Punk

Nach 40 Jahren: Punkband Stiebel Eldron bringt Album heraus

Punkpioniere aus Ludwigshafen: Nach 40 Jahren ist die Musik der Band Stiebel Eldron auf einer Doppel-LP erschienen. Ein Gespräch mit Ex-Mitgliedern und dem Kurator des Projektes über die Punk-Ära

Von 
Georg Spindler
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Tschogy Wolf (v.l.), Christian Schulte-Hobein und Helmut van der Buchholz bei Proben im Juni 1982. © Tschogy Wolf

Ludwigshafen. Sie waren eine der ersten Punkbands in der Rhein-Neckar-Region: Stiebel Eldron gründeten sich 1980 als Schülerband in Ludwigshafen. Jetzt ist ihre Musik, die ursprünglich nur auf Kassetten herauskam, auf einer liebevoll gestalteten Doppel-LP wiederveröffentlicht worden. Wie es war, damals ein Punk zu sein, berichten die beiden Ex-Mitglieder Helmut van der Buchholz und Tschogy Wolf sowie Milan Fuchs, der die Wiederveröffentlichung konzipiert hat, im Interview.

Wie wurden Sie 1980 zu Punks? Die Musik lief damals so gut wie nicht im Radio. Gab es ein auslösendes Ereignis?

Helmut van der Buchholz: Ja, das Konzert mit ZK, Fehlfarben und Hans-A-Plast im Mannheimer Capitol, irgendwann Anfang 1980.

Tschogy Wolf: Ich war nicht auf dem Konzert, weil ich erst 16 war und nicht hin durfte. Aber Punk war ja damals überall in den Medien. Ich habe mir ein paar Sachen angehört und gemerkt: Das ist genau mein Ding. Was gibt es denn Besseres für einen Jugendlichen mit 15, 16, als laute, aggressive Musik und Rabatz zu machen?

Welche Musik haben Sie vorher gehört?

Van der Buchholz: Patti Smith, Can und Alex Harvey waren schon was in der Richtung, ansonsten Led Zeppelin und gemischte Rockmusik.

Wolf: Progressive Rockmusik, Frank Zappa, King Crimson. Ich hatte einen älteren Cousin und schon mit zwölf, 13 Platten von Jimi Hendrix. Und Can waren wichtig – und sind es immer noch.

Band Stiebel Eldron

  • Die Band Stiebel Eldron zählt zu den ersten Punkgruppen der Rhein-Neckar-Region. Sie wurde 1980 von Joachim „Tschogy“ Wolf (Synthesizer) und Ralf Laubscher (Schlagzeug, Gitarre) gegründet. Komplettiert wurde die Besetzung durch Christian Schulte-Hobein und Helmut van der Buchholz (Gesang), Charles Lemming alias Thorsten Görner (Gitarre, Schlagzeug) und Hansi Schwind (Bass). Gastmusiker war Martin Buchholz (Saxofon).
  • Am 5. Februar 1983 nahm die Band die Kassette „Lebendige dagegen“ im Tonstudio des heutigen Kulturzentrums dasHaus in Ludwigshafen auf. Die Studioaufnahmen sind auf der ersten LP der Wiederveröffentlichung enthalten. Die zweite LP präsentiert den Mitschnitt eines Konzerts im Jazzkeller von dasHaus. Ende 1983 löste sich die Band auf.
  • Eine Performance zur Plattenveröffentlichung gibt es am Freitag, 8. Dezember, 20 Uhr, beim Festival „Niveau unter Null“ im dasHaus in Ludwigshafen. Dort ist das Album während des Festivals vom 7. bis 9. Februar erhältlich, außerdem auch im Mannheimer Plattenladen „Come Back“ in S 1,17. 

 

Was war die erste Punkband, die Sie gehört haben?

Wolf: Pere Ubu. Und die andere Punkband, die eigentlich auch kein Punk war, die frühen Cabaret Voltaire, als sie noch eine Orgel hatten. Für mich war das alles Punk. Zum 16. Geburtstag bekam ich dann die erste LP der Dead Kennedys geschenkt. Wichtig war auch der Auftritt der Ramones im „Musikladen“ 1978. Und die erste Platte von Abwärts, „Amok Koma“ von 1981.

Was hat Sie an Punk fasziniert?

Van der Buchholz: Die Energie, die das alles hatte. Und das Do-it-yourself-Prinzip.

Wolf: Es war schnelle, harte, schräge Musik, das hat mir gefallen. Man konnte sich austoben, es gab keine Richtlinien, wie etwas zu klingen oder wie man auszusehen hatte.

Wie groß war 1980 die Punkszene in der Region?

Van der Buchholz: Zu den „kleinen“ Konzerten kamen schon mal 200 bis 300 Leute. Aber waren das wirklich auch alles Punks?

