Interview - Kunstwissenschaftler Sebastian Baden über seine Zeit an der Mannheimer Kunsthalle und die künftige Aufgabe als Leiter der Frankfurter Schirn

Kunstwissenschaftler Baden: „Museen stärken die Demokratie“

Von 
Thomas Groß
Lesedauer: 
Sebastian Baden in der von ihm kuratierten Ausstellung „Mindbombs“, die bis 24. April zu sehen war. © Kunsthalle Mannheim/Witt

Fünfeinhalb Jahre arbeitete Sebastian Baden als Kurator für zeitgenössische Kunst an der Mannheimer Kunsthalle, nun wechselt er nach Frankfurt, wo er Direktor der Kunsthalle Schirn wird. Anlass genug, um auf die Mannheimer Zeit zurückzublicken und vorauszuschauen auf die Möglichkeiten und Herausforderungen, die mit der neuen, renommierten Position verbunden sind. Sebastian Baden beginnt seine Arbeit dort am 1. Juli.

Herr Baden, die fünfeinhalb Jahre an der Kunsthalle dürften für Sie eine prägende Zeit gewesen sein. Es war Ihre erste Stelle als verantwortlicher Kurator an einem großen und traditionsreichen Haus…

Sebastian Baden: Ja, gewiss. Bevor ich nach Mannheim kam als Kurator für Skulptur und neue Medien, habe ich aber schon als freischaffender Kurator gearbeitet, für Stiftungen oder private Sammlungen – und als Galerist. Das Besondere in Mannheim ist ja der reiche Sammlungsbestand an Skulptur, sowohl im Haus als auch im Freien. Das war eine tolle, verantwortungsvolle Position, die ich sehr gerne wahrgenommen habe und die es mir ermöglicht hat, die Bedeutung der Kunst im öffentlichen Raum besser zu verstehen und mich entsprechend zu engagieren.

Mehr zum Thema

Auszeichnung

Der Witz im ernsten Alltag: Förderpreis für Niclas Riepshoff

Veröffentlicht
Von
Red
Mehr erfahren
Kunst

Frankfurter Kunsthalle Schirn zeigt einen Poeten des Alltags

Veröffentlicht
Von
Christian Huther
Mehr erfahren
Geraubte Kunstwerke

Reiss-Engelhorn-Museen wollen Benin-Bronzen zurückgeben

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren

Sie haben wichtige Schauen zeitgenössischer Kunst verantwortet, als größte die zu Anselm Kiefer, zuletzt „Mindbombs“. Was waren dabei die Herausforderungen?

Baden: Am Anfang bin ich in Mannheim mit Helm und Gummistiefeln durch den noch nicht fertiggestellten Neubau gelaufen. Das war eine prägende Zeit, weil es ja selten vorkommt, dass man ein Museum von Grund auf neu einrichten darf. Damals war die Veranstaltungsreihe „On The Move“ für mich am wichtigsten, mit der die Kunsthalle im Jahr 2017 die Zeit ohne Ausstellungsfläche im eigenen Haus an verschiedenen Orten überbrückte, und für die ich mit externen Partnern bis nach Stuttgart zusammenarbeiten konnte. Dann begann die Planung der Jeff-Wall-Ausstellung für die Neueröffnung. Und ja – die Kiefer-Schau war für mich natürlich eine großartige Aufgabe. „Mindbombs“ war schließlich ein Herzensprojekt, schon deshalb, weil es auf meiner Promotion aufbaute. Die Herausforderung war auch hier, in den Räumen zu planen, aber auch aus ihnen herauszugehen, etwa durch die Integration junger zeitgenössischer Kunst.

Sebastian Baden

  • Sebastian Baden, geboren 1980 in Kaiserslautern, studierte Kunsterziehung an der Kunstakademie Karlsruhe und Germanistik an der dortigen Universität. Er promovierte ebenfalls in Karlsruhe im Fach Kunstwissenschaft an der Hochschule für Gestaltung.
  • Bevor Sebastian Baden von der damaligen Direktorin Ulrike Lorenz im Oktober 2016 als Kurator der Kunsthalle verplichtet wurde, arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule für Gestaltung und war als freischaffender Kurator tätig.
  • Zum 1. Juli wird Sebastian Baden Direktor der Frankfurter Kunsthalle Schirn

Wo waren Ihrem Elan in Mannheim doch klare Grenzen gesetzt?

Baden: Eigentlich war alles hier eine gute Erfahrung. Tatsächlich gibt es auch Grenzen, die allerdings nicht im Inneren der Kunsthalle, sondern im öffentlichen Raum spürbar wurden. Man merkt, wenn man für Skulptur im Außenbereich zuständig ist, dass die Stadt hier früher mehr Wert auf ihr und unser künstlerisches Image legte. Heute regiert oft Pragmatismus, wird vieles auch mit strengeren Regularien angegangen. Für die Außenplastiken auf den Planken versuche ich bis zuletzt eine bessere Würdigung gegenüber diesem kulturellen Erbe zu erreichen.

