Filmkunst und Politik: Dass die Kombination keinen Widerspruch bildet, versteht sich eigentlich. Eine erneute Bestätigung dafür lieferte die Preisverleihung des Filmfestivals im Heidelberger Luxor-Kino. Für die Filmkunst möchte das Festival insgesamt einstehen; besonders taten es am Donnerstagabend die Preisträger, allen voran der „Newcomer Award“-Gewinner „You won’t be alone“ des mazedonisch-australischen Regisseurs Goran Stolevski.
Und politische Akzente setzte nachdrücklich der streitbare iranische Filmemacher Mohsen Makhmalbaf, der der Preisjury angehörte und auf die anhaltenden Proteste gegen das Mullah-Regime in seiner Heimat hinwies. Gemeinsam mit den weiteren Jury-Mitgliedern – Schauspieler Christoph Bach und Casting-Direktorin Antoinette Boulat – bescheinigte er dem Preisträger-Film einen „zutiefst humanen Charakter“; zudem erweitere er „die Grenzen des Kinos“. Das Spielfilmdebüt ist der wohl ungewöhnlichste und künstlerisch radikalste Beitrag des diesjährigen Wettbewerbs „On the Rise“ gewesen. Es ist gleichsam ein poetischer Horror-Film, der dem Weg einer jungen Hexe folgt, die sich in diverse menschliche Wesen verwandelt, um sich schließlich ihrer fantastischen Existenz und Hexenmutter zu verweigern.
Wichtigste Preisträger
- International Newcomer Award (30 000 Euro): „You won’t be alone“ von Goran Stolevski.
- Rainer Werner Fassbinder Award (für bestes Drehbuch, 10 000 Euro): Youssef Chebbi und François-Michel Allegrini für „Ashkal“.
- FIPRESCI Award (5000 Euro): „The Maiden“ von Graham Foy.
- Student Award (5000 Euro): „The Maiden“ von G. Foy.
- Preis der ökumenischen Jury (2500 Euro): „Valeria is getting married“, Michal Viniks.
- Publikumspreis (5000 Euro): „Joyland“ von Saim Sadiq.
Die im 19. Jahrhundert in Mazedonien angesiedelte mythische Geschichte hinterfragt nicht zuletzt auch Geschlechterrollen und überhaupt sexuelle Identitäten. Die Festivalmacher haben den Film mit den poetischen Kinomeditationen eines Terrence Malick verglichen. Das ist natürlich hoch gegriffen, tatsächlich aber wirkt dieses Debüt des zuvor auf Kurzfilme abonnierten Regisseurs erstaunlich ausgereift. Und der Vergleich mit Malick verdeutlicht den Charakter des Films durchaus, jedenfalls stellenweise, weil in ihm andererseits die zauberhaft-visionären Bilder regelmäßig durch Splatter-Elemente kontrastiert werden.
Positive Reaktionen auf Programm
Stolevski, der sich in Heidelberg dankbar und hocherfreut über den Preis zeigte, feiert die schönen Momente des Lebens. Er zeigt aber zugleich, dass es immer wieder Kämpfe gegen lebensfeindliche Tendenzen auch im eigenen Charakter auszutragen gilt. So lässt sich das durchaus auch rätselhafte Filmwerk ungefähr verstehen, das in einer Art innerer Monolog der Hexe nicht zuletzt die Frage aufwirft: „Was ist nicht seltsam, wenn man darüber nachdenkt?“ – und das vielsagend mit der Frage endet: „Und jetzt?“. Im Vergleich zu Stolevskis Film blieben die weiteren Preise eher konventionellen Werken vorbehalten. Der Facettenreichtum des Festivaljahrgangs wird damit recht treffend umrissen.
Festival-Direktor Sascha Keilholz berichtete von positiven Reaktionen auf das Programm von internationalen Gästen sowie zahlreichen Zuschauern aus der Region. Einen Kontrapunkt zur Feierlaune, der gleichwohl zum Profil des am Sonntag endenden Festivals passt, setzte Makhmalbaf mit seinem Bericht aus dem Iran: Eine auch von Künstlern getragene demokratische Revolution sei im Gange, die das Regime äußerst brutal zu unterdrücken versuche. Während dieses von China und Russland unterstützt werde, hielten sich westliche Staaten noch immer zurück. „Wir brauchen echte Unterstützung“, rief er ins Publikum, das ihm dafür reichlich Beifall spendete.
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