Interview

„Die Chancen auf ein Maifeld Derby 2026 stehen maximal 50:50“

Maifeld-Derby-Veranstalter Timo Kumpf formuliert einen Förderbedarf von 200 000 bis 300 000 Euro, damit „Europas bestes kleines Festival“ weiterhin in gewohnter Qualität in Mannheim stattfinden kann

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Aushängeschild der Musikstadt Mannheim: das Maifeld Derby auf dem Maimarktgelände. © Florian Trykowski

Mannheim. Herr Kumpf, 2025 veranstalten Sie zum 14. Mal das Maifeld Derby. Das ist sicher?

Timo Kumpf: Ja. 2025 ist bereits im Vorverkauf.

Aber ob es 2026 eine 15. Auflage ihres mehrfach ausgezeichneten Indie-Pop-Festivals geben wird, ist sehr unsicher, wie man hört …

Kumpf: Die Chancen stehen maximal 50:50, würde ich zurzeit sagen.

Sie haben aus persönlichen Gründen schon einmal pausiert. Woran liegt es jetzt und sprechen wir über ein endgültiges Aus des Festivals?

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Kumpf: Es wird letzten Endes auf Förderzusagen ankommen. Alle anderen Wege sind ausgeschöpft. Weil es klar ist, dass ich es aus eigener Tasche, aus eigener Kraft nicht mehr schaffe – in der Form, wie es ist, das amtierende Best Small Festival Europas zu organisieren. Die Besonderheiten des Maifeld Derbys sind eine gewisse Internationalität, eine gewisse Exklusivität und die nichtkommerzielle Ausrichtung. Um das zu erhalten, sind wir einfach auf öffentliche Gelder angewiesen. Und ich sehe das auch als wichtige und richtige Investition, da sowohl die gesellschaftlichen-, als auch die wirtschaftlichen Mehrwerte exponentiell höher sind.

Zuletzt haben sie 100 000 Euro pro Ausgabe von der Stadt Mannheim bekommen. Würde das ausreichen, wenn es als verlässliche institutionelle Förderung im Haushalt festgeschrieben wird?

Kumpf: Nein. Ich hatte jetzt erstmalig eine Förderzusage über zwei Jahre, für 2024 und 2025 jeweils 100 000 Euro. So bin ich zwar diesem Teufelskreis entkommen, jedes Jahr wieder von vorne anfangen zu müssen.

Das klingt doch erstmal gut.

Kumpf: Aber wir hatten bei der Ausgabe 2024 sowohl die Wetterthematik, die uns immer die Bilanz verregnen kann, als auch die seit Pandemie und Ukraine-Krieg absurd steigenden Kosten von 50 bis 300 Prozent. Viele dieser Mehrkosten wurden auch nach Corona aufgefangen durch Bundesmittel. Diese wird es künftig nicht mehr geben. Sie haben letzten Endes dafür gesorgt, dass es bis jetzt ging. Und ich habe bisher immer über vermeintlich kommerzielle Konzerte im Rahmen des Zeltfestivals das Derby querfinanziert.

Und das ist zu unberechenbar geworden?

Kumpf: Ja, das funktioniert nicht mehr.

Steht das Zeltfestival demnach auch in Frage?

Kumpf: Das Zeltfestival gibt es 2025 auch, es sind bereits Konzerte im Vorverkauf. Die beiden Veranstaltungen hängen einfach zusammen, weil es um Kostenteilung geht – etwa beim Anmieten des Zeltes. Diese Kostenteilung war in den letzten neun Jahren der wichtigste Punkt bei der Finanzierung des Maifeld Derbys. Das heißt auch, bei dieser Drei-Tages-Veranstaltung mit insgesamt 15 000 Besucherinnen und Besuchern waren noch nie mehr als zwei Personen fest angestellt, meistes war es ein Ein-Mann-Projekt mit vielen Ehrenamtlichen und etwas Zuarbeit von den Mitarbeitenden des Zeltfestivals oder von meiner Agentur Delta Konzerte. Neben viel Zeit und Selbstausbeutung habe ich so über die Jahre mehrere Hunderttausend Euro zum Derby zugeschossen.