Beim Stichwort Kunst im öffentlichen Raum fällt einem auch die recht vernachlässigte Skulpturenmeile auf der Augustaanlage ein …

Baden: Das war vor meiner Zeit. Aber ich weiß, dass das Interesse des Hauses immer war, die Skulpturen gut zu erhalten. Mir persönlich ist der Zustand der Kunst im öffentlichen Raum besonders wichtig, an ihr lässt sich ja auch die politische Wertschätzung der Kultur ablesen. Und Kunst sollte nicht nur in einem Museum stattfinden.

Wie werden Sie das Mannheimer Haus in Erinnerung behalten?

Baden: Es besteht aus einem fantastischen Neubau und einem wunderbaren Jungendstil-Bau, die je verschiedene Ausstellungsformate ermöglichen. Das ist eine für die Kunst und ihre Darstellung perfekte Symbiose der Architektur und Sammlungsgeschichte.

Und würdigt das die Stadtgesellschaft auch entsprechend?

Baden: Ja, zunehmend. Es lässt sich etwa an unserem MVV-Kunstabend ersehen. Klar, man wünschte sich immer noch mehr Besucher – und versucht vieles, um mehr Menschen zu erreichen. Das ist in der Kunst nicht anders als in anderen Bereichen der Kultur. Nur der Fußball dürfte eine Institution sein, die immer ausreichend Publikum hat. Aber das ist schlicht eine andere Fankultur. Die Fans der Kunst sind flexibler und individueller, hier herrscht eine ganz andere Gruppendynamik.

Nun gilt es, den Blick noch einmal zu weiten und die Schirn in Frankfurt zu leiten, die keine eigene Sammlung besitzt, aber über eine ähnlich große Mitarbeiterzahl wie die Kunsthalle verfügt. Wie wollen Sie dort das Profil weiter schärfen?

Baden: Die Schirn leistet im Bereich der modernen, aber auch zeitgenössischen Kunst Fundamentales. Die Balance aus beidem werden wir weiterführen. Da das Haus keine eigene Sammlung hat, ist der Fokus stark auf Themen ausgerichtet, wie etwa Fragen an die Gegenwart, was die Gesellschaft besonders angeht. Ich möchte an den hohen Anspruch, den man sich hier an das Programm gelegt hat, anknüpfen, aber meine eigenen Akzente setzen.

Die noch bedeutendere, auch international ausstrahlende Frankfurter Kunstinstitution ist ja das Städel. Erlebt man das nicht als erdrückende Konkurrenz, wenn man an der Schirn tätig ist?

Baden: Ich würde das komplementär betrachten. Frankfurt hat ein äußerst breites und vielfältiges kulturelles Angebot, gerade im Kunstbereich zeichnen sich die unterschiedlichen Häuser durch ein sehr eigenes Profil aus. Es gibt hier ja auch das MMK, das Museum für Moderne Kunst, oder den Frankfurter Kunstverein. Alle gestalten ein individuelles Programm. Gerade mit dem Städel verbindet uns eine enge Beziehung, die ich weiter pflegen möchte.

Was kann und soll eine Institution der Kunst heute leisten? Wie legitimiert sie sich als Empfängerin hoher Subventionen?

Baden: Der Kunsttheoretiker Bazon Brock hat die Kunsthalle einmal als „Zivilisationsagentur“ bezeichnet. In einem Kunstmuseum lernt man sich selbst und das Andere kennen. Gerade in der aktuellen Zeit sind Kunstinstitutionen wichtige Orte, um Demokratie und Meinungsfreiheit zu stärken. Das sind Themen, mit denen man Individualität und Selbstbewusstsein schärft. Die Auseinandersetzung mit Kunst lädt zudem dazu ein, nicht nur über sich, sondern auch das Fremde, Andere nachzudenken. Es geht ja für alle darum, mit einer bestimmten Nachbarschaft gut zu leben und Konflikte im Dialog auszutragen. Die Kunsthalle ist ein Ort der Reflexion über Kultur und Gesellschaft gleichermaßen.

Überall wird neuerdings betont, Kulturinstitutionen hätten zur gesellschaftlichen Selbstverständigung beizutragen und müssten sich öffnen. Geht es da überhaupt noch um Kunst in ihrer Unverwechselbarkeit?

Baden: Kunst ist per se immer zwei- und mehrdeutig, divers und vielfältig. Und sie ist immer politisch. Bereits die Französische Revolution hat Wesentliches für die Öffnung der Kunst bedeutet. Heute darf man von einem weiten Kunstbegriff ausgehen. Das bedeutet auch, ein interkulturelles Verständnis auszuprägen. Wer kein Museum besucht, verpasst fruchtbare, irritierende Momente, über die man sich besser kennenlernen kann. Dieses Engagement, auch die Anstrengung, welche die Auseinandersetzung mit dem Dargebotenen bedeuten kann, ist weit mehr als Unterhaltungskultur. Und dieser Kunstbegriff lässt sich auch einem breiten Publikum vermitteln.

Das gilt dann ja nicht allein für Frankfurt oder Mannheim, sondern für ganz Deutschland, vielleicht gar universell – für die ganze Welt …

Baden: Nun, für die ganze Welt würde ich es angesichts der kulturellen Unterschiede nicht reklamieren, aber zumindest für ganz Deutschland – und gewiss nicht nur für Mannheim und Frankfurt.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen