Lampertheim. Dieter Nuhr ist mit guten Vorsätzen nach Lampertheim gekommen. „Ich werde heute Abend alles weglassen, weswegen Leute beleidigt sein könnten“, kündigte er an und machte eine bedeutsame Pause: „Das war’s dann, schön, dass Sie da waren.“ Zu diesem Zeitpunkt war er schon mittendrin in seinem aktuellen Programm und hatte sich bereits „um Kopf und Kragen geredet“, wie er selbst befürchtete. Fast zwei Stunden lang lieferte der Kabarettist einen Rundumschlag gegen Genderwahn, Klima-Fanatismus und den allgemeinen Empörungszirkus.
Auf der Fahrt nach Lampertheim habe er sich am meisten auf die Architektur gefreut, erzählte er zur Begrüßung. „Unfassbar funktional“, konnte er sich einen Seitenhieb auf die Hans-Pfeiffer-Halle nicht verkneifen. In lockerem Plauderton begegnete Nuhr dem Zeitgeist der allgemeinen Besserwisserei mit gelassener Heiterkeit und nahm falsch verstandene „Political Correctness“ aufs Korn. Die Zuschauer folgten ihm amüsiert bei seinen Streifzügen in die Welt der Pandemie, der Elektromobilität und dem Zustand der Bundeswehr.
Grenzen der Verkehrswende
Viel Zeit nahm er sich für einen Exkurs in die Umwelt- und Wirtschaftspolitik. Durch Annalena Baerbocks feministische Außenpolitik habe man im Ausland gemerkt: „Die Deutschen haben ja doch Humor.“ Wodurch qualifiziere sich Robert Habeck eigentlich als Wirtschaftsminister? „Klar wir haben Fachkräftemangel, aber…“, erwies sich Nuhr als Meister der andeutungsvollen Halbsätze. Öffentliche Verkehrsmittel und Lastenfahrräder funktionierten möglicherweise in Berlin. Für Menschen auf dem Land, wo „der Bus nur bei Vollmond fährt“, sei es allerdings schwierig, auf ein Auto zu verzichten, sezierte er die Pläne zur Verkehrswende.
„Deutschland ist nur mit zwei Prozent am weltweiten CO2-Ausstoß beteiligt“, stellte Nuhr klar. Solange die Kohlendioxid-Großverschmutzer China und USA nicht mitmachten, seien die Bemühungen Deutschlands unbedeutend, ärgerte er sich über die Weltretter-Attitude. „Die Aktivisten haben sich auf den falschen Autobahnen festgeklebt“, fügte er lakonisch hinzu. Auf die Akteure der „Letzten Generation“ war er nicht gut zu sprechen, hatte aber zumindest eine Erklärung zu ihrer Namensgebung parat: „Wir haben in deren Alter rumgemacht, die kleben sich fest“, so Nuhr, „wie wollen die sich fortpflanzen?“
„Egal wie das Jahr wird, die Deutschen haben schlechte Laune“, bedauerte der 62-Jährige. Wer sich im letzten Sommer über das schöne Wetter gefreut habe, galt bereits als Klimaleugner. Die Grundstimmung sei momentan eher zäh und man begegne Menschen, die schon jetzt Eier abkochten, weil sie nicht wüssten, ob es an Ostern noch Strom gäbe. Für Schenkelklopfer war sich Nuhr zu schade, sogar seine Peniswitze hatten Niveau. Kürzlich habe er ein Buch über toxischen männlichen Städtebau gelesen, berichtete der selbst ernannte Feminist. Wenn Hochhäuser als Phallussymbole interpretiert würden, frage er sich, ob das weibliche Geschlechtspendant die Tiefgarage sei?
„Der Mensch ist nicht vom Verstand gesteuert, sondern vom Irrsinn“, befürchtete der Kabarettist und war damit schnell beim Genderwahnsinn angelangt. Wenn er einen Handwerker beauftrage, sei es ihm egal, ob der hetero- oder homosexuell sei, „ein pünktlicher Klempner, das wäre interessant“. Nicht nur Gesten und Sprache, selbst Blicke könnten heutzutage als übergriffig aufgefasst werden, meinte er.
Mittlerweile sei man „zwischen Vorspiel und Liebesakt gezwungen, kurz die allgemeinen Geschäftsbedingungen zu klären“.
Ängstliche Helikoptereltern
Nichts und niemand war vor Nuhrs Spitzen sicher. Scharfzüngig schilderte er Helikoptereltern, die ihre bettnässenden Sprösslinge mit „Experimenten in Strömungstheorie“ entschuldigten. Früher seien Kinder nicht so überbehütet aufgewachsen und durften sich noch in Wettbewerben messen. „Wer scheiße spielte, wurde nicht in die Mannschaft gewählt“, erinnerte er sich. Die Welt sei in einem bedenklichen Zustand, musste der vielfache Kleinkunst-Preisträger zugeben. Man solle sie aber nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihres baldigen Endes betrachten, riet er. Selbst Skandale wie das Ozonloch, Handystrahlung und Stickoxid hätten nicht zum Untergang geführt, entlarvte er die gesellschaftliche Empörung. „Es gibt Probleme, doch man kann sie angehen“, so Nuhrs Botschaft.
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