Von der Popakademie zum European Festival Award: 2024 wurde Timo Kumpfs Indie-Pop-Festival Maifeld Derby in Groningen ausgezeichnet. © Paul Ramisch

Wäre es dann nicht sinnvoller, alles zum Beispiel über Delta Konzerte zu veranstalten. Es ist ja letztlich doch derselbe Topf, oder?

Kumpf: Es ist nicht ein Topf. Das Maifeld Derby ist eine gemeinnützige GmbH, da kann nur etwas hinein fließen, nichts raus. Bisher war ich quasi tagsüber bei Delta Konzerte arbeiten, um mir so das Derby zu finanzieren. Mit dem Ergebnis, dass wir nun zu Europas „Best Small Festival“ gewählt wurden und auch das Aushängeschild der Stadt und Region in diesem Segment sind. Außerdem wurde ich bereits in mehr als zehn Länder eingeladen, weil das Festival auch international über einen Top-Ruf verfügt. Ich habe 2020 eine Pause eingelegt, um selbst zur Ruhe zu kommen und das alles neu zu strukturieren. Dann kam die Pandemie und jetzt gab es drei Jahre lang Überlebenskampf. Ich glaube, was wir in diesen drei Jahren geleistet haben, war eigentlich unmöglich.

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Inwiefern?

Kumpf: Allein schon in der Pandemie haben wir 2021 beim Derby meines Wissens die größte Kulturveranstaltung in Baden Württemberg gemacht. Dazu gab es das Zeltfestival, eine Konzertreihe am Stromwerk und die Picknickkonzerte in Ladenburg. Alles finanziert mit Projektförderungen des Bundes. Wir haben hier unsere Branche unterstützt, dem Publikum etwas geboten und auch Stadt und Land sehr positiv geprägt. Selbst die Initiative Musik hat uns anerkennend mitgeteilt, dass bundesweit kaum jemand so viel für die Gesellschaft mithilfe dieser Fördermittel geleistet hat wie wir. Und damit konnten wir auch weitere Mittel gewinnen.

Können Sie konkrete Beispiele dafür nennen?

Kumpf: In diesem Jahr gab es zum Beispiel 40 000 Euro von der Baden-Württemberg Stiftung aus dem Programm „Burning Bridges“. Da geht es um das Abfedern der gestiegenen Kosten durch den Brexit für ein internationales Programm wie unseres. Eine englische Band, egal aus welchem Segment, klein oder groß – die kostet heute einfach das Doppelte. Allgemein ist einfach alles teurer geworden: die Reisekosten, Flugkosten et cetera. Dann haben wir 20 000 Euro vom Bund bekommen. Das hat uns dabei geholfen, die Diversität aufrechtzuerhalten auf dem Gelände, durch kleinere Bühnen. Was Gender betrifft, waren wir 2024 fast paritätisch. Wir haben Künstlerinnen und Künstler gehabt aus 19 Ländern und fünf Kontinenten. Wir haben auf eine hohe Sichtbarkeit von Trans und queeren Personen geachtet. Auch mit Hilfe dieser Gelder. Die Wirtschaftshilfen wie Neustart Kultur sind ausgelaufen, aber die erhöhten Kosten bleiben.

Wie hoch waren die Bundesmittel?

Kumpf: 2022 und 2023 waren das je 150 000 Euro für Maifeld Derby und Zeltfestival. In dessen Rahmen haben wir in dieser Zeit auch neue Formate geschaffen, wie DasDing-Festival. Das ist mittlerweile das größte Jugendkulturevent der Metropolregion. Oder das Süd-Süd-Fest von und mit Rapper OG Keemo ein genuines Mannheimer Event. Also haben wir aus der Krise heraus, viel Neues kreiert.

Also leiten sie aus der gewachsenen Qualität Ihrer Angebote, den gestiegenen Kosten und den Wegfall überregionaler Unterstützung einen Anspruch auf dauerhafte Förderung durch die Stadt Mannheim ab. In welcher Höhe?

