Mannheim. Der Hector-Preis der Mannheimer Kunsthalle besteht seit 25 Jahren. Bei seiner Begrüßungsansprache zeigte sich Kunsthallendirektor Johan Holten beglückt über das Jubiläum einer Institution, mit der plastisch arbeitende Künstler zwischen 35 und 50 Jahren geehrt werden: mit 20 000 Euro, Urkunde, Einzelschau und Katalog. Die strahlende Bildhauerin Anna Uddenberg, die von Uwe Bleich, Vorstandsmitglied der Hector Stiftung, die Urkunde entgegennahm, erhielt noch einen Blumenstrauß dazu.
Zum Jubiläum fügte es sich, dass Kurator Sebastian Baden ausgerechnet an diesem Tag nach sechs Jahren sein Amt in der Kunsthalle zum letzten Mal ausübte - er wechselt zum 1. Juni an die Schirn Kunsthalle nach Frankfurt.
Das Werk von Anna Uddenberg, 1982 in Stockholm geboren und nach einem Studium an der Frankfurter Städelschule in Berlin lebend, ist zwar bereits international in öffentlichen Sammlungen vertreten, aber es ist nicht leicht zu rezipieren. Sebastian Baden ergriff die Gelegenheit, dem Festpublikum in einem Gespräch mit der Künstlerin einige Beispiele nahe zu bringen. Im Original ist derzeit nur eine Arbeit im Obergeschoss zu sehen, die „Cozy Stabilization Unit“ von 2017. Die mit dem Preis verbundene Einzelausstellung findet nächstes Jahr statt.
Das Geheimnis der Bedeutung
Es gibt Künstler, die ihre Arbeit besser interpretieren als jeder Kunsthistoriker. Anna Uddenberg gehört offenbar zur Spezies derer, die weniger reden als Kunst machen, jedenfalls dürfte durch ihre Äußerungen allein das Verständnis für das, was sie hervorbringt, nicht entscheidend gewachsen sein. Das auf Englisch geführte Gespräch, von Baden mit deutschen Einschüben locker moderiert, endete in Uddenbergs Aufforderung an den Betrachter: „trust your own experience“ (Vertrauen Sie Ihrer eigenen (Sinnes-)Erfahrung). Zuvor hatte Baden versucht, ihr das Geheimnis der Bedeutung ihrer Arbeiten zu entlocken, in denen die Künstlerin mit Variationen des meist weiblichen Körpers spielt, mit Gebrauchsgegenständen wie Koffern oder Kinderwagen und Materialien wie Textilien, Holzimitaten und Kunststoffgegenständen.
Dass die Installation „Cozy Stabilization Unit“ im selben Raum platziert ist, in dem sich Max Ernsts Skulpturenpaar „Capricorn“ befindet, ist, wie Baden mit Recht hervorhob, wunderbar passend, denn dem Surrealismus nahestehende Rätsel sind auch Uddenberg zu eigen.
„Cozy“, ein mehrteiliges Ensemble, das unter anderem an eine Luxusyacht, einen Kaffeetisch, ein Lotterbett und einen prothetisch gestützten Restkörper erinnert, wird niemals eindeutig zu interpretieren sein. In der Bildauswahl, die Baden in seiner Präsentation vorführte, hielt er sich taktvoll zurück mit allzu provokanten Werken, in denen Uddenberg offenbar die kommerzielle Nutzung des weiblichen Körpers thematisiert. Die Arbeit „Lady Unique“ von 2015, bei der ein nackter weiblicher Torso sich auf einem Reisekoffer darbietet, war jedenfalls die einzige mit dieser speziellen Thematik. Was Festakt und Künstlergespräch für die Ausstellung 2023 erwarten lassen: Besucher werden eine Menge eigene „experience“, Erfahrung, beitragen müssen.
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