Tanz

Choreographie "Flush" überzeugt in Mannheim

Eine Choreographie von Sheena McGrandles war im Mannheimer Eintanzhaus im Rahmen des Festivals "Und jetzt?" zu erleben. Eindrucksvoll wurde dabei unser Verhältnis zur Zeit in Szene gesetzt

Von 
Nora Abdel Rahman
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Eine Gesellschaft, die in ihrer Steigerungslogik gefangen ist, krankt an Resonanz. So ließe sich der populäre Soziologe Hartmut Rosa auf den Punkt bringen. Was für ihn entfremdender Beschleunigung geschuldet ist, könnte für die Choreographin Sheena McGrandles Anlass sein, unterschiedliche Zeitverhältnisse zu zeigen. Ob es ihr dabei, ähnlich wie dem Wissenschaftler Rosa, um Resonanzbeziehungen geht, sei aber dahingestellt. Zu Beginn von „Flush“ gehen Sheena McGrandles, Annegret Schalke und Ewa Dziarnowska mit verlangsamten Schritten entlang einer Wand aus Pressspan.

Der Moment friert ein

In den Farben braun-beige changiert auch der helle Bühnenboden im Mannheimer Eintanzhaus, der die gesprenkelte Farbgebung der Wandfläche aufgreift. Jetzt klatscht eine Tänzerin in die Hände, während die zwei anderen die Bewegung zeitversetzt aufgreifen, aber noch vor dem Zusammenklatschen der Hände stoppen. Der Moment friert ein, so als würde man eine Filmszene stoppen, um die angehaltene Aufnahme zu studieren oder zu genießen. Beides gelingt hervorragend in „Flush“, das übersetzt nicht nur für etwas Anschwellendes, sondern auch für die Blüte stehen kann.

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„Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose“. Und da kommt sie ins Spiel, die amerikanische Poetin Gertrude Stein, deren Experimentierfreude der Choreographin McGrandles ebenso am Herzen liegt, wie die Erforschung von Zeiteffekten aus der Video-Technologie.

Gezwungen oder absurd

Poesie und Technologie schließen sich bei McGrandles nicht aus. Ihre Verbindung verleiht den Zeitphänomenen eine sichtbare Gestalt. Und die drei Tänzerinnen zeigen gerade das, was sich dahinter verbirgt: bald ein absurdes, bald ein witziges, bald ein erotisches, bald ein gezwungenes oder auch ein banal reales Verhältnis.

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Sie dehnen, raffen und zerrupfen die Zeit mit Sprache und Bewegung und mit der inzwischen in einzelne Teile gezogenen Wand. So wird aus einem gedehnten Stimmlaut wie „aaaach“ ein lachendes „achahahaha“ im Stakkato. Während sich die Körper dazu mal in Zeitlupe, mal abgehackt wie im Zeitraffer oder abrupt zu Boden gestürzt verhalten. Grandios ist damit unser Verhältnis zur Zeit enttarnt und wirft womöglich doch die anfangs gezogene Verbindung zum Soziologen Rosa auf, der uns mehr Resonanz empfiehlt.

Freie Autorin

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