Heidelberg
Ernsthafte Gefahr droht dort aber nicht nur dem Kulturleben: Gerade hat die Regierung das umstrittene „russische Gesetz“ zur verstärkten Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen verabschiedet - wogegen zigtausende proeuropäische Demonstrierende auf die Straße gehen. Schilder mit der Aufschrift „No To Russian Law“ („Nein zum russischen Gesetz“) halten am Georgien-Wochenende des Stückemarkts auch die drei Darstellerinnen am Ende ihrer „Greenhouse“-Performance in die Höhe.
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Dasselbe wird am Abend Paata Tsikolia fordern, Regisseur des Schauspiels „Medea s01e06“, während die Ensemblemitglieder Sandro Samkharadze und Ekaterine Demetradze die georgische und die Europaflagge in Händen halten. Gerade geschehe in Georgien etwas wirklich Wichtiges, etwas Historisches, sagt Tsikolia auf Englisch. „Etwas wirklich Dramatisches“. Hunderttausende Protestierende seien auf der Straße. „Wir versuchen, unsere Freiheit zu beschützen, wir versuchen, zu beweisen, dass wir eine europäische Nation sind. Und wir werden kämpfen und wir werden dieses Kampf gewinnen“, bekräftigt er.
Tänzerinnen tragen zum beeindruckenden Ergebnis bei
Das Theater ist hier ein hoch politischer Ort. Das gilt auch für die Dramatik auf der Bühne: In „Medea s01e06“, ein Gastspiel von Royal District Theatre Tbilisi und dem Georgian Regional Theaters Network (GRTN), überschreibt Tsikolia den Tragödien-Mythos, wie wir ihn von Euripides, Seneca oder Ovid kennen. Der kolchische Prinz Absyrtos (den Sandro Samkharadze in flamboyantem Irrsinn glühen lässt) behauptet hier den Landesverrat seiner Halbschwester Medea (Ekaterine Demetradze) an die Griechen, woraufhin diese gefangen, gedemütigt und vom Kommandanten der königlichen Garde Epope (Gia Burdjanadze) vergewaltigt wird.
Medea wird blutige Rache üben in diesem Stück, das einen fest umfasst, das als glänzendes Sprechtheater von Gräueln und Traumata erzählt, von Macht- und Deutungskampf, wobei es zugleich in hoch ästhetischer Ausdrucks- und Gestaltungskraft von vier Tänzerinnen mitgeformt wird.
Mischung aus Musik, Gesang und Performance
Die Uraufführung „Greenhouse“ (von Open Space/Center for Visual and Performing Arts Tbilisi) setzt zuvor das georgische Märchen der liebreizenden „Anana“ in ihr Zentrum und flicht darum Alltagserzählungen, die von Hausfrauen gesammelt wurden.
Es entsteht ein suggestiver Hybrid aus Musik, Livegesang, visueller Kunst und Theater-Performance, in dem konkrete Schicksale mit der untergründigen Bedrohlichkeit des Unerreichbaren und der Hoffnung auf Überwindung verbunden werden: Ein durchaus eindrücklicher Beitrag zum Georgien-Wochenende auf dem Festival.
Dazu bei trugen dann auch die Lesungen zum „Internationalen Autor*innenpreis“ sowie die Gastspiele „Zwillinge“ (von Giorgi Maisuradze, Laboratory of Performing Arts) sowie „Niko Nikoladze & Sergo Parajanov“ (GRTN, Regie: Elene Matskhonashvili).
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