Mannheim. Als Frontmann und kreativer Kopf der Soul-Pop-Band Mardi Gras.bb hat Doc Wenz 20 Jahre lang eine wunderbare Mannheimer Erfolgsgeschichte geschrieben. Nun meldet er sich mit seiner neuen Band Doc Wenz and the Melancholics zurück - nach zehnjähriger Bühnenabstinenz. Darüber spricht er im Interview mit dieser Redaktion.
Doc, seitdem Sie 2013 die Mardi Gras.bb. verlassen haben, sind Sie nicht mehr live aufgetreten. Was gab nun den Anstoß mit einer neuen Band wieder an den Start zu gehen?
Doc Wenz: Es hat im Unterbewussten gearbeitet. Es lag an dem, was im Leben passiert ist. In den letzten fünf Jahren hat sich viel ereignet, man hat gemerkt: Die Einschläge rücken näher. Es sind viele Leute gestorben, vor zwei Jahren auch meine Mutter, andere wurden schwer krank. Das hat irgendwann dazu geführt, dass ich mir sagte: Jetzt ist eigentlich die Zeit, dass ich die Musik, die ich immer schon gut gefunden und gehört habe, selber machen und glaubwürdig mit Inhalt füllen kann.
Wie würde Sie ihre neue Musik beschreiben?
Wenz: Es gibt in diesem ganzen Komplex, den ich immer ironisch „Crying in my Beer“-Music nenne, Songs, die einen definitiv berühren, auch wenn man die Dinge, über die da gesungen wird, selbst noch nicht erlebt hat, weil man einfach noch zu jung ist. Auf einmal dachte ich mir: Es ist jetzt an der Zeit so etwas selbst zu machen, über die essenziellen Dinge zu singen. Lyrische Musik zu machen, die langsam ist, atmosphärisch, um sie im Stile eines Singer-Songwriters zu füllen. Ich fand das auch in Anbetracht meines Lebensalters würdiger, als wie ein sehr erfolgreicher, weltbekannter und in früheren Tagen von mir durchaus geschätzter britischer Entertainer mit 80 Jahren immer noch in der Spandex-Hose über die Bühne zu turnen. Das ist etwas, was ich nicht so gut finde.
Es geht um Liebe, Sehnsucht, Tod, Abschied. Dinge gehen zu Ende, alles hat seine Zeit, Tränen im Bier.
Ihre neue Band Doc Wenz and the Melancholics geht, wenn man die Ankündigungen liest - es gibt ja noch keine Musik im Internet - eher in die Country-Ecke?
Wenz: Es ist vom Songmaterial her eigentlich Singer-Songwriter-Musik, und es ist von der Besetzung her kleines Besteck. Die Besonderheit ist die Klangfarbe der Pedal-Steel-Gitarre, die durchgängig eingesetzt wird. Auch in Songs, die nicht exakt in diesem Genre spielen. Die Musik ist ein Cocktail aus verschiedenen Stilistiken: einmal countryeske Dinge, es gibt aber auch wieder soulartige Songs, und ganz langsame, getragene Sachen, die eher wie Phil-Spector-Balladen der 1960er Jahre klingen.
Doc Wenz and the Melancholics spielen auf der Sommerbühne
Jochen „Doc“ Wenz: geboren 1965, wurde als Sänger/Komponist der Mannheimer Band Mardi Gras.bb bekannt. Von 1993 bis 2013 veröffentlichte sie 13 Alben, war zwischenzeitlich beim Major Label Universal, trat u.a. in London, Paris, Cannes, Moskau und Montreux auf. Wenz-Songs wurden als Soundtracks für Filme verwendet („Was nützt die Liebe in Gedanken“, „Beste Freunde“, „Wenn Fliegen träumen“).
Konzert: Montag, 31. Juli, 20 Uhr, Sommerbühne, Alte Feuerwache Mannheim.
Sommerbühne: Die Konzertreihe präsentiert bis 21. August 20 Konzerte aus verschiedenen Musikgenres wie Rock, Pop, Indie, Hip-Hop, Jazz, Electro, bei freiem Eintritt.
Auftakt: Blumengarten (Pop), am 27. Juli, 20 Uhr. Unter anderem treten auf: Dr. Woggle & The Radio (Ska, 28. Juli), Brockhoff (Indie, 29. Juli), Kreisky (Indie, 30. Juli).
Komplettes Programm: altefeuerwache.com.
Was war zuerst da: die Songs oder die Band?