Kumpf: Ja. Ich erhoffe mir im Doppelhaushalt 200 000 Euro für 2025, und ab 2026 verlässlich 300 000 Euro. Die genannten Bedarfe sind auch keineswegs ausreichend, um auf Nummer sicher zu gehen. Aber nur mit diesem Grundsockel können wir einen guten Job machen und weitere benötigte Mittel akquirieren. Sonst lässt sich das Angebot auf diesem Niveau nicht aufrechterhalten. Zumindest das Maifeld Derby mit einem Gesamtetat von circa einer Million Euro endet dann 2025.

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Maifeld Derby, Zeltfestival und Delta Konzerte

  • Zur Person: Timo Kumpf wurde 1981 in Weinheim geboren. Nach einem Versuch mit BWL studierte er Musikbusiness an der Popakademie. Dort wurde er auch Bassist von Konstantin Groppers Band Get Well Soon.
  • 2011 begründete er das bundesweit und international ausstrahlende Maifeld Derby auf dem Mannheimer Maimarktgelände. Das mehrtägige Indie-Pop-Event mit bis zu fünf Bühnen gewann u.a. 2024 den European Festival Award als „Best Small Festival“ mit bis zu 10 000 Besucherinnen und Besucher pro Tag. Das Derby hat einen Etat von rund 1 Million Euro.
  • Die 14. Ausgabe des Maifeld-Derby läuft vom 30. Mai bis 1. Juni 2025. Das Programm steht noch nicht fest. Drei-Tages-Tickets gibt es unter www.maifeld-derby.de zum Preis von 140 bis 175 Euro. Für Kinder gibt es Ermäßigung.
  • Beim um den Derby-Termin herum programmierten 9. Zeltfestival Rhein-Neckar sind bisher drei Termine im Vorverkauf: OG Keemos Süd Süd Fest (14. Juni), Gringo Mayer und Freunde (21. Juni) und ein Konzert von Fury In The Slaughterhouse (27. Juni). Mehr unter zeltfestivalrheinneckar.de

Was mit Ausnahme von Glücksgefühle in Hockenheim ein Trend zu sein scheint. Viele Festivals haben Probleme oder hören auf. Was ist die Ursache?

Kumpf: Das Festivalsterben ist in Deutschland ausgeprägt, in den Ländern drumherum noch stärker. Ich war gerade bei einer Tagung in London. Da war die Rede von rund 100 britischen Festivals, die aufgegeben haben sollen. Hauptgrund sind auf jeden Fall die Produktionskosten. Ein weiterer Grund ist, dass quasi eine Generation fehlt – die Jugendlichen, die während der Pandemie zwei Jahre zuhause sitzen mussten und nicht an die Materie heran geführt wurden. Selbst kommerzielle, nachfrageorientierte Großfestivals haben es zurzeit schwer. Aber in Deutschland gehören diese Events oft zu börsennotierten Großunternehmen mit langem Atem. Und das Maifeld Derby hatte noch nie ein kommerzielles, sondern ein kuratiertes Programm, auch mit einem gewissen Bildungsauftrag. Nur so haben wir diesen Ausnahmestatus erreicht.

Also bieten Sie beim Derby kein Unterhaltungsprogramm, sondern wollen quasi zur Geschmacksbildung beitragen? Ähnlich wie das Nationaltheater oder Enjoy Jazz?

Kumpf: So sehe ich das zumindest. Es sind prägende Acts, die bei uns spielen. Das Programm hat eine gewisse Zeitlosigkeit, eine Zukunftsvision, außerdem Qualität und Authentizität – die ist das, was zurzeit generell fehlt. Wenn momentan etwas Erfolg hat, ist es meistens sehr trashig und stumpf. Musik verkommt hier zum reinen Konsumgut.

Was erwarten Sie also konkret von der Kultur- und Musikstadt Mannheim? Mehr als nur Geld? Immerhin ist speziell das Maifeld Derby zuletzt die neue Veranstaltung mit der größten Strahlkraft. Da Sie Absolvent der Popakademie sind, ist das Festival auch ein Ergebnis der Kulturpolitik, die der Stadt das Unesco-Etikett City of Music eingebracht hat.

Kumpf: Was heißt erwarten? „Ich glaube, dass ein Ende des Maifeld Derbys der Stadt Mannheim auf Sicht mehr schaden würde als mir. Ich werde den Bedarf formulieren, der notwendig ist. Das kann ich ja mit Zahlen untermauern. Und dann muss man entscheiden, ob das Maifeld Derby weiterhin in Mannheim stattfinden soll.

