Ausstellung

So aktuell ist die Plakatkunst von Klaus Staeck

Die Staatsgalerie Stuttgart präsentiert das Schaffen des Heidelberger Graphikers Klaus Staeck. Viele der gezeigten Werke interpretieren Klassiker der Kunstgeschichte neu

Von 
Hans-Dieter Fronz
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Klaus Staecks apokalyptische Reiter (nach Albrecht Dürer, 2014). © VG Bild-Kunst, Bonn 2024

Stuttgart. „Die Kunst ist frei“, steht auf dem Plakat. Doch sie sieht zugleich ziemlich mitgenommen, zumindest angeknabbert aus. Oder löchrig, wenn man so will, wie ein Emmentaler Käse. Das Plakat von Klaus Staeck stammt aus dem Jahr 1987 und macht aus dem eingangs zitierten Satz einen geradezu dingliche Wirklichkeit erlangenden dreidimensionalen Schriftzug. Wobei das Wort „Kunst“ in Farbe und Oberflächenbeschaffenheit gewollt so wirkt, als wären die Buchstaben aus einem großen Stück Käse herausgeschnitten worden.

Dieser vielleicht schon schlecht und ungenießbar gewordene Käse befindet sich zu allem Überfluss unter einer gläsernen Käseglocke. Die Kunst ist also alles andere als frei. Nämlich irgendwie um- und eingeschlossen, luftdicht weggepackt. Das Beispiel zeigt den Einfallsreichtum, die gedankliche Virtuosität und kompositorische Meisterschaft des Plakatkünstlers und Rechtsanwalts aus Heidelberg (der in einem Interview mit der dortigen Uni einmal leicht amüsiert monierte, dass er bei öffentlichen Anlässen fast immer zuerst mit seiner vermeintlich seriöseren Profession - dem Anwaltsberuf - vorgestellt werde).

Schau will seine Kunst auf Aktualität hin abklopfen

Die Kunst unter einer Käseglocke: ein frappierendes Bild ihrer Unfreiheit, aber auch gesellschaftlichen Wirkungslosigkeit. In welchem Maße unfrei sie in Wahrheit war oder ist, hatte sich für Staeck bereits 1976 gezeigt - und dabei doch auch ihre Wirkkräftigkeit, ihre Emotionen schürende Kraft. Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU-Fraktion unter Führung des späteren Präsidenten des Deutschen Bundestags, Philipp Jenninger, hatten in einer Staeck-Ausstellung in der Parlamentarischen Gesellschaft in Bonn erbost Plakate von den Wänden gerissen und zerstört.

Als „Bonner Bildersturm“ ist die unrühmliche Aktion in die Annalen des Bundestags eingegangen. Staeck reagierte. „Auf Eigentum kommt es hier nicht“, verlaut-bart er in einem sarkastischen Kommentar zu der Aktion auf einem kurz darauf entstandenen Plakat, das zerfetzte Plakatreste am Boden des Ausstellungsraums zeigt.

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Dieses Plakat ist jetzt in der Ausstellung „Vorsicht Kunst“ der Staatsgalerie Stuttgart zu sehen. Schon 1987 hatte die Staatsgalerie politische Plakate von Staeck präsentiert. Die gegenwärtige Schau möchte seine Plakatkunst auf ihre Aktualität hin abklopfen. Ein Schwerpunkt sind dabei Werke, die sich bereits in den Motiven auf die Kunst und die Kunstgeschichte beziehen.

So verweist „Der arme Poet“ schon im Titel auf Spitzwegs Gemälde. Staeck gibt dem Bild als Kommentar die erbärmliche Verlegerweisheit „Nur die Armut gebiert Großes“ und als Korrektiv dazu das Ansuchen bei: „Autoren fordern Tarifverträge“.

„Das große Rasenstück“ von 1987 zitiert, ebenfalls bereits im Titel, Dürers gleichnamiges Aquarell und fügt der Naturszenerie eine umgeschüttete Dose mit einem Unkrautvernichtungsmittel hinzu. Tischbeins 1787 gemalten „Goethe in der römischen Campagna“ wiederum versetzt Staeck in die Geburtsstadt des Dichters, nach Frankfurt am Main. Das rechte Bein des bei Tischbein auf Steinen antiker Ruinen gelagerten Olympiers lässt Staeck dabei dicht über dem Main schweben. In Anspielung auf den Umstand, dass der Fluss zur Entstehungszeit der Fotomontage, 1974, durch Schadstoffeintrag längst in eine Giftbrühe umgekippt war, ist der Fuß des Klassikers bereits skelettiert. Dabei passt es, dass das Gedenkjahr 225 Jahre Goethe mit einem anderen Jubiläum zusammenfiel: 111 Jahre Hoechst. In jenen Tagen war das in derselben Stadt ansässige Chemie- und Pharmaunternehmen als einer der größten Umweltsünder der Republik bekannt.

Umweltzerstörung macht Staeck schon früh zum Thema seiner Kunst

Bemerkenswert früh also machte Staeck als Künstler Natur- und Umweltzerstörung zum Gegenstand seiner Kunst. Weitere Themen waren und sind Krieg, Folter, Ausbeutung oder Migration. Zu den zerstörerischen Kräften einer entfesselten Wirtschaft ohne Umweltbewusstsein sind in der Gegenwart aber noch weitere hinzugekommen. „look down“ montiert 2020 in einen Ausschnitt aus Hieronymus Boschs Gemälde „Christus in der Vorhölle“ ein stark vergrößertes grünes Etwas hinein: ein Coronavirus. Und die vier „Apokalyptischen Reiter“ des Jahres 2014 heißen Amazon, Apple, Google und Facebook.

Natürlich sind viele Plakate Klaus Staecks zeitgebunden. Doch ist seine Wandlungsfähigkeit und Offenheit für die jeweils brennenden Themen einer Zeit beachtlich. Als „Störer der bequemen Verhältnisse“, für den Satire ein „Werkzeug der Demokratie“ ist, wie er einmal schrieb, ist er nach wie vor unverzichtbar. Nicht zuletzt dadurch, dass er sich für die Demokratisierung und allgemeine Zugänglichkeit der Kunst einsetzt, die heute oft genug - als eine andere Form von Blue Chips - in den Safes und Depots der Reichen und Superreichen verschwindet.

Der Heidelberger Graphiker Klaus Staeck

  • Klaus Staeck ist 1938 im ostdeutschen Pulsnitz geboren und wuchs in Bitterfelde auf. 1956 siedelte er nach Heidelberg um, wo er bis heute lebt und arbeitet sowie eine Galerie betreibt.
  • Staeck studierte Jura und schloss das Studium 1968 mit dem Zweiten Staatsexamen ab. Gleichzeitig war er bereits künstlerisch tätig und schuf abstrakte Holzschnitte.
  • 1965 gründete er einen Produzentenverlag, der später auch Auflagenobjekte von international bekannten Künstlern wie Josef Beuys oder Dieter Roth herausgab.
  • Seit den 1970er Jahren ist er als politischer Plakatkünstler tätig. Sein berühmtestes Plakat entstand zur Bundestagswahl 1972 („Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“). Bis heute hat Staeck rund 320 Plakate geschaffen.
  • Die Ausstellung in der Staatsgalerie Stuttgart ist noch bis 29. September zu sehen.

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