. Doch so wählt Veranstalter Timo Kumpf für das Mannheim-Konzert des Trios aus Germering just jenen Ort, der für seine atmosphärischen Qualitäten bekannt ist – und im Verlauf dieser guten zwei Stunden so ganz bewusst zu einem Hexenkessel der anderen Art avanciert.
Fußball und Musik vereint
- Die Sportfreunde Stiller sind eine 1995 gegründete Indie Pop-Band aus Germering bei München, sie besteht aus Sänger Peter Brugger, Bassist Rüdiger Linhof und Schlagzeuger Florian Weber.
- Bekanntheit erlangte die Band mit dem Charthit „’54, ’74, ’90, 2006“, der der deutschen Fußballnationalmannschaft gewidmet war. Das Trio verbindet vieles mit dem Thema Sport, speziell mit dem Fußball, dem die Formation 2006 das ganze Album „You Have To Win Zweikampf“ widmete.
- Unter Pseudonymen wie The Dinozoffs, The Kaltz Mannis oder The a Roth’s gaben die Sportfreunde immer wieder Geheimkonzerte, um die Wirkung neuer Musik zu testen.
- Auf der „Tour des Monats“ machten die Sportfreunde nun in der ausverkauften Alten Feuerwache in Mannheim Station.
- Nach Tourorten wie Bremen, Wien, Rostock und Dortmund sind sie am 11. November im Zoom Club Frankfurt am Main noch einmal in der Region zu erleben.
Die Sportfreunde Stiller machen es sich in Mannheim keineswegs einfach und feiern einfach eine Party Pop-Sause auf ihre größten Hits. Vermutlich wäre genau das die einfachste Strategie – und doch sehr viel weniger als die „Tour des Monats“, die sich die Sportfreunde zu liefern auf den Zettel geschrieben haben. Und so treten sie auf die Bühne der Alten Feuerwache, als gäbe es kein Morgen mehr.
Hymnisches voller Energie
Schon die „Hymne auf Dich“ zum Auftakt schmettert Sänger Peter Brugger mit seiner pinken Kunststoff-Kappe, als ginge es hier um alles – das imponiert. Dass die Protagonisten des Abends kein Gramm des eigenen Erfolgs für selbstverständlich nehmen. Wie energetisch jeder einzelne Akkord gespielt wird. Und wie sehr Fans und Musiker gleichermaßen in dieser Stimmung aufgehen. Selbstverständlich ist das Programm dabei auch geprägt von Erfolgen wie „New York, Rio, Rosenheim“, „I’m Alright!“ oder „Applaus, Applaus“ – und dennoch sind diese chorisch mitgesungenen Selbstläufer in Mannheim keineswegs Bedingung, sondern vielmehr Akzent eines auch ansonsten außergewöhnlichen Konzerterlebnisses.
Die Gründe dafür sind mannigfaltig – und lohnen der näheren Betrachtung. Denn zum einen ist es allein die Dramaturgie dieser knapp 130 Minuten, die imponiert. Nur um ein weiteres Beispielen zu nennen: Mit der zurückhaltenden, fordernden Nummer „Wie lange sollen wir noch warten?“ eine Frage zu stellen, die nur Wimpernschläge später mit dem entschlossenen „Ich scheiß’ auf schlechte Zeiten“ gleich selbst beantwortet wird, vermittelt Tatkraft und Euphorie gleichermaßen. Ein Zeichen gegen die Hoffnungslosigkeit und für eine Perspektive, die Lust am Leben vermittelt. Und an der Vielfalt.
Womit man dann direkt bereits bei der anderen prägenden Komponente dieses Konzertes angekommen wäre: der schieren Genre-Vielfalt. Wer die Sportfreunde Stiller jedenfalls noch heute vor allem als radiopop-taugliches Kollektiv aus tendenziell doch eher mainstreamorientierten Musikern verortet hat, wird spätestens in der Feuerwache eines Besseren belehrt.
Das wuchtige „Alles Roger!“ gestalten die Jungs – einem epischen Gitarren-Solo inklusive – zu einem astreinen Rock-Hit, die „1. Wahl“ bündelt die Kräfte von ungezügeltem Electro-Pop mit Singer-Songwriter-Episoden und das „Kompliment“ vollendet den Reigen stilistischer Spielarten schließlich mit balladesker Fragilität. Die Überraschung bleibt dabei, dass im Programm deshalb keineswegs irgendwelche stilistischen Brüche spürbar, geschweige denn Leistungsabfälle wahrnehmbar wären. Vielmehr dominiert hier eine Varianz, die ansteckt, das Publikum bestens bei Laune hält und die Konklusion hinterlässt: Stiller geht’s (n)immer. Mit anderen Worten – wer zwischen Ruhe und Lautstärke so viel Gefühl, Lebensfreude und Inhalt transportiert, liefert seinen Gästen einen Abend, der am Ende sehr viel mehr ist, als nur ein Konzert.
Verloren in den Quadraten
Zumal auch menschliche Werte keineswegs zu kurz kommen. Zwar hält sich die Band bei ihren 22 Songs kaum je mit Ansagen auf, aber wenn sie dann doch einmal zum Tragen kommen, verfangen sie auch. So wie die Anekdote von Schlagzeuger Florian Weber. Über seine Ankunft referiert der Musiker schalkhaft – der Spaziergang am Wasserturm habe ihm ja hervorragend gefallen, nur ab dem Zutritt zu den Quadraten hätte ihn dann die Orientierung endgültig verlassen – und das „7 Tage, 7 Nächte“ lang. Humor, auf den sich das Mannheimer Publikum gerne einlässt. Wer dann noch feststellt, dass die Verbundenheit zum Sport und Fußballern wie Benjamin Lauth („Lauth anhören!“) oder Roque Santa-Cruz („Ich, Roque“) zum Tragen kommen, muss schon wirklich suchen, um Mängel an einem Abend auszumachen, der für treue Anhänger der Band, aber auch Neulinge vor allem eines ist: ein „Geschenk“.
Die Minuten verfliegen „Fast wie von selbst“, so dass der angenehme Eindruck eines Erlebnisses verbleibt, dass gerne noch hätte weitergehen dürfen, was doch sein Ende finden muss. Viel eindrücklicher können Konzerte nicht sein.
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