Interview

Mannheimer Time Warp feiert 30. Jubiläum als "globales Phänomen"

Cosmopop-Geschäftsführer Robin Ebinger spricht über das 30. Jubiläum des Mannheimer Techno-Festivals Time Warp, dessen Stellenwert für das "globale Dorf" der elektronischen Musik sowie als Standortfaktor im „Krieg um Talente“ für die Quadratestadt und die begleitende Multimedia-Schau in den Reiss-Engelhorn-Museen

Von 
Martin Vögele
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Die Time Warp strahlt von Mannheim global aus: Hier wird DJane Charlotte de Witte im brasilianischen Sao Paolo genau so gefeiert wie in der Maimarkthalle. © Cosmopop

Mannheim. Bis zu 20 000 Besucherinnen und Besucher aus über 80 Ländern lockt sie alljährlich nach Mannheim: Die Time Warp, das international ausstrahlende Festival für elektronische Musik, feiert in diesem Jahr 30. Jubiläum. Vor diesem Hintergrund findet auch eine Multimedia-Ausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen statt. Über das Festival und die Schau sprachen wir mit Robin Ebinger, Mitgründer und einer der Geschäftsführer der Agentur Cosmopop, die das Techno-Großereignis veranstaltet.

Herr Ebinger, lassen Sie uns einen kleinen „Time Warp“, einen Zeitsprung 30 Jahre zurück machen: Mit welchem Grundgedanken wurde das Festival damals in die Welt gesetzt beziehungsweise wie hat sich die Time Warp im November 1994 angefühlt?

Robin Ebinger: Ich war ja bei der allerersten Auflage als Gast dabei, da war ich noch nicht hinter den Kulissen, sondern auf dem Dancefloor gestanden (lacht). Aber ich weiß natürlich, wie die Time Warp zustande gekommen ist. Und zwar war es die Idee eines meiner beiden Geschäftspartner, Steffen Charles, und seines damaligen Geschäftspartners und Jugendfreunds, Michael Hock. Die beiden wollten eine Party, einen Rave, ein Event veranstalten – mit genau den Künstlern, die für sie wichtig waren. 1994 war es schon so, dass es eine allererste Mini-Kommerzialisierung gab, nachdem Techno Anfang der 90er immer größer und bekannter geworden war. Ihr Interesse war es, eine Party zu veranstalten, die sich auf die Wurzeln besinnt. Sie wollten den „Godfathers“, den Innovatoren, die in der ersten Reihe standen und elektronische Musik gepusht haben, eine Plattform geben. Also Künstlern wie Richie Hawtin, Laurent Garnier, Speedy J, John Acquaviva und mehr. Die Organisation war damals natürlich auch noch sehr hemdsärmelig und bei weitem nicht so komplex und professionell wie heute.

Das Plakat der ersten Time Warp, die 1994 in Ludwigshafen lief. © Cosmopop

Sie sind dann einige Jahre später dazu gestoßen ...

Ebinger: Ich hatte eine eigene Agentur aufgebaut gehabt, 1995, also ein Jahr später, mit einem Kindergartenfreund. Wir waren mit Michael und Steffen zwar im Wettbewerb gestanden, aber immer schon befreundet. 2003 habe ich dann mit Steffen Charles zusammen die Firma Cosmopop gegründet. Er hat unter anderem die Marke Time Warp mit in diese Firma eingebracht. 2008 ist unser Dritter Partner, Frank Eichhorn, dazu gekommen. Cosmopop ist seit 20 Jahren der Ausrichter des Festivals in Mannheim, und mit lokalen Partnern im Ausland.

Cosmopop-Chef Robin Ebinger zählt seit 2003 zu den Veranstaltern der Time Warp - und von Anfang an zu den Besuchern. © Cosmopop

Hätten Sie sich träumen lassen, dass das Festival einmal solche weiten Kreise ziehen und mit einer Jubiläumsausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen (rem) vertreten sein würde?

Ebinger: Ich hätte nicht gedacht, dass es uns um die Welt bringt. Wir sind mit Editionen in New York, São Paulo und dieses Jahr erstmal in Madrid. Außerdem gab es Ausgaben unter anderem in Santiago de Chile, Mailand und Amsterdam. Die Time Warp ist – wie elektronische Musik– ein globales Phänomen geworden. Wir waren schon einmal in den rem, 2007, weil die Time Warp damals ein Bestandteil der 400-Jahr-Feierlichkeiten der Stadt Mannheim war.

Mit Folgen ...

