Kunsthalle

Kunst, Theater und Performance: Rimini Protokoll präsentiert raffiniertes Stadtgespräch

"Urban Nature" von Rimini Protokoll in der Mannheimer Kunsthalle ist brillant gemacht. Es ist eine luzide und absolut sehenswerte Urbanitätsstudie mit Kunst(hallen)- und (National)Theater-Mehrwert.

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Die Macher hinter dem Rimini Protokoll( v.l.n.r.) Stefan Kaegi, Dominic Huber,Helgard Haug, Daniel Wetzel © Manfred Rinderspacher

Mannheim. „Wer von Ihnen ist in einer Stadt geboren?“ Das ist einfach. „Wenn die Stadt ein Dschungel wäre, welches Tier wären Sie?“ Diese Frage erfordert schon mehr Überlegung und wird einem gleich zu Beginn gestellt, freilich ohne dass man sie beantworten müsste. Kaum hat man die Entscheidung getroffen, mit oder ohne Tablet durch dieses Stück zu gehen, das gleichermaßen Ausstellung, Stationentheater und Video/Audio-Parcours ist, tun sich Fragen auf: private, perspektivische und zivilisatorische - wie stets bei Rimini Protokoll, die einem den Alltag mit viel Aufwand gekonnt zu einem Destillat der Realität raffinieren.

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Rimini Protokoll in der Mannheimer Kunsthalle

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Raffiniert natürlich, auf klappenden doppelten Böden, in unendlichen medialen Spiegelungen und mit gigantischem Bühnenaufbau, den diesmal Dominic Huber konzeptuell und szenografisch verantwortet und somit das Kreativtrio zum Quartett macht, das auch ein Glückskleeblatt ist, zumindest was das komplizierte Ineinandergreifen von Räumen, Ebenen und Technik anbelangt.

Das (buchstäbliche) Kunststück dabei ist, dass all diesem Recherche-, Konzeptions- und Hightech-Großeinsatz eine große (Theater-)Sinnlichkeit innewohnt.

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Wie immer überzeugt die liebevolle Kleinteiligkeit der Flugtickets, Cannabis-Plantage, Prospekte oder Modellhäuser. Gerne wäre man hier und da stehengeblieben, um mal genauer hinzuschauen, doch Zeit ist Geld, die Karawane zieht weiter durch die Stadt, blickt von oben und unten auf, hinter und in die Verhältnisse, die - wie beim guten alten Brecht - immer noch nicht so sind, wie mancher sie gerne hätte.

Artifiziell erzeugter Realitätsabbildung innere Poesie einzuhauchen, ist das Verdienst dieser Inszenierung. Vor allem, weil es anders als der vergleichbare Vorgänger „Situation Rooms“, im Kunsthallenkosmos die wesentlich offenere Form wählt. Man geht selten in einen einzelnen Raum, meist blickt man von der aktuellen Szenerie bereits in die nachfolgende oder zurück in die vergangene, sieht, wie sich Protagonisten, Darsteller und Dargestellte live oder per Projektion begegnen oder in anderen Szenen agieren. Das ist irritierend wie faszinierend - und akustisch wie optisch offen. Ins Gefängnis dringt der Applaus aus der Bar, in die Obdachlosenunterkunft entspannendes Tennisball-Ploppen und Wagner-Opernklang der Hochfinanz.

Das ist brillant gemacht, aber zu zahlen ist der Preis, dass man den konkreten Menschen diesmal weniger nah kommt als sonst bei Rimini. Eine luzide und absolut sehenswerte Urbanitätsstudie mit Kunst(hallen)- und (National)Theater-Mehrwert ist es gleichwohl.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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