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Sie gehen also am 9. Oktober in die Sitzung des Kulturausschusses und setzen der Stadt die Pistole auf die Brust?

Kumpf: Ich werde niemandem die Pistole auf die Brust setzen. Sondern ich werde darstellen, wo das Festival steht, was es für einen Stellenwert hat, was die Mehrwerte für die Stadt sind und mit welch schlanken Strukturen ich das erreicht habe. Normalerweise benötigt man übers Jahr fünf oder sechs Personen, um so etwas wie das Maifeld Derby aufzustellen. Mit entsprechend wesentlich höheren Kosten oder Investitionen als das, was ich dafür benötige. Daher erachte ich meinen Bedarf als absolut bescheiden und angemessen. Ich hab kleine, hocheffiziente Strukturen und die sollen auch klein bleiben. Aber ich muss das Festival zumindest auf einen gesunden Sockel stellen. Letzten Endes sehe ich das so: Wenn die Stadt das honoriert und weiterhin möchte, dann wird sie auch in solch fordernden Zeiten Wege finden. Und wenn sie es nicht sieht, dann muss ich die Reißleine ziehen. Aus Vernunft. Ich hab auch mit 43 Jahren nichts von meiner Leidenschaft eingebüßt und stecke die auch gerne weiter ins Maifeld Derby. Aber ich kann und will mich dafür nicht mehr komplett aufopfern.

Das ist letztlich durchaus ein Ultimatum.

Kumpf: Man kann sagen, das ist dann etwas subtiler, die Pistole auf die Brust gesetzt. Aber darum geht es mir nicht. Niemand muss Angst haben, dass sich irgendjemand beim Derby bereichert. Die Stadt Mannheim profitiert von der Veranstaltung. Zum einen als absolutes Aushängeschild in dem Bereich und zum anderen mit ganz großer Strahlkraft auch auf die sonstigen musikalischen Aktivitäten.

Sie sind mit Delta Konzerte auch abseits des Derbys einer der aktivsten Veranstalter in der Region. Das Konzertprogramm im nächsten halben Jahr ist schon allein quantitativ sehr überschaubar. Woran liegt das?

Kumpf: Es fehlt in dem Bereich auch an Infrastruktur, auch mediale Strukturen sind weggebrochen. Es gibt keine wirkliche Konzertkultur. Und ich glaube auch, dass es sich ohne Maifeld Derby noch mal deutlich zurückentwickeln würde. Ich erinnere mich an meine Jugend oder die Studienzeit an der Popakademie, da gab es in gewissen Segmenten fast nichts. Das hat sich auch mit durch das Derby so entwickelt, wie wir es jetzt als normal empfinden. Ich sehe uns schon als Motor für die Entwicklung, zumindest was etwas zeitgemäßere und relevantere Popmusik betrifft. Definitiv. Das sieht man ja auch zum Beispiel am Programm der Alten Feuerwache in diesem Bereich, welches wir maßgeblich nach vorne gebracht haben.

Ein Zauberwort ist Umwegrentabilität: Also was für Umsätze generiert eine Veranstaltung für die Stadt, in der sie stattfindet. Was leistet das Derby in diesem Punkt?

Kumpf: Wir haben 2016 mit einer renommierten Agentur über das Stadtmarketing eine Umwegrentabilität von einer Million Euro ermittelt. Die dürfte jetzt höher – vermutlich doppelt so hoch – sein. Nicht, weil wir jetzt mehr Publikum haben, sondern weil einfach die Preise und Umsätze gestiegen sind. Und ich kann mir grob ausrechnen, was allein über die Mannheimer Parkhausbetriebe in der Stadt bleibt. Insofern ist diese Förderung letztlich ein „Von einer Tasche in die andere“-Geschäft. Und ich sehe ja, was andere Institutionen bekommen. Ich glaube, es ist eigentlich ein Segen für die Stadt, so etwas in so schlanken Strukturen zu haben. Das könnte niemals mit einer städtischen Initiative oder einem Businessplan erreicht werden. Es hat nur funktioniert, weil es irgendwie schon ein Liebhaberprojekt war.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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