Mannheim. Es ist schon frappierend: Irgendwie gleichen die ja doch raren Auftritte der Mannheimer Philharmoniker Popkonzerten. Bei keinen anderen Orchesterkonzerten in Mannheim wird so viel fotografiert, mit dem Mobilgerät gefilmt und, ja, gedaddelt, als ginge es gar nicht so sehr um die Hauptsache Musik, ums kontemplative Zuhören und In-die-Welt-Hineinhorchen, sondern um die Nebensache: Seht, ich war dabei!
Auffällig viele junge Menschen im Publikum
Als immer noch junges Orchester muss man das erst mal schaffen, als hippes soziales Event zu gelten, bei dem das Dabei-Sein cool ist - und tatsächlich schlägt es sich in der Publikumsstruktur nieder. Auffällig viele junge (weibliche) Menschen sind da und solche, die man als Hardcore-Konzertgänger eher mal noch nicht gesehen hat.
Der selbst ernannte Musikstar verspricht auf seiner Facebook-Seite: „Wir laden Sie herzlich zum spektakulären Saisonabschlusskonzert am 10. Juni ein, welches dem hinreißenden Stil der Wiener Klassiker gewidmet ist.“ Ein hinreißendes Spektakel wird das Konzert mit Werken von Prokofjew, Mozart und Schubert vielleicht nicht - schon allein, weil die zentralen Werke des Abends von Mozart und Schubert nicht unbedingt zu deren Meisterwerken zählen. Aber es ist ein guter Abend, bei dem sich Boian Videnoffs Projektorchester auf sehr gutem Niveau präsentiert.
Stilistisch drei Ansätze
Beginnen wir mit Mozart. Dessen Konzert für zwei Klaviere (Nr. 10, Es-Dur) wird gegeben - als Stars sitzen Maria João Pires und Iddo Bar-Shaï an den Steinways. Dass Mozart immer wieder schwierig ist, bleibt unbestritten. Die drei Interpreten gehen da ganz anders ran. Das klar gehaltene Vorspiel im Allegro gerät den Philharmonikern etwas diffus, der Klang hat zu viel Weichheit, Mitte, zu wenig Prägnanz an den Enden ganz unten und oben. Intransparenz ist die Folge. Nichts Dramatisches, aber doch schade, dass das nicht mehr leuchtet und glitzert.
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Dann: Stilistisch sind Pires und Bar-Shaï komplett anders. Beide spielen mit Noten und bringen, was beim kurzen Einschwingvorgang des Klaviers schwer ist, die Pianos gut zusammen. Doch während Pires Mozart durch messerscharfe Artikulation und klare Hierarchie selbst sprechen lässt, sucht Bar-Shaï in jedem Moment nach einem tieferen, poetischen Sinn. Sein Spiel ist nicht stilistisch romantisch, aber im Geiste. Dennoch musizieren die beiden vital, virtuos und homogen miteinander. Videnoff hält alles gut zusammen. Ein schönes konzertieren. Als Zugabe geben Pires/Bar-Shaï Bachs „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ vierhändig.
Im Trio des Menuetts wackelt es auch mal
Dass die Philharmoniker (in dieser Besetzung) in guter Verfassung sind, stellen sie in Prokofjews Symphonie classique (1917) und mit Schuberts früher B-Dur-Sinfonie (1816) unter Beweis. Die dramatischen Auswüchse in Prokofjews Allegro gelingen da genau so dunkel und voller Konflikt wie der schwungvolle Witz in der Gavotte oder die dynamisch explodierenden Emotionen im Finale. Das ist eine runde Vorstellung.
Ebenso bei der Fünften des 19-jährigen Schubert. Ausgesprochen leicht, transparent und luftig klingt die noch fast ganz der Wiener Klassik verpflichtete Partitur, im zweiten Satz fallen die subtilen Hörner (Nuno Nogueira, Joana Faria) auf, überhaupt wird dieses Andante von Videnoff und Orchester friedlich, kultiviert, logisch und beseelt erzählt. Im Trio des Menuetts (in der Zugabe wiederholt) wackelt es auch mal, und im finalen Vivace klingt manches etwas pauschal, könnte besser formuliert sein. Doch das fällt bei dieser reifen Leistung kaum ins Gewicht. Die Begeisterung bei den Zuhörenden, Fotografierenden und Filmenden ist groß. Zurecht.
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