Theater soll ja Spaß machen. Folglich geht es locker zu im prallvollen Zwinger3, wo Intendant Holger Schultze gut gelaunt und jovial in Hemdsärmeln sein traditionsreiches Festival für zeitgenössische Dramatik eröffnet. Exakt 100 unveröffentlichte Stücke wurden zur 41. Auflage eingereicht, unter denen nun bis 5. Mai deren sechs ausgewählte Verfasserinnen und Verfasser um die sechs ausgeschriebenen Preise wetteifern.
Noch nicht ganz im Geschehen scheint bei der Begrüßung Heidelbergs seit Oktober 2023 amtierende Kulturbürgermeisterