Kultur. Es gibt immer wieder viel Spektakuläres von diesem Orchester zu berichten. Da wäre etwa dies: Nachdem Anfang des Jahres halb Mannheim recht hitzig über eine Petition der Mannheimer Philharmoniker gestritten und der Unternehmer Manfred Fuchs sich für eine öffentliche Mitfinanzierung eingesetzt hatte, hat der Mannheimer Gemeinderat neulich eine Einmalzahlung von 100 000 Euro für Boian Videnoffs Truppe beschlossen, mehr: Er will im Herbst erneut über eine institutionelle Finanzierung debattieren.
Nur juckt das derzeit keinen mehr. Spektakulär ist auch, dass nach zehn Tagen mit Konzerten des Kurpfälzischen Kammerorchesters, zwei der Musikalischen Akademie und einem Weihnachtsspecial mit Ludwig Güttler der Mozartsaal für dieses Konzert mit 1300 bis 1400 Menschen gefüllt ist – trotz Krise und Weihnachtsrummel, doch sicher auch dank der angekündigten Piano-Grande-Dame Martha Argerich – die dann krank wurde.
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Unfassbar spritziges Spiel
Dass es im Rosengarten dann auch ohne „Martha“ spektakulär wird, ist Ersatzfrau Plamena Mangova zu danken. Beethovens 1. Klavierkonzert C-Dur gerät der Bulgarin dermaßen klar, fast kristallin, quirlig und in jeder Hinsicht stilistisch unanfechtbar – man würde wirklich gern mehr (frühen) Beethoven von ihr hören.
Die Verbindung aus Transparenz bei gleichzeitiger Dichte und feinster Artikulation macht süchtig. Für die Philharmoniker hat das aber Konsequenzen: Sie können da nicht mithalten. Immer, wenn Mangova etwa im dritten Satz die kribbelige Anfangsformel des Allegro scherzando spielt, klingt Videnoffs junges Orchester danach – leider – wie eine Truppe schwerfälliger Adoleszenten. Es lahmt. Es holpert. Für ihr unfassbar spritziges Spiel wird Mangova gefeiert – und gibt Ginastera („Danza de la moza donoza“) und Schubert/Liszt /“Der Atlas“) zu – natürlich spektakulär.
Um Mozart gut zu spielen, so ein altes Bonmot, müsse man entweder ein Kind sein oder alt und weise. Die Philharmoniker und Videnoff sind weder das eine noch andere, aber sie können Mozart trotzdem irgendwie. Klar, diese „Jupiter“-Sinfonie hat weder den lukullisch-geheimnisvollen Rausch von Karajan und Co., noch die Radikalität von Bilderstürmern wie Harnoncourt oder Currentzis. Aber die Verve, mit der Videnoff einsteigt, reißt mit.
Leider wird im Verlauf eine klangliche Asymmetrie deutlich: Zum einen sind die Streicher nicht führend genug; oft fehlt dem Klang das silberne Glitzern der Obertöne. Jupiter strahlt nicht. Zum andern spielen die Hörner und mehr noch die Trompeten oft zu unsensibel laut und überdecken damit sogar noch die schönen warmen Farben der Holzbläsermischungen innerhalb des Streicherklangs (zum Glück hat der Paukist ein sensibles Händchen für Dezibel – sehr gut).
Auch wenn den Mannheimer Philharmonikern Romantik mehr liegt (sicher auch, weil da vieles weniger heikel zu spielen ist) und man sich mit den schlanken Klassikern Mozart und frühem Beethoven sowie Schubert etwas schwertut – erstaunlich ist dennoch, wie in so kurzer Projektzeit immer wieder Qualität entsteht. Spektakulär ist die zwar (noch) nicht. Der Jubel im Saal ist aber groß.
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