Das Porträt - Hiwa K erhält den Hector-Preis und wird von Juli bis September seine Werke in der Kunsthalle Mannheim zeigen

Existenzielle Selbsterfahrungen werden zu Kunst

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Erzählt von seinem Leben: Hiwa K vor seinen Röhren bei der documenta 14. © dpa

Die Preise häufen sich. Spätestens seit 2016. Da erhielt Hiwa K nicht nur den Arnold-Bode-Preis, sondern auch den Kunstpreis der Schering Stiftung. Der „Tagesspiegel“ aus Berlin nannte ihn schon 2017 „so etwas wie den Künstler dieses Sommers“. Warum? Hiwa K war 2015 Gast auf der Biennale di Venezia, dann auf der documenta 14 (2017) und stellte in den Berliner Kunst-Werken aus. Nun erhält der Mann, der 1975 geboren ist und vor rund 18 Jahren über Griechenland und Italien aus dem irakischen Kurdistan geflohen war, den Hector-Preis, mit dem 20 000 Euro genauso verbunden sind wie eine Einzelausstellung samt Publikation.

Hiwa K ist, wie könnte es anders sein bei einem geflüchteten Kreativen, ein politischer Künstler. Das unterstreicht die siebenköpfige Jury der von der Kunsthalle mit der Hector-Stiftung ausgelobten Auszeichnung. „Das intermediale, skulpturale und oft in Videoinstallationen gezeigte Werk von Hiwa K“, so heißt es, besteche durch „formale, erzählerische und anthropologische Qualität“.

Transformation der Realität

In seiner Heimat soll er zunächst realistisch gemalt haben. Der Irak ist nicht Deutschland. Doch Adam Szymczyk, Leiter der vergangenen documenta, meint, Hiwa K würde heute noch realistisch malen – auch wenn Hiwa K heute überhaupt nicht mehr malt. Für Szymczyk ist er ein Sozialrealist, „dem es nicht um die präzise Darstellung einer potenziellen Wirklichkeit geht, sondern um die Neuerfindung und Transformation der vorgefundenen Realität“. Dabei erzählt Hiwa K offenbar von existenziellen Erfahrungen, vor allem eigenen, bei denen er anderen Menschen oder auch Dingen begegnet ist, die dann wiederum in seiner Kunst zum Mittel einer Ausdrucksform werden. In Kassel bei der documenta waren das etwa 20 Bauröhren, die er zu einer Installation gezwungen hatte. Sie stehen dafür, dass Hiwa K in solchen Röhren auf einem Laster einst aus dem Irak geflüchtet war.

Es ist also eine Art Erinnerungskultur, die sich in seinem Werk kristallisiert. Von vielen gelobt wird immer wieder sein weiter thematischer Horizont. Er beschäftigt sich mit der jüngsten Zeitgeschichte und kriegerischen Konflikten um seine Heimat ebenso wie mit allerlei Verstrickungen von Politik und Kunst oder den postkolonialen Folgen. Hiwa K ist da kein Sonderfall. Fast muss man den auf Fotos meist Lächelnden zu einer Art Künstlermainstream rechnen.

Kunsthallendirektorin Ulrike Lorenz freut sich über die einstimmige Entscheidung: „Das Werk von Hiwa K reiht sich ein in die Sammlung der Kunsthalle Mannheim, die seit ihrer Gründung Anfang des 20. Jahrhunderts um existenzielle Fragen kreist. Darüber hinaus bezieht Hiwa K in seiner Kunst Stellung und mischt sich ein in aktuelle gesellschaftliche Debatten.“ Diese Art der Auseinandersetzung, so Lorenz, suche auch die neue Kunsthalle, „die sich einmischen und in die Gesellschaft hinein wirken will“. Nötig ist das ja, klar.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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