Ebinger: Mit Unterstützung der Stadt Mannheim haben wir ein neues Festival aus der Taufe gehoben, das es heute noch gibt – und zwar das Jetztmusik Festival. Wir haben es damals „Schnittstellenfestival“ genannt, weil wir die Schnittstellen zwischen elektronischer Musik und anderen Kunstformen beleuchten wollten. Zum Stadtjubiläum und die Jahre danach waren wir mit dem Festival in vielen Mannheimer Kulturinstitutionen: Es gab eine Foto-Ausstellung im rem, wir waren mit einer Multimedia-Show im Planetarium, in der Kunsthalle fand ein Konzert statt ebenso wie im Alten Börsensaal. Wir haben Kleinkunst in den Gondolettas im Luisenpark präsentiert und Techno-Künstler auf die Tänzerinnen und Tänzer des Kevin O’Day Balletts treffen lassen, in deren Impromptu Reihe des Nationaltheaters.

Von der Premiere in der Walzmühle zur Ausstellung in den rem

  • Das Techno-Festival Time Warp feierte seine Premiere 1994, damals noch in der Ludwigshafener Walzmühle. Seit dem Jahr 2000 wird es auf dem Mannheimer Maimarktgelände ausgerichtet.
    Dort findet die Jubiläumsausgabe der Time Warp am 5. und 6. April statt.
  • Wochenendtickets sind bereits ausverkauft, zuletzt gab es aber noch Tageskarten. Alle Infos dazu finden sich im Internet unter www.time-warp.de.
  • Vor dem Hintergrund des Jubiläums ist von Mittwoch, 3. April, bis zum Sonntag, 7. April, im Museum Peter & Traudl Engelhornhaus der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (rem) die Multimedia-Ausstellung „30 Years Of Time Warp“ zu sehen. Der Eintritt ist frei. Infos: www.rem-mannheim.de.
  • Robin Ebinger, Jahrgang 1973, absolvierte ein Studium der Diplom-Anglistik an der Universität Mannheim. 2003 gründete er zusammen mit Co-Geschäftsführer Steffen Charles die Agentur Cosmopop, welche die Time Warp veranstaltet. Weiterer Gesellschafter der GmbH ist Frank Eichhorn.

Was wird bei der aktuellen „30 Years Of Time Warp“- Multimedia-Ausstellung im Peter und Traudl Engelhorn Haus zu sehen sein?

Ebinger: Von Mittwoch, den 3., bis Sonntag, den 7, April, täglich von 10 bis 18 Uhr präsentieren wir dort bei freiem Eintritt Fotos und Videos aus 30 Jahren Time Warp Geschichte. Wir eröffnen unsere Archive und zeigen Aufnahmen, die wir teilweise noch nicht ausgestellt haben. Das Ganze ist eine Multimedia-Ausstellung, wir nutzen LED-Displays – 25 Stück –, die als Säulen im Raum stehen. Jedes Display ist einem anderen Motto gewidmet. Eine Stele wird „Porträts“ heißen, hauptsächlich zeigen wir da Porträts von Künstlern, die unter anderem Luigi Toscano 2006 aufgenommen hat – damals noch ein relativ unbekannter Fotograf aus Mannheim. Inzwischen ist er ja bekannt mit dem Projekt „Gegen das Vergessen“.

Wie sehen Sie die Entwicklung der elektronischen Musik und der Szene durch diese Zeit hindurch?

Ebinger: Erstmal ist es in der elektronischen Musik wie im gesamten Leben – es ist alles zyklisch. Der wirtschaftliche Erfolg ist zyklisch, aber auch die Musik und die Mode, in der man sich zeigt. Es kommen viele Sachen wieder, etwas anders aufbereitet, aber die Grundmuster bleiben ähnlich und natürlich die Energie, die in der Musik steckt. Ansonsten war die Szene schon damals sehr vernetzt.

Inwiefern?

Ebinger: Anfang der 90er, als es noch kein Facebook, noch kein Instagram, noch kein YouTube oder gar SoundCloud gab. Man musste sich über Plattenläden, Fashionshops, über Meinungsmacher vernetzen. Seit Mitte der 2000er haben uns vor allem zwei Phänomene, geholfen, als Marke global beachtet zu werden: Das Fliegen wurde günstiger und die sozialen Medien. Das Internet hat aus Techno im Sinne des Medientheoretikers McLuhan ein „globales Dorf“ gemacht: Wir veranstalten eine Time Warp in Mannheim, machen eine Live-Übertragung mit Arte auf YouTube, und es wird in Echtzeit in Brasilien, Mexiko, Chile, wo auch immer angeschaut. Das hilft uns auch, in den Ländern nahbar zu werden und dann dort mit der Marke in den Markt zu gehen.

