Mannheim. Klassische Galerienbetriebe haben es nicht leicht. Was früher eine wichtige Institution war, um Künstler zu entdecken und zu begleiten, hat heute oft schon Probleme, den Ausstellungsraum zu halten. Kim Behm und Friedrich W. Kasten suchen seit Jahren - der Internetauftritt ist zwar unentbehrlich, aber der öffentliche Zugang zu Originalen bleibt eine wichtige kulturelle Leistung. Nun verlässt auch Döbele Mannheim die Räume in der Leibnizstraße 26 und zieht sich aufs bisherige Schaudepot Richard-Wagner-Straße 51 zurück - auf Ausstellungen muss bis Jahresende verzichtet werden.
Die 28. Mannheimer Galerientage sind für die Szene eine Chance, zumindest für drei Tage zu zeigen, was oft hinter den Kulissen bleibt - wie groß und stabil das Potenzial trotz aller Widrigkeiten ist, zeigt sich einmal mehr. Erstmals kommt der Port25 Raum für Gegenwartskunst hinzu, und dass die Geschäftsführerinnen Kim Behm und Yvonne Vogel die Galerientage mit weiteren Exponaten der drei Künstler bestücken, die zurzeit im Port25 zu sehen sind, reduziert die Neugier kein bisschen - die Malerei von Maximilian Martinez, die plastisch-malerischen Arbeiten von Jutta Steudle wirken auch auf engerem Raum und in kleineren Formaten. Dass sich von Vroni Schwegler wieder eine Installation mit Vögeln von der Decke bis auf den Boden erstreckt, ist nur eine Freude mehr.
Auf der Galerie schließt sich Peter Zimmermann an mit neuen Bildern von Thomas Ganter, der mit Porträts von Frankfurter Obdachlosen Aufsehen erregte. Die einfühlsame Porträtmalerei behält er bei, erweitert durch Stillleben-Motive. Daneben entstehen kleinformatige Serien mit Szenen aus der Alltagswelt: Menschen starren aufs Handy, sitzen beisammen auf einer Bank, Vertreter der „Letzten Generation“ werden von der Polizei abgeführt. Diese Bilder haben wegen ihrer Realitätsnähe und gleichzeitig farblichen Reduktion ins Graugrün etwas Erschreckendes: Die Polizeiopfer scheinen sich unter den grünlich gruppierten Amtsträgern fast aufzulösen in grellem Weiß und zugleich als „Lichtgestalten“ zu behaupten. Zum Jahresende plant Zimmermann eine Einzelschau in der Galerie.
Kraftvolle Dynamik in Gouachen
Linde Hollinger aus Ladenburg ist mit Schmiedearbeiten und großformatigen Gouachen von Markus F. Strieder vertreten. Was beim ersten Blick kaum zusammengehört, erweist sich als sinnvoll auf beiden Ebenen: Die geschmiedeten kleinen Blöcke („Empilements“) haben immer auch kurvige Flächen und lassen sich teils variabel übereinander türmen. Rundformen und an Feuerglut erinnernde Farbpartien geben den Schichten der Gouachen eine kraftvolle Dynamik.
Sebastian Fath Contemporary befasst sich weiterhin mit der Mannheimerin Barbara Hindahl, die zurzeit sowohl in der Galerie als auch in einer großen Einzelschau in der Scharpfgalerie Ludwigshafen ausstellt. Die Reihe ihrer verblüffenden Handzeichnungen mit Millimeterpapier, Klecksen und Flecken setzt sie fort mit Motiven von verschütteten und gewischten Farbflüssigkeiten. Erst aus der Nähe stellt sich heraus - da ist kein Pinselauftrag, keine Aquarell- oder sonstige Farbe - es ist alles mit dem Farbstift gezeichnet.
In der Erdgeschosshalle ist Döbele groß und schön mit Exponaten aus der Schau „Beziehungen“ zu sehen, die im Juli endete. Der Blickfang schon von weitem: Annette Schröters „Großes Fachwerk“ von 2014, eine 280 cm messende schwarze Kreiskomposition aus abstrakten Mustern und Fachwerk-Hausformen, ein Scherenschnitt! Auf Schnitte ist Döbele auch bei den „Schraffen“ von Katharina Hinsberg fokussiert - sie hat Farbstiftschraffuren auf Papier einzeln ausgeschnitten und zu feinen räumlichen Objekten gemacht. Die Holzschneiderin Martina Geist wird sowohl von Döbele als auch von Julia Philippi aus Dossenheim favorisiert - die Exponate beider Galerien hängen nur getrennt durch eine Wandecke aufeinander zulaufend.
Die Galerientage
- Die 28. Mannheimer Galerientage im Pavillon des Kunstvereins werden Freitag von 19 bis 22 Uhr eröffnet.
- Die Schau mit acht Ausstellern ist Samstag von 12 bis 22 Uhr und Sonntag von 12 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt ist frei.
- Für Unterhaltung sorgt der Vortrag von Pamela C. Scorzin zum Thema „Was kann KI Kunst?“ am Samstag um 16 Uhr.
- Die Aussteller sind Kim Behm, Döbele, Sebastian Fath, Friedrich W. Kasten und Port25 aus Mannheim sowie Linde Hollinger aus Ladenburg und Julia Philippi aus Dossenheim.
Bei Philippi sind außer den klaren Martina-Geist-Motiven wie Früchte, Zweige und Faltkonstruktionen auch von Wasser inspirierte zarte Blätter von Ulli Böhmelmann zu sehen - ebenso bezaubernde kleine Porzellanobjekte. Blickfänger bei Philippi sind aber vor allem die geheimnisvollen Wachsarbeiten der Ukrainerin Aino, die in Heidelberg lebt.
Kim Behm kombiniert die verblüffend ausgesägten Holzobjekte von Stephan Wurmer mit Malerei von Peter Harder, deren wellenförmige Voluten aus schlingernden Handbewegungen entstehen und das Rätsel ungelöst lassen, ob man die vibrierende Abstraktion nicht vielleicht mit Assoziationen an reale Erscheinungen verbinden darf.
Künstlich erstellte Kunst
Friedrich W. Kasten setzt mit Moto Waganari auf KI (Künstliche Intelligenz). Die Hochzeitstorte, die seltsam altmeisterlichen Figuren und unidentifizierbaren Ballonobjekte - alles mithilfe global verfügbarer Bildbestände und bildgebender Wortbefehle gearbeitet. Da stoßen Assoziationen von Betrachtern auf eine immer noch menschengemachte, aber anders geartete kreative Institution. Von KI weit entfernt sind Holger Zimmermanns Schwarzweiß-Tuschzeichnung: Er nahm sich Bildmotive der 50er Jahre vor und versetzte sie durch an Solarisationen erinnernde Verfremdungen in ungeahnte Dynamik.
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