Mannheim. Berlin/Mannheim. Der größte Moment einer an Größe nicht armen Pressekonferenz mit Hans Zimmer kommt vor wenigen Wochen in Berlin ganz am Ende. Denn dann, als Zimmers Manager eigentlich schon darauf drängt, dass der 64-Jährige zu den Proben zurückkehrt, bleibt er noch einmal bedeutungsvoll stehen, hält die Hand von Alexander Lysiuk - und weiß, dass er vermutlich gerade nicht nur sein Leben durch die Schönheit der Musik rettet.
Doch von Beginn an. Denn der Termin mit dem großen Filmmusikkomponisten ist vom ersten Augenblick an erfrischend anders. Statt der ganz großen Bühne, wählt der Veranstalter Semmel Concerts die intime Szenerie einer Rooftop-Bar - statt verbaler Eigenwerbung überrascht Zimmer mit Selbstehrlichkeit und absoluter Klarheit in der Sache. So offenbart der gebürtige Frankfurter, dass er Deutschland im Alter von zwölf Jahren keineswegs verlassen wollte: „Dieses Land hat mich verlassen.“ Von acht Schulen verwiesen, habe er deutlich zu spüren bekommen, dass die Flucht seiner Mutter vor den Nationalsozialisten 1939 auch etwas an seiner Einstellung zu dieser Nation verändert habe.
Hans Zimmer und die Rolle seiner Auszeichnungen
Der Weg ins Ausland habe ihn gut auf seine Aufgaben in Hollywood vorbereitet: „Wir alle wissen, dass das nicht Show-Friends, sondern Show-Business heißt.“ Auszeichnungen seien ihm in der Folge nie egal gewesen, hätten seine Arbeit aber auch nicht zentral beeinflusst. Daran scheinen auch Zimmers jüngste Trophäen nicht wirklich Entscheidendes geändert zu haben. Der 64-jährige verbarg seine Freude keineswegs, nach dem Golden Globe für seine Filmmusik zum Science Fiction-Abenteuer „Dune“ nun zum zweiten Mal auch den Oscar erhalten zu haben - allein: Die Art und Weise, auf die er seinen ganz persönlichen Sieg feierte, sprach Bände. Statt einer epischen Dankesrede gab es lediglich eine kurze Videoschalte, die den Komponisten im weißen Bademantel an einer Amsterdamer Hotelbar zeigt - sich selbst genügend und ganz mit sich im Reinen.
Manch einer mag ein solches Procedere angesichts Zimmers zweiter Oscar-Auszeichnung nach dem Sieg mit der Musik zu „König der Löwen“ 1995 und zwölf weiteren Nominierungen für unwürdig halten. Doch so rühmt sich ein Visionär seiner Branche, der nie großes Aufhebens um sich selbst machte und sein Wirken vielmehr als Dienen für den Mehrwert der Kunst betrachtet.
Verbindende Kraft der Musik
Insoweit lösen sich in Berlin auch die Worte ein, die er unlängst vor der Verleihung gefunden hatte. Denn bei aller Anerkennung, so Zimmer, sei es für ihn stets zentral geblieben, die menschliche Komponente nicht aus den Augen zu verlieren. Und genau da kommt der musikalische Leiter, Alexander Lysiuk, wieder ins Spiel. Denn Zimmer entschied sich als begleitenden Klangkörper nicht für das Odessa National Opera Orchestra, als Russland in die Ukraine einmarschierte, sondern bereits Monate zuvor. Dass er nun seinen Einfluss dafür geltend macht, so viele Musiker wie möglich auf seine Bühne zu holen, sei eine Selbstverständlichkeit, wenn man die Sprache der Musik als verbindende Kraft ernst nähme.
„Kunst kann eine bessere Welt provozieren, sie muss es!“. Als Lysiuk diese Worte vernimmt, muss er sichtbar mit den Tränen kämpfen. Denn von zahllosen weiteren Orchestermusikern hatten es bis kurz vor Tourneestart lediglich 15 Mitglieder des Ensembles mit ihren Familien in den Westen geschafft. Mit dem Rest stünde man so gut wie möglich in Kontakt, habe aber keinerlei Gewissheiten.
Insofern bleibt Zimmer konsequent, wenn er Bedrückung und Ängste emotional umkehren will: „Du weißt nie genau, was passieren wird, aber eines ist klar: Ich will, dass dieses Gemetzel aufhört. Und wir werden laut spielen - so laut, dass alle Grenzen fallen.“ Auf die Frage, ob Zimmer gerade in solchen Zeiten bewusst sei, welche Verantwortung mit seinem Erfolg einherginge, antwortet er doppeldeutig humorvoll: „Ich denke mir immer wieder: Jetzt fange ich doch eigentlich erst an. Und ich warte heute noch auf den Tag, an dem ich ein Stück schreibe und der Meinung bin: Das war jetzt gar nicht schlecht.“
Wie demütig er seine größten Erfolge für Frieden und Verständigung vor Publikum präsentieren wird, darf Hans Zimmer am 23. April auch in der Mannheimer SAP Arena unter Beweis stellen, wenn ein ausverkauftes Haus erwartungsvoll auf ein Lebenswerk blicken wird, das schon heute von prägendem Charakter ist.
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