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Aber es reisen weiterhin viele Leute physisch aus aller Herren Länder zum Mannheimer Maimarktgelände, oder?

Ebinger: Ja, natürlich! Nichts schlägt den Live-Moment. Das lässt sich nicht simulieren. Wir begrüßen in Mannheim mindestens 50 Prozent unserer Gäste aus dem Ausland. In der Regel sind es mindestens 80 Länder, in die wir Tickets verkaufen. Kerneuropa macht natürlich die größte Gruppe aus, Frankreich, Schweiz, England, Italien. Aber es geht wirklich bis Australien, Japan, Nord- und Südamerika. Und die bringen natürlich auch eine enorme Wertschöpfung hier mit in die Stadt...

Das wäre genau die nächste Frage gewesen – nach der Bedeutung des Festivals für Mannheim ...

Ebinger: Ein Festival wie die Time Warp bietet einer Stadt eine riesige Umwegrentabilität und eine enorme Wertschöpfung. Einmal wirtschaftlich, dass so viele Leute hier übernachten in den Hotels – du wirst kein bezahlbares Zimmer mehr am Time-Warp-Wochenende bekommen. Das Taxigewerbe sagt, das ist die stärkste Nacht im Jahr, noch besser als Silvester. Und dann gibt es noch die ganzen anderen Wertschöpfungen, die wir gar nicht so richtig greifen können, wie Restaurantbesuche, Einzelhandel bis hin zu Friseurbesuchen. Wir versuchen natürlich auch, möglichst viel lokal einzukaufen, was wir für die Veranstaltung brauchen. Und wir geben auch sehr, sehr vielen Menschen hier vor Ort Arbeit – weit mehr als 1000 Personen arbeiten bei uns an dem Wochenende. Wir betreiben auch den Open Air Club Hafen 49 in Mannheim. Da kommen über die Saison auch 50 000 Menschen hin, inzwischen verkaufen wir Tickets in 25 Länder. Auch das ist ein riesiges Leuchtturmprojekt. Neben der Wertschöpfung ergeben sich auch bedeutende Imageeffekte für den Standort.

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Also sehen Sie ihre Firma als Standortfaktor?

Ebinger: Was beiden Marken gemeinsam und wichtig ist in Sachen Stadtentwicklung: Das sind Themen und Inhalte, die eine Stadt attraktiv machen im „War for Talents“, also im Kampf um Nachwuchs, Führungskräfte, um High Potentials und generell um Arbeitskräfte, die man in Mannheim ansiedeln will. Es geht heute für Städte darum, Kultur an sich als Chance für eine gesamte Stadtentwicklung zu erkennen und zu nutzen.

Die Time Warp und großangelegte Polizeikontrollen scheinen fast zwangsläufig stets Hand in Hand zu gehen. Was würden Sie sich von ordnungspolitischer Seite wünschen?

Ebinger: Uns stört nicht die Arbeit der Polizei. Wir arbeiten seit vielen Jahren vertrauensvoll mit den Behörden zusammen und klären darüber hinaus unsere Besucher über die Gefahren von Alkohol und Betäubungsmitteln auf. Was uns stört, ist die teilweise sehr tendenziöse und einseitige Berichterstattung in den Medien. Dort wird leider in den meisten Fällen nur der Polizeibericht abgedruckt und nicht das friedliche Happening, das Zehntausende von Menschen aus der ganz Welt nach Mannheim bringt. Ich würde mir wünschen, dass diese Stigmatisierung, die öffentliche Wahrnehmung sich da endlich mal dreht und differenzierter über elektronische Musik Events berichtet wird.

Musikalischer Dauergast: Star-DJ Sven Väth. © Luigi Toscano

Wie feiert man eigentlich den 30. Geburtstag einer Party? Gibt es zum Jubiläum Besonderheiten beim Ablauf?

Ebinger: Erstmal machen wir es besonders, weil wir gesagt haben, bei 30 Jahren muss das Motto „30 Stunden“ sein. Und um die 30 Stunden abzubilden, haben wir den Freitag noch vorgeschaltet – also wir feiern Freitag in einem etwas kleineren Setup nur in der Maimarkthalle und im Maimarktclub. Samstagabend öffnen wir dann die Tore zum bekannten Time-Warp-Setup mit den Zelten, mit dem Gläsernen Dom. Und es wird auch für alle, wenn sie vor Ort sind und ihre Augen offenhalten, noch eine besondere Überraschung geben.

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