Konzertkritik

Kreiskys Austro-Punk begeistert auf der Mannheimer Sommerbühne

Die Band aus Österreich klingt vor der Alten Feuerwache, als hätte man The Clash und Foyer des Arts gemeinsam mit der Spider Murphy Gang eingelegt und mit Goldenen Zitronen beträufelt

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Am Ende ist es Punk: Kreisky-Sänger Franz Adrian Wenzl Kreisky. © Thomas Tröster

Mannheim. Jetzt bloß nicht nicht überreagieren? Maß und Mitte finden? Die Musik der österreichischen Band Kreisky findet eher abseits solcher Räsonnements statt. Auch wenn die vier Herren bei ihrem Auftritt auf der Sommerbühne der Alten Feuerwache in Mannheim schwarze Anzüge und weiße Oberhemden tragen (Sänger Franz Adrian Wenzl hat sich erlaubt, auf das Sakko zu verzichten) und auch, wenn man es Kunst- oder Indie-Rock nennen könnte: Im Wesenskern ist es Punk, was die Wiener spielen - wenngleich Kneipe und Kabarett, Hochkultur und Absturz ins Bodenlose hier nur eine kleine Kreiseldrehung voneinander entfernt tanzen.

Gut gefüllter Platz

Mit „Lonely Planet“ vom jüngsten Album „Atlantis“ geht die Konzertreise auf dem zunehmend gut gefüllt Platz vor der Feuerwache los, die binnen einer guten Stunde quer durch die Karriere der 2005 gegründeten, nach dem österreichischen Altkanzler Bruno Kreisky benannten Band führen wird. Wenzl (aka Austrofred) operiert hier nicht nur hinreißend exaltiert am Mikrofon, sondern auch an den Tasten, Martin Offenhuber spielt die Gitarre, Helmuth Brossmann den Bass und Klaus Mitter das Schlagzeug.

Benannt nach SPÖ-Kanzler

Ein wenig fühlt es sich an, als hätte man The Clash und Foyer des Arts gemeinsam mit der Spider Murphy Gang in Salz eingelegt und mit der Säure der Goldenen Zitronen beträufelt, um alles dann mit Georg-Kreisler- und Falco-Noten abzuschmecken. Rockig und rau brechen das rhythmisch pointierte Stück „ADHS“ und das Kontroll-verlustige „Vandalen“ über einen herein, nimmt einen die repetitive, einlullende Dramatik von „Abfahrt Slalom Super-G“ gefangen und entzückt die gelackte Snobismus-Satire „Mon General“.

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Und das borstige Liebeslied „Asthma“ vibriert so herzhaft, als würde er während der Fahrt auseinanderfallen. Ziemlich klasse sind auch die wie über ein Offbeat-Reibeisen geschmirgelte Song-Warnung „Scheiße, Schauspieler“ oder die elegisch in die Welt geschriene Selbstermächtigung-Dramatik von „Wenn einer sagt“.

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Die Stücke muten ein bisschen wie musiktheatrale Miniaturen an, wozu im Übrigen auch gut passt, dass das Quartett mit Dramatikerin Sibylle Berg für den 2017 in Wien zur Premiere gebrachten Theaterabend „Viel gut Essen“ zusammenarbeitete. Auch für den „Tatort“ waren Kreisky schon als Soundtrack-Komponisten (und obendrein in TV-Persona) im Einsatz - was das irrlichternd flatternde Stück „Kilometerweit Weizen“ aus der im Februar erstausgestrahlten Wiener Folge „Was ist das für eine Welt“ nun auch live bezeugt. Als Zugabe gibt es das wuchtig-poppige „Ein braves Pferd“, das herrlich überreizte „Dow Jones“ und schließlich „Die Menschen sind schlecht“ als aufbauend auf die Schulter klopfender Abschiedsgruß. Es ist zwar etwas früh für Prognosen, aber das dürfte ein ausgewiesener Glanzpunkt des Sommerbühnenprogramms sein.

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