Mannheim. Dass dieses Konzert am Ende noch als kleiner Triumph durchgehen wird, ist zu Beginn unwahrscheinlich, fast undenkbar. Um kurz nach 20 Uhr betritt Gringo Mayer mit Brian-Molko-Gedächtnis-Sonnenbrille die Hauptbühne der Bundesgartenschau im Spinelli-Park in Mannheim.
„Des is brudal“ heißt der erste Song, und das Gleiche dürfte sich auch die Mannheimer Songwriter-Hoffnung denken, wenn er an die Herausforderung denkt, die an diesem Abend auf ihn wartet.
Auftritt mit ZDF-Fernsehgarten-Ambiente
Denn wo sonst mittlerweile regelmäßig eine erwartungsfrohe und textsichere Fanbase Mayer zu seinen Auftritten empfängt, sitzen große Teile der nach Buga-Angaben 2500 Zuschauer auf Spinelli nicht nur fest auf ihren Plätzen, sondern machen zu Beginn auch nicht den Eindruck, mit dem Material des gebürtigen Ludwigshafeners viel anfangen zu können.
Aber dieses ZDF-Fernsehgarten-Ambiente soll sich im Laufe des Abends noch in einen brodelnden Konzertkessel verwandeln - was die integrative Kraft demonstriert, die der regionale Volkstribun Mayer zwischen Indie-Menschen, Party-Volk und dem kurpfälzischen Otto Normalo längst besitzt.
Humoriger Beobachter des täglichen Wahnsinns
Die erste Hälfte des Auftritts dominiert das mit Fans und seiner Kegelband eingeübte Material vom jederzeit schlagkräftigen Debüt „Nimmi Normal“, das in Mannheim und Umgebung sowieso längst in jedem Setting überragend funktioniert. Mayer als schwarzhumoriger Beobachter des alltäglichen Wahnsinns, der den spießigen Nachbarn in „Ruh do driwwe“ einen bitterbösen Spiegel vorhält und in „Alla Hopp“ eine auf den Punkt gebrachte Absage an den kapitalistischen Leistungsgedanken formuliert.
Das gesetztere Publikum auf den Sitzplätzen klatscht rhythmisch, und eine Gruppe von an ihren Trikots erkennbaren Waldhof-Fans am Bühnenrand dreht die Stimmung erstmals sanft in Richtung Euphorie.
Gringo Mayer mit klaren politischen Aussage
Das Erstaunliche ist aber, dass Gringo sie am Ende alle bekommt. Und dass vor allem mit Songs von seiner neuen Platte „Ihr Liewe Leit“, die erst am Freitag erscheint. Die Ska-Reggae-Anklänge im tanzbaren „Immer mol ä bissi“ stehen dafür sinnbildlich.
Mayer trägt zwar dem für ihn ungewohnten Rahmen Rechnung, in dem er die Zuhörer auf Spinelli siezt, aber ansonsten keine Kompromisse eingeht. Was ein Rentner-Ehepärchen aus Hannover über Mayers Korpulationsgeste bei „Gibt’s do net“ denken könnte, ist nicht überliefert.
Kampf gegen "Riesen-Arschlöcher"
„Ich bin scho a Verrickter, aber ich steh dazu“, sagt der Ludwigshafener vor „De Deifel soll se hole“, bevor er eine Abrechnung mit den „Menschenfeinden“ vom rechten Rand folgen lässt. „Es sind schwierige Zeiten und wir müssen aufpassen, dass die Riesen-Arschlöcher nicht übernehmen. Lasst uns zusammenhalten.“ Großer Applaus.
Bei „Oh Jesses“ vom neuen Album ist der Bereich vor der Bühne bereits voll mit tanzenden Menschen, auch auf den Sitzplätzen hält es beim vielleicht größten Hit, den Mayer bisher geschrieben hat, niemand mehr. Die Sonne ist untergegangen, die Gringo-Mayer-Party nimmt ihren Lauf.
Die neue kurpfälzische Nationalhymne „Ahjoo“ führt zum erwartbaren Wechselgesang mit der Menge, am Ende bleibt noch Zeit für das herzerwärmende „Allää“ von „Ihr Liewe Leit“. Und was sollen wir sagen? Es ist ein großartiger Song, der einen schönen Spätsommerabend beschließt. Gringo Mayer kann auch triumphieren, wenn die Rahmenbedingungen vermeintlich gegen ihn sprechen.
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