Mannheim. Was passt besser zu einem heißen Sommerabend als ein Jan-Delay-Konzert? Richtig. Nichts! Zum Abschluss des 7. Zeltfestivals Rhein-Neckar liefert der Hamburger mit seiner Band Disko No. 1 auf dem Mannheimer Maimarktgelände zwei Stunden lang eine Party-Steilvorlage nach der anderen. Wobei die mehr als 4000 textfesten Fans auch fast wie ausgehungert darauf warten, bis die Fanfarentöne und Beats von „Intro“ erklingen, der ersten Nummer des aktuellen Albums „Earth, Wind & Feiern“ (hier unser Interview dazu).
Programmatisches "Intro"
Der Text ist programmatisch für die Show. Einerseits ist der Song ein selbsterfüllendes Versprechen - „mit neuem dicken Sound für die Menschen / Die’s lieb’n zu dancen zu tiefen Frequenzen.“ Andererseits geht es um die positive Botschaft des Pop: Liebe, Hoffnung und eine gute Zeit. Dementsprechend singt Jan Delay kultverdächtig näselnd: „Es sind finstere Zeiten / Aber das muss gar nicht sein / Lass uns die Wolken vertreiben / Ich hab’ Sonne dabei (…) Earth, Wind & Feiern / Und alles wird gut.“
Die Bühne der Red Hot Chili Peppers steht nebenan
Genau das passiert dann auch. Schon beim altgedienten Hit „Klar“ kocht die Stimmung noch höher. Bei mehr als 30 Grad Außentemperatur mutiert das Konzert zur Sauna-Party. Das kümmert niemanden, alle tanzen ausgelassen, trinken, feiern. Und als Open Air wäre dieser Abend wohl eine Grillparty geworden - davon können die Fans der Red Hot Chili Peppers am Montagabend voraussichtlich ein Lied singen. Deren Open-Air-Bühne steht schon auf der anderen Hälfte des Maimarktgeländes, das nun kaum Schatten bietet.
Dann schon lieber im - immerhin quergelüfteten - Zelt schwitzen. Zumal der Hauptdarsteller seinen Ventilator mit den Fans in der ersten Reihe teilt. Wie heiß es ist, erkennt man schnell: Nach wenigen Minuten hat der sehr auf Stil bedachte „Ober-Styler“ Jan Delay das Jackett abgeworfen und heizt im Unterhemd ein.
In der Tradition von James Brown
Seine mit ihm zwölfköpfige Band glänzt nach allen Regeln des Funk: mit messerscharf akzentuierten Bläsereinsätzen, für die es auch von James Brown keine Prügel geben würde, mitreißenden Rhythmen und drei bewundernswerten Background-Sängerinnen. Wobei das Trio meist vorn steht und anders als üblich gesanglich eine Hauptrolle spielt. Oft in einer Art Dialog mit Delay, aber auch mit witzigen Einwürfen und Ad-Libs.
Bewundernswerte Sängerinnen
Bewundernswert sind die Drei, weil sie trotz großen tänzerischen Körpereinsatzes fast bis zum Schluss in voller Montur über die Bühne wirbeln. Das Erfolgsrezept dieser brillanten Combo: Sie beherrscht das Spiel mit Pausen, die für Spannung und Dynamik sorgen. Elemente aus Reggae, Dancehall, Disco, Soul und Rock machen den Musik-Cocktail durchtanzbar und mit seinen witzigen, spontan aktualisierten Texten extrem unterhaltsam.
Der bestens aufgelegte Haupt-Entertainer ragt natürlich heraus und bestaunt die Energie des Mannheimer Publikums: „Whoah, ihr seid jetzt schon so heftig. Mannheim, immer wieder Mannheim!“, ruft er nach dem zweiten Song. Er hat aber auch das perfekte Festival-Songpaket geschnürt: Das durchaus politische „Spass“ kommt zwar clubbig daher, trotzdem hat Jan Delay recht, wenn er ruft: „Solche Refrains sind gemacht für Momente wie diese.“ Aber die Fans singen auch unaufgefordert ständig. Und bei der Coverversion des Das-Bo-Hits „’Türlich ’türlich „ wird klar, wie sehr Mannheim Bass gebraucht hat - und Disko No. 1 kann liefern.
Gruß ans Heidelberger Weltkulturerbe
Das Ganze geht Schlag auf Schlag. Auch weil Jan Delay die zahlreichen Gastbeiträge in seinen Liedern weglässt. So schrumpft der Beginner-Hit „Ahnma“ auf eine Strophe, das sorgt für Tempo. Ausführlich gefeiert werden seine Hits wie die Reggae-Adaption von „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“, „Feuer“ oder „Oh Johnny“. Aber auch neue Songs wie „Saxophon“ werden intensiv gefeiert. Dabei gelingt das Kunststück, klassische Pop-Saxofon-Soli aus Hits wie „Baker Street“ und „Careless Whisper“ heraus zu filetieren, ohne dass es peinlich wird. Sie werden sogar mitgesungen.
Mit einem warmen Gruß zum immateriellen Weltkulturerbe Heidelberger Hip-Hop geht es in die Schlussrunde, in der Jan Delay zum Aufgussmeister wird. Die Show endet auch programmatisch - mit „Hoffnung“, dem inbrünstig mitgesungenen „St. Pauli“ und Delays traditionellem Abschieds-Werbezitat in der Quadratestadt: „Hamburg-Mannheimer - mehr vom Leben!“
Aus Nora OG wird Kiki
Im Vorprogramm verdient sich eine der vielversprechendsten Popakademikerinnen der jüngsten Zeit lautstarken Applaus und am Merchandising-Stand viel positives Feedback: Sängerin und Rapperin Nora Seidel. Die war bislang bekannt als Nora OG, hat aber den Reset-Knopf für ihre durch die Band ausgebremste Karriere gedrückt. Jetzt spielt sie mit ihrer Band unter dem neuen Namen Kiki. Das mag nach bayrischem Schlager klingen. Die raspelkurz frisierte Westfälin setzt aber auch in ihren neuen, nachdenklicheren Nummern zentral auf Reggae- und Dancehall-Elemente. Das passt perfekt zur hochsommerlichen Stimmung und wird entsprechend bejubelt.
Wer ihr Album „13“ als Nora OG kennt (hier unser Interview dazu), vermisst in den 30 Minuten einige der vielen Ohrwürmer ihres herausragenden Debüts. Ihr bewährtes Live-Medley aus mitreißenden Songs wie „Monopoly“, Pippi OG“, „Piranhas“, „Nora Camora“ und „Slytherin OG“ hätte das Zelt sicher richtig zum Kochen gebracht. So ist ihre Konsequenz in der Umsetzung des Neuanfangs bei dieser großen Chance zu bewundern.
Insgesamt rund 18000 Fans
Insgesamt haben knapp 18 000 Menschen die sechs Konzerte des 7. Zeltfestivals besucht. „Ich bin mehr als zufrieden. Bei immer noch anhaltender Krisenstimmung in unserer Branche haben wir mit tollem Programm und reibungslosen Abläufen sowohl Besucherinnen und Besucher als auch Bands sehr glücklich gemacht. Das ist gerade nicht selbstverständlich“, bilanziert Veranstalter Timo Kumpf. Die Planungen für 2024 liefen bereits.
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