Mannheim. Was anderswo teilweise heftig und lange diskutiert wird – es ging ganz schnell und unspektakulär. „Gut, dass das gemacht wird“, lobte Stadtrat Gerhard Fontagnier (Grüne), nachdem ML-Fraktionsvorsitzender Achim Weizel sich beeindruckt von der hoch qualifizierten Arbeit zeigte. Und schon waren sich alle einig im Kulturausschuss des Gemeinderats. Auch wenn formal der Gemeinderat noch zustimmen muss, ist klar, dass sich Mannheim „so verhalten wird, dass da nichts vorwerfbar ist und wir dem Anspruch gerecht werden, den wir an uns haben, nämlich, was berechtigt zurückgefordert wird, auch zurückgegeben werden soll – das ist das Ziel“, fasste Kulturbürgermeister Michael Grötsch zusammen.
Dabei muss es nicht schnell gehen. „Es wird von uns nicht erwartet, dass wir jetzt Hau ruck irgendwelche Entscheidungen treffen“, stellte Sarah Nelly Friedland, Direktorin der Reiss-Engelhorn-Museen für Archäologie und Weltkulturen sowie Projektkoordinatorin der Aufarbeitung, klar. Man habe „definitiv Zeit, sorgfältig vorzugehen“, sagte sie. Dabei werde man sich mit anderen Museen und Kultureinrichtungen abstimmen.
Klar ist aber, dass das im Oktober 2021 mit Unterstützung des Zentrums für Kulturgutverluste gestartete Projekt seit März „erfolgreich abgeschlossen wurde“, informierte Friedland den Kulturausschuss. Dabei geht es um die „Benin-Bronzen“. 1897 hatten britische Truppen das afrikanische Königreich Benin, heute Nigeria, überfallen. Sie plünderten den Königspalast und nahmen als Trophäen 500 Jahre alte Gusstafeln, Gedenkköpfe sowie Tier- und Menschenfiguren mit. 4000 einzelne Teile landeten später in Museen und im Kunsthandel, etwa 1000 davon in Deutschland.
Wertvolle Prunkköpfe
Lange gab es den Verdacht, dass die Reiss-Engelhorn-Museen über 66 solcher Exponate verfügen. Beim den Forschungsprojekt ergab sich nun, dass es definitiv 29 sind, nicht nur aus Metall, auch aus Elfenbein und Holz. Dazu zählen drei als besonders wertvoll geltende Prunkköpfe, aber auch Reliefplatten, Elfenbeinschnitzereien aus Stoßzähnen, Glocken, Tierfiguren und andere Objekte. Nicht bei allen ist klar, wie sie aus Westafrika nach Mannheim kamen, zwischen dem Raub 1897 und der Ankunft in der Quadratestadt liegt vieles im Dunklen. Bis auf ein Exponat lasse sich aber belegen, dass die Stücke zwischen 1921 und 1935, meist aus dem Kunsthandel, angekauft wurden. Drei Objekte befanden sich ursprünglich in der großherzoglichen Sammlung in Karlsruhe und gelangten 1935 nach Mannheim, als die Nationalsozialisten einen sogenannten Ringtausch von Museumsgut zwischen mehreren Häusern anordneten.
Aktuelle Brisanz bekam das Thema durch die bundesweite Entwicklung. In der vergangenen Woche unterzeichneten bei einem Festakt Außenministerin Annalena Baerbock und Kultur-Staatsministerin Claudia Roth mit zwei Politikern aus Nigeria nach langen Verhandlungen eine gemeinsame Erklärung, wonach der den Weg für die Rückgaben von Benin-Bronzen freigemacht ist. Auf Grundlage der nun unterschriebenen Erklärung können zukünftig Rückgabevereinbarungen mit Nigeria abgeschlossen werden. Zunächst betrifft das nur Museen in Berlin, Stuttgart, Leipzig, Köln und Hamburg, die über die größten Bestände aus dem früheren Königreich Benin verfügen. Sie wollen einige Objekte zeitnah zurückgeben. Bei anderen Exponaten gibt es Vereinbarungen, dass sie bis zur Fertigstellung eines im Bau befindlichen Museums in Nigeria oder auf Dauer als Leihgaben in Deutschland bleiben, auch wenn das Eigentum an den Stücken formal an Nigeria zurückübertragen wird.
Personalstelle nötig
Direktorin Sarah Nelly Friedland war, wie sie sagte, vor Unterzeichnung der Erklärung in Berlin informiert worden. Mannheim habe seine Forschungsergebnisse auch publiziert und der bundesweiten Benin-Datenbank gemeldet. Eine Grundsatzentscheidung des Gemeinderats, die Objekte zurückzugeben, gibt es auch bereits – sie sind ja bisher städtisches Eigentum. „Wir werden diesen Prozess weiter vorantreiben“, erklärte die Direktorin, wolle dabei aber „besonnen vorgehen“, sich mit den ebenfalls in den Prozess eingebundenen Museen in Baden-Württemberg zum konkreten weiteren Vorgehen abstimmen und dann Kontakt mit der nigerianischen Seite aufnehmen. Ein exaktes Vorgehen sei in der in Berlin unterzeichneten Erklärung nicht festgelegt. „Allen Beteiligten ist klar, dass diese Dinge dauern“, es sei „nicht nötig, akut etwas zu verschicken“, denn es wären weitere Vorarbeiten notwendig.
Über die Benin-Bronzen hinaus laufen an den Reiss-Engelhorn-Museen derzeit drei weitere Forschungsprojekte zu ihrem kolonialen Erbe. Immerhin umfasst allein die Weltkulturen-Sammlung rund 40 000 Exponate aus fünf Kontinenten. Ferner führt die Universität Düsseldorf ein Projekt in Mannheim im Zusammenhang mit Objekten aus Kamerun durch. „Es ist auch geplant, eine hochrangige Delegation aus Kamerun einzuladen“, sagte sie. Für weitere Arbeiten zu Kamerun, Kenia und Namibia stelle das Museum Informationen zur Verfügung, so die Direktorin. Sarah Nelly Friedland wies die Stadträte aber darauf hin, dass alle Arbeiten nur möglich seien, weil es sogenannte Drittmittel – also Zuschüsse oder Stiftungsgelder – dafür gebe. Den Antrag, eine Vollzeitstelle dauerhaft für Provenienzforschung einzurichten, habe die Stadt abgelehnt. Das Museum werde ihn aber Ende des Jahres erneut stellen, kündigte sie an.
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