Wolf: Wenn man jung ist, kommt einem das riesig vor. Es gab ja überall Bands: Dosenbier aus Dossenheim, Ärger aus Heidelberg, die Sucks und Neue Heimat aus Mannheim, die Trümmerfrauen aus Ludwigshafen.

Wie entstand der Bandname Stiebel Eldron mit d?

Wolf: In einem Magazin war ein Motorrad abgebildet, auf dessen Rennverkleidung Stiebel Eltron stand. Wir fanden das so obskur, dass auf einem Rennmotorrad Werbung für einen Durchlauferhitzer gemacht wurde. Das mit dem d haben wir gemacht, weil wir fest davon überzeugt waren, dass wir berühmt werden. Da wollten wir keinen Ärger kriegen.

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Ich finde ja, der Synthesizer, die schrägen Sounds, machen das Spezielle bei Stiebel Eldron aus. Wie sehen Sie das?

Milan Fuchs: Ging mir genauso. Als ich die Aufnahmen zum ersten Mal hörte, war ich auch davon fasziniert.

Wolf: Allen Ravenstine, der Keyboarder von Pere Ubu, hat mich beeinflusst. Ich kaufte mir einen Korg MS 20, der war bezahlbar. Davor hatte ich Orgelunterricht, im Stil von Franz Lambert. Meine Eltern hatten mir das angeboten. Später fanden sie das nicht mehr so gut (lacht).

1980 standen die Zeichen auf Aufbruch mit Hausbesetzungen und Alternativ-Bewegungen – drei Jahre später war Helmut Kohl Kanzler, Reagan US-Präsident und Thatcher war ja schon seit 1979 britische Ministerpräsidentin. Es wurde düster: Wettrüsten, saurer Regen, AIDS, Tschernobyl. Ihre Songs wie „Toller Krieg“ oder „Der oberste Sowjet“ sind ja nicht ohne Grund entstanden. Wie sehr waren Sie von der Zeit beeinflusst?

Van der Buchholz: Das hat man schon mitgekriegt und sich (ein wenig) engagiert. Aber man wollte sich ja auch von dem Betroffenheitsquatsch der Müsli-Fraktion absetzen. Und die DKP haben alle Punks gehasst.

Wolf: Es gab schon diese „No Future“-Stimmung. Man kann das mit den 1920er Jahren vergleichen, wo die Leute noch mal Party gemacht haben, bevor alles in den Arsch geht.

Wie stark hat Sie die Stadt Ludwigshafen geprägt? Songs wie „Bürgerhof“ oder „Neonstadt“ sprechen ja Bände…

Van der Buchholz: Ganz am Anfang war die Stadt noch reich, aber das hat ja zu dem Image als Betonstadt geführt…

Wolf: Als der Bürgerhof gebaut wurde, war halt alles Beton pur.

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Herr Fuchs was hat Sie daran gereizt, diese Wiederveröffentlichung der Musik, die es ja nur auf Kassetten gab, als Doppel-LP zu konzipieren?

Fuchs: Ich bin ja ein paar Jahre jünger und habe die Band erst sehr viel später kennengelernt. Als Tschogy mir mal die alten Aufnahmen vorgespielt hat, haben mich sofort der Synthesizer und das Saxofon begeistert. Das hat sich total von anderen Bands abgehoben. Ich fand es jetzt wert, zum 40-jährigen Jubiläum das Ganze noch mal zu veröffentlichen.

Welche Bedeutung hat für Sie die visuelle Komponente dieser Wiederveröffentlichung, die ja mit drei reich bebilderten Booklets aufwendig gestaltet ist?

Fuchs: Ich hatte die Idee mit dem Klappcover: Dass, wenn man es aufklappt, das Original-Cover der damaligen Kassette vollständig dargestellt ist. Der Comic, in dem die Band Stiebel Eldron nach Moskau unterwegs ist, und das Heft „Oberster Sowjet“ entstanden auch zu der Zeit, die ich damit umfangreicher abbilden wollte. Ich finde es interessant, wenn man die Platten anhört und sich diese Hefte anschaut, in die Zeit von damals eintauchen zu können.

Wie nachhaltig hat Punk Sie geprägt? Was bedeutet er für Sie?

Van der Buchholz: Als Methode ist Punk noch immer da. Also alles in Frage zu stellen und der Anti-Perfektionismus, das hab’ ich noch immer.

Wolf: Punk hat mich total geprägt. Ich bin seit 35 Jahren Vegetarier, wegen der Band Crass, Ich wähle Die Partei, weil die viel mit Dada, Situationismus und Anarchismus zu tun hat. Natürlich muss ich arbeiten, um Geld zu verdienen. Aber man braucht ja kein Spießer zu werden.

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