Kabarett

Dieter Nuhr im Mannheimer Rosengarten: Kein Wort zu Böhmermann

Fettnäpfchen ziehen ihn magisch an: Kabarettist Dieter Nuhr begeistert sein Publikum mit „Kein Scherz“ im ausverkauften Mannheimer Rosengarten. Vehement lehnt er wabernde Weltuntergangsstimmung ab

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Dieter Nuhr greift seit Jahrzehnten gesellschaftliche Debatten auf – so auch auf der Bühne im Rosengarten. © Thomas Tröster

Tosenden Zwischenapplaus, den erntet Dieter Nuhr nicht nur einmal während seines Programms „Kein Scherz“. Im ausverkauften Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens - auch die Empore ist knallvoll - begeistert der Kabarettist jene Fans, die ihn als Speerspitze gegen Gendern, Verweichlichung, Klimaaktivismus und Wokeness im Sinne einer überzogenen Form von Political Corectness empfinden.

Wird der so erfolgreiche, wie auch angefeindete 62-Jährige bei seinem Gastspiel auf den „öffentlich-rechtlichen Comedy-Krieg“ eingehen, wie es ein Magazin formuliert? Diese Frage dürften sich im Publikum so manche stellen. Schließlich hat zwei Tage zuvor für Wirbel gesorgt, dass Jan Böhmermann auf seinem Sendeplatz „ZDF Magazin Royale“ den bei der ARD beheimateten Dieter Nuhr parodieren ließ - und zwar von dem Schauspieler und Comedian Sebastian Rüger derart echt, dass nicht allen im Wohnzimmersessel die Persiflage aufgefallen sein dürfte. Ob nun genial oder hämisch, darüber driften die Meinungen auseinander: Gespalten ist nicht nur das Fernsehsehpublikum - auch die Medienlandschaft.

Von Elternmilch und Apokalypse

Um es gleich vorweg zu nehmen: Der in die rechte Ecke gestellte 62-Jährige hält es mit seinem früheren Programmtitel „Nuhr die Ruhe“ und geht auf den Satire-Glaubenskrieg, bei dem auch andere bekannte Comedians durch den Kakao gezogen wurden, auf der Rosengarten-Bühne erst gar nicht ein. Ohnehin dürfte die Mehrheit seiner Fans nicht zu den Männern und Frauen gehören, die am späten Freitagabend die Late-Night-Satire mit Jan Böhmermann anschauen, der es bekanntlich mit einem Schmähgedicht geschafft hat, den türkischen Staatspräsidenten Erdogan gegen sich aufzubringen.

Von solcherlei Polemik als Stilmittel ist Dieter Nuhr weit entfernt - wenngleich auch er keineswegs vom diplomatischen Dienst ist, wenn ihn etwas nervt. Beispielsweise belehrendes Gendern. „Das geht mir auf den Sack!“ Dass Muttermilch von einer Klinik neuerdings als Elternmilch bezeichnet wird, und Rapper aus Gleichberechtigungsgründen dem besungenen Hurensohn „eine Hurentöchterin“ zur Seite stellen sollen, findet er geradezu „bekloppt“ - was wohl auch für das johlend applaudierende Publikum gilt.

Dieter Nuhr mischt auch bei politischen Debatten kräftig mit

Seit gut drei Jahrzehnten mischt Dieter Nuhr nicht nur bei gesellschaftlichen, sondern auch politischen Debatten kräftig mit. Ja, er habe einmal zu den Gründungsmitgliedern der Grünen gehört, verrät der Kabarettist ein offenes Geheimnis. Dass er sich längst von der Partei, die sich einst mit der Sonnenblume stilisierte, entfernt hat, signalisieren seine Seitenhiebe auf Annalena Baerbock, deren „feministische Außenpolitik“ er als so gar nicht lustige Lachplatte empfindet.

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Ursprünglich hat sich Scherz von „Scharz“ im Sinne von Sprung hergeleitet. In seinem Programm „Kein Scherz“ ist der Kabarettist in der Tat stets plaudernd sowie hin und her laufend auf dem Sprung - von einem Thema zum anderen. Da darf natürlich der seit langem heraufbeschwörte Weltuntergang nicht fehlen. Nuhr verliest eine ganze Liste von vermeintlichem Weltuntergang-Potenzial, an dem er eigentlich längst hätte sterben müssen.

Vehement lehnt der „alte weiße Mann“, wie er sich gern selbst bezeichnet, wabernde Weltuntergangsstimmung ab. Und da ist natürlich der „Scharz“, äh Sprung zu Klimaaktivisten nicht weit. Natürlich sei das sich veränderte Klima eine riesige Bedrohung wie Herausforderung, versichert er. Aber das Problem könne nur international gelöst werden. Geradezu lächerlich findet Nuhr das Argument, „wir Deutschen müssen den Chinesen als Vorbild vorangehen“. Dort hätten die Zeitungen nicht einmal mehr einen Europateil.

Fettnäpfchen ziehen ihn magisch an

Auch wenn sich Nuhr über Shitstorms gegen ihn beklagt - „darauf habe ich eigentlich gar keine Lust mehr“. So ziehen ihn Fettnäpfchen magisch an. Seinen alten Witz „Ich bin gespannt, was Greta macht, wenn es kalt wird. Heizen kann es ja wohl nicht sein“ , preist er mit Blick auf die Energiekrise als „geradezu visionär“. Und sein Lästern über die Leibesfülle der Grünen-Chefin Ricarda Lang begründet er damit, dass er nur die angebliche Ernährungskompetenz der Politikerin gemeint habe. In einem anderen Sketch versichert Nuhr, ihm sei egal, ob jemand dick, dünn, hetero oder schwul sei - Hauptsache kompetent und pünktlich. Vor allem wenn er einen Klempner-Dienst ruft.

Ob sich die von ihm beklagten Humorpolizisten in den Saal gemogelt haben, geht in der Begeisterung unter. Jedenfalls kein einziger Buh-Ruf. Und für den Nachhauseweg gibt es eine buddhistische Weisheit: „Gesundheit ist die längste Form von Sterben.“ Ob dies auch für den Klimawandel gilt, lässt Nuhr offen.

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