Mannheim. Früher, in akademischer Urzeit, also kurz nachdem die letzten Dinosaurier ausgestorben waren und es noch professoral muffte unter den Talaren, hatte jede ordentliche Universität neben einem Chor und einem Orchester auch Theatergruppen, Plural, jawohl. Es gab - den Weltliteraturen geschuldet - nämlich zumindest eine germanistische, romanistische und anglistische, manchmal sogar noch eine slawistische Studierendentheatergruppe.
Doch in den 1990ern, man darf das als einst involvierter Studentensprecher einfach mal so setzen, infiltrierte die Betriebswirtschaftslehre in Form von so kuriosen Studiengängen wie Diplom-Anglistik oder Kultur-BWL die Geisteswissenschaft. Wo Lyrik und Theater eine Rolle spielten, machte die Notwendigkeit von Business-Englisch, Landeskunde und Quasi-Dolmetscherei dem Kunstsinn, der akademischen Freiheit und dem Studium Generale schwer zu schaffen. Es ist nicht der einzige, aber einer der Gründe, warum über drei Jahrzehnte auch die allhier - einst durch Thomas Butz munter aufspielende - „Compagnia palatina“ unter die Fakultäts-, Senats- und Zeitgeisträder kam.
Gelungener Neustart
Jetzt, Christine Heinzel sei Dank, gibt es wieder, wenn auch nicht gerade unter schönem Namen, ein „Universitätstheater Mannheim“. Das heißt, eigentlich gibt es dies schon seit 2019, aber mitten in die ersten Proben fiel die Pandemie ein und die Proben und Premieren aus. Ganze drei Jahre später, das Theater im Westflügel des Ehrenhofes neben der Schlosskirche gibt es nicht mehr, fand die neue elfköpfige Schauspieltruppe einen Ort für Probe und Spiel: das Theaterhaus in G7, wo sich Inka Neubert und Pascal Wieandt über die Gäste freuen.
Passender kann man die schmerzliche städtische Theaterlücke nicht schließen als mit Humor- und Traurigkeitsspezialist Joachim Meyerhoff und seinem von Gil Mehmert zur Komödie gewandelten Buch „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“. Das Goethesche „Werther“-Zitat beschreibt Last und Leiden des jungen Meyerhoff (und heutigen Bestseller-Autors und Burg-Schauspielers) während seiner Ausbildung an der Münchner Otto Falckenberg Schule. Sein Unterkommen bei den kurios-launigen wie trinkfesten Großeltern gibt dem Stück ums Theater im Theater weitere subversiv-heitere Würze, die alle Beteiligten zu nutzen wissen.
Joachims Gedanken verteilt Regisseurin Heinzel klug auf drei Erzählende (Klara Vorwerk, Annette Beyer, Luca Engelhardt) während Gian Wiget ihm in Idealbesetzung Körper und Stimme leiht. Auf der schlichten, aber geschmackvollen Bühne von Svenja Lupp, die auch die Direktorin spielt, gehen Benedikt Nößer, Ivka Lovric, Charlotte Smid und Sven Büning erste sympathische Bühnenschritte. Marcel Pierri (Mitschüler) und Lucia Frackenpohl Fuentes (Großmutter) führen diese sogar gleich ohne Umwege und sehr erfolgreich zur Rampe. Manchmal gebiert eben auch Laientheater kleine Wunder. Und ja, freilich gibt es in Sachen Gestaltungstiefe noch Einiges zu tun. Als Auftakt ist diese herzlich gefeierte Premiere, aber auch ohne Ehrenhof aller Ehren wert.
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