Konzertkritik

So klingt Konstantin Wecker beim Mannheimer Seebühnenzauber nach Abschied

Zum Abschluss der Konzertreihe, deren Zukunft im Luisenpark offen ist, fordert die Münchner Liedermache-Ikone seine fast 1000 Fans mit einem nachdenklichen Programm

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Konstantin Wecker und Fany Kammerlan- der auf der Seebühne. © Thomas Tröster

Mannheim. Es ist ein sehr schöner, aber zwiespältiger Abend, mit dem der Seebühnenzauber am Samstag zu Ende geht. Denn es könnte nicht nur das letzte Konzert der Saison 2022 gewesen sein: Während der Mannheimer Bundesgartenschau 2023 setzt die 2006 begründete Konzertreihe aus. „Wir wissen nicht, wie und ob es danach unter neuer Leitung des Luisenparks weitergeht“, erklärt Peter Baltruschat vom Veranstalter Kulturnetz Rhein-Neckar im Gespräch.

Er klingt leicht wehmütig. Dazu könnte auch das Abschlusskonzert von Konstantin Wecker beigetragen haben. Für sein drittes Gastspiel im Luisenpark („Ein sehr schöner Ort“) hat die Münchner Liedermacher-Ikone einen sehr persönlichen, nachdenklichen Ansatz gewählt in Trio-Besetzung mit Pianist Jo Barnikel und Cellistin Fany Kammerlander. Das ist trotz enormer musikalischer Qualität für das treue Wecker-Publikum in Mannheim (die Seebühne ist wie immer bei seinen Auftritten mit fast 1000 Fans ausverkauft) kein bequemer Abend.

Für kämpferische Momente mit Plädoyers für Pazifismus, Gerechtigkeit oder einfach gesunden Menschenverstand gibt es zwar immer wieder Szenenapplaus - etwa bei den flammend vorgetragenen „Den Parolen keine Chance“ oder „Schäm dich, Europa“. Zum Schluss folgt auch der wie gewohnt tosende Schlussbeifall im Stehen. Aber der Altmeister verzichtet fast komplett auf die großen Mitreißer seines umfangreichen Repertoires, rezitierte Gedichte und Gedanken nehmen viel Raum ein.

Da klingt viel nach Lebensbilanz und fühlt sich, wie vieles an diesem Abend, nach Abschied an. Wenn man nicht wüsste, wie sehr der 75-Jährige an der Bühne und seinem Publikum hängt, könnte man auf die Idee kommen: Das war’s. Der Eindruck entsteht auch, weil der unverwüstliche Klavierstier schmaler wirkt, sich behutsamer bewegt und nur selten selbst in die Tasten greift. Um nicht missverstanden zu werden: Wecker wirkt fit und singt tadellos, wenn auch weniger als früher und mit ein wenig gereifter Patina.

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Einerseits freut man sich intellektuell über das fordernde, außergewöhnlich poetische und kluge Programm. Andererseits wirkt das Memento mori der jüngeren Wecker-Lieder in der Konstellation etwas bedrückend - vor allem, wenn man noch vor Augen hat, wie er zuletzt 2016 an gleicher Stelle zur mitreißenden, auch jetzt mit Jauchzen begrüßten Zugabe „Questa nuova realtà“ durch die Sitzreihen tobte. Dass das Bad in der Menge sieben Jahre später genau so herzlich, aber gemächlicher ausfällt, das ist - natürlich - der Lauf der Welt. Genau das macht der Liedermacher seinem Publikum mit heiterer, ja weiser Gelassenheit zweieinhalb Stunden lang immer wieder klar. Am deutlichsten in „An die Musen“ vom aktuellen „Utopia“-Album: „Da ist etwas in mir, das möchte tanzen, auch wenn die Beine nicht mehr ganz so standhaft sind. Das will die Welt umarmen, sich nicht mehr verschanzen, will Woge sein und Sturm und Sommerwind. Das will - ich geb es zu, es ist vermessen - dem Alter trotzen, das sich ungefragt in meinem Körper breit macht und ich will vergessen, dass dieser Zahn nun auch an meiner Zeit nagt.“ Wie gesagt: Schön, aber etwas schmerzlich.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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