Konzertkritik

Mannheimer Philharmoniker treten hinter Starsolist Maisky zurück - und bringen ihn zur Geltung

Der Klangraum wirkt ungewöhnlich licht und transparent: Cellist Mischa Maisky spielt mit den Mannheimer Philharmonikern im Mozartsaal des Rosengartens Schostakowitsch. Nicht nur Dirigent Videnoff überzeugt mit Lässigkeit

Von 
Hans-Günter Fischer
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Mischa Maisky als Gast der Mannheimer Philharmoniker. Am Dirigentenpult: Boian Videnoff © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Man erinnert sich noch an die Zeiten, als er fast so etwas wie der Hauscellist der Deutschen Grammophon Gesellschaft war und für das edelgelbe Plattenlabel jede Menge Standardrepertoire auf Tonträgern verewigt hat. Vor ein paar Jahren kam noch eine Potpourri-CD mit Cello-Arrangements unter dem Titel „Adagietto“ auf den Markt. Doch Mischa Maiskys Aufnahmen der wichtigsten Konzerte für sein Instrument liegen zum Teil jahrzehntelang zurück. Die beiden Gattungsbeiträge von Schostakowitsch etwa spielte er schon 1995 ein.

Gut 25 Jahre später zeigt sich aber, dass der Starcellist noch lange nicht im Herbst seiner Karriere angekommen ist. Im Mozartsaal des Rosengartens nimmt sich Maisky in Begleitung der von Boian Videnoff geleiteten Mannheimer Philharmoniker das erste der zwei Schostakowitsch-Werke vor.

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Also das etwas populärere Konzert. Vielleicht auch das persönlichere: weil es mit der Komponisten-Signatur in Form der Tonfolge D-Es-C-H arbeitet und sie gleich zu Anfang derart insisti

erend einsetzt, als ob hier ein Individuum im Selbstbehauptungskampf gegen das als Orchester auftretende Kollektiv stehe.

Natürlich ist das auch der Selbstbehauptungskampf des Komponisten Schostakowitsch gegen den als kunst- und lebensfeindlich zu verstehenden Sowjetstaat jener Jahre. Maisky weiß um solche biografischen Bezüge. Nicht nur über seinen väterlichen Freund und Lehrer Mstislaw Rostropowitsch (Uraufführungsinterpret und Widmungsträger des Konzerts). Sondern auch durch eigene Erfahrungen und Prägungen.

Mischa Maisky - Existenzialist am Cello

In seiner Aufführung in Mannheim hört man das bis heute, und ein Existenzialist am Cello war Maisky schon immer. Das gemarterte Subjekt kommt rückhaltlos zum Vorschein. Aber der Solist beweist auch seine Nuancierungsfähigkeiten, tonlich und dynamisch. Vielfach abgestuft, fein ziseliert gerät sein Vortrag, auch wenn er „sul ponticello“ spielen muss, also mit seinem Bogen dicht am Steg - was scharfe Obertöne nach sich zieht. Vor allem in den Außensätzen wird dem Interpreten dieses Stückes abverlangt, auch die Visitenkarte eines echten Virtuosen vorzulegen. Mischa Maisky hat sie immer noch zur Hand.

Das Horn - halb Gegenpart, halb Verbündeter des Solocellos

Dass er so gut zur Geltung kommt, liegt nicht zuletzt an den Mannheimer Philharmonikern. Es scheint, als würden sie nach Anweisung von Boian Videnoff hinter dem Starsolisten Maisky einen halben Schritt zurücktreten. Vielleicht ist das ja wirklich das Motiv dieser Zurückhaltung - die aber durchaus ihre positiven Resultate zeitigt, denn der Klangraum wirkt auf diese Weise ungewöhnlich licht und transparent. Gewinnt an Tiefe.

Der Cellist Mischa Maisky - und seine Wurzeln

  • Mischa Maisky, Jahrgang 1948, stammt aus Riga. Lettland zählte damals zur Sowjetunion, schon wegen seiner jüdischen Familienwurzeln wurde der Cellist mit Misstrauen betrachtet. Aber Maisky profitierte auch von der vorzüglichen Musikausbildung in der UdSSR.
  • In Mstislaw Rostropowitsch fand er den idealen Lehrer, bereits 1965 teilte er mit den berühmten Leningrader Philharmonikern das Podium.
  • 1972 emigrierte er nach Israel, den Wohnsitz nahm er allerdings schon bald danach in Belgien.
  • Maisky musizierte mit den größten Dirigenten (etwa Leonard Bernstein), und zu seinen festen Partnerinnen zählt seit vielen Jahren Martha Argerich.

Gut zur Geltung kommen auch die Bläsersoli, eine Sonderrolle hat dabei das Horn. Halb scheint es Gegenpart des Solocellos, halb Verbündeter zu sein. In jedem Fall macht es in Mannheim einen exquisiten Eindruck. Die Solistin können wir zwar sehr gut hören, aber leider nur schlecht sehen, sie sitzt weitgehend verdeckt. Wir übernehmen ihren Namen trotzdem kühn aus dem Programm: Ewa Paciorek.

Videnoff und seine Philharmoniker überzeugen mit Lässigkeit

Auch in Beethovens „Eroica“, die nach der Pause aufgeführt wird, gibt es einen echten Stresstest für die Horn-Fraktion der Philharmoniker - im Scherzo. Wieder wird er ziemlich bravourös bestanden. Wie man überhaupt darüber staunen darf, mit welcher Lässigkeit sich Boian Videnoff und seine jungen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten schwerste Brocken aus dem Kernbestand des Repertoires zurechtlegen. Nun also die „Eroica“, Beethovens dritte Sinfonie. Ein Werk von ungeheurer Sprengkraft und von neuen Dimensionen. Die aber von Videnoff und seinen Philharmonikern mit wenig Anstrengung durchmessen werden.

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Im Eröffnungssatz zweifelt man noch ein bisschen: Ist das nicht ein Gipfelsturm mit Leichtgepäck? Fehlt es nicht doch am nötigen Gewicht? Am revolutionären Impetus? Aber das gertenschlanke Klangbild überzeugt bereits im Trauermarsch, dem alles Lastende genommen und ein hochvitaler Zug verpasst wird. Spätestens der Schlusssatz, wo der Dirigent die divergenten Formbausteine und -prinzipien bestens unter einen Hut bringt (doch nicht zwingt), muss fast schon als Triumph bezeichnet werden. Das „Prometheus“-Thema taucht hier auf, gewidmet jenem, der die Menschen den Gebrauch des Feuers lehrte. Und die Zeitmaße sind bei der Aufführung in Mannheim ausgesprochen flott. So etwas muss ein Sinfonieorchester erst mal auf die Straße bringen. Doch den Philharmonikern gelingt es.

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