Wenz: Es ging einigermaßen parallel. Ich hab mir natürlich gleich überlegt: Welche Musiker kann man da fragen? Mit wem würde man gerne zusammenarbeiten? Javier De La Poza, der früher bei Mardi Gras Bass-drum gespielt hat, den wollte ich unbedingt mit im Boot haben, weil ich ihn schätze und wir gute Freunde sind. Und dann hat mich Florian Schlechtriemen angerufen, der bei Mardi Gras Snaredrum gespielt hat und mit dem ich all die Jahre einen freundschaftlichen Kontakt gehalten habe. Er hat Öl ins Feuer gegossen und mich gefragt: „Mensch Doc, willst du eigentlich nicht mal wieder was machen? Wenn du was machst, ich bin ich dabei.“
Da hatten Sie ein Problem?
Wenz: Ja, jetzt hatte ich zwei Drummer (lacht). Und dann gibt es in Mannheim einen etwas jüngeren Musiker, eine Generation vor mir, den ich mit großer Bewunderung aus der Entfernung beobachte, das ist Simon Seeleuther. Ein sehr toller, geschmackvoller Gitarrist, der anknüpft an die alte legendäre Mannheimer E-Gitarristenschule á la Hans Megerle und Hans Reffert. Ich wusste, dass er ein Busenfreund von Flo Schlechtriemen ist und dass die beiden eine sehr schöne Instrumentalband haben, die Surfmusik macht, die Necronautics. Und dann hat sich herausgestellt, dass der Simon eigentlich Pedal-Steel-Weltmeister ist und mehr oder weniger darunter leidet, dass er das nie so richtig an den Mann bringen kann. Da hat es bei mir „Bing“ gemacht, ich habe ihn angerufen, und dann war klar: Er spielt Pedal-Steel, ich spiele Gitarre und singe, Flo spielt Schlagzeug, und dann hatte ich das Problem: Was mache ich jetzt mit dem Javier? Und dann war es wie in der Punkzeit, ich habe in die Ecke gezeigt und gesagt: Du spielst Bass. (lacht) Und so ist es jetzt.
Wird es ein Album geben?
Wenz: Wir haben vor einem guten Jahr angefangen mit der Geschichte, fleißig geprobt, ein Programm erarbeitet und haben das im Dezember im Proberaum selbst aufgenommen. Das ist super geworden, es wird gemischt und daraus wird ein erstes Album, ganz klar. Es wird in jedem Fall eine Digital-Veröffentlichung geben. Ich spiele nach wie vor aber auch mit dem Gedanken, etwas auf Vinyl zu machen. Aber jetzt kommt erst mal die Live-Premiere.
Um was drehen sich denn die Songs?
Wenz: Es geht um Liebe, Sehnsucht, Tod, Abschied. Dinge gehen zu Ende, alles hat seine Zeit, Tränen im Bier. Es hat Dylaneskes, Coheneskes, und manchmal heult der Wind über die Great Plains, manchmal steht auch unmotiviert ein Kaktus in der Ecke, ab und zu jault einmal ein Kojote. So muss man sich das vorstellen.
Man denkt da an Calexico?
Wenz: Genau, Calexico, Zander Schloss, Howie Gelb.
Und wie steht’s mit Hank Williams?
Wenz: Ja, natürlich. Das ist die Linie. Hank Williams führt zu Johnny Cash und der geht dann über in diese neue Americana-Musik. Aber es gibt auch ein paar Exoten im Programm, die eingebunden werden in diese Ästhetik, soulige Sachen, die an James Carr erinnern, „Dark End Of The Street“, diese Art von Memphis-Balladen, oder Dan Penn.
Bei der Mardi Gras.bb haben Sie ja die Bühnenfigur des Doc Wenz kreiert: eine Art mondäner Salonlöwe und düsterer Exerzitienmeister. Wird bei den Melancholics die gleiche Figur auftreten?
Wenz: Sie sprechen etwas Richtiges an, was mir im Moment große Sorgen macht. Ich habe jetzt nur noch ein paar Tage Zeit - und ich weiß es noch nicht. Ich habe mir vorgenommen, in den nächsten Tagen zu überlegen, was ich in dieser Band eigentlich darstelle. Und wer ich eigentlich sein möchte am 31. Juli. Das treibt mich um. Ich habe meine ganze Energie und freie Zeit darauf verwendet, zusammen mit der Band in einen auftrittsfähigen Trainingszustand zu kommen und gleichzeitig das Songmaterial zu erstellen. Und all diese Dinge, angefangen damit, was ich anziehen werde und ob ich überhaupt etwas auf der Bühne zum Publikum zwischen den Songs sagen werde, bis dahin, welcher Doc Wenz sich den Leuten zeigen wird - alles das habe ich noch nicht entschieden. Und das ist, was mir im Moment die größte Sorge macht, da ich noch keine zündende Idee habe (lacht). Und wenn ich keine habe, hoffe ich, dass wir am 31. einfach nur wunderschöne Musik machen werden.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-mannheimer-rocksaenger-doc-wenz-spricht-ueber-seine-neue-band-_arid,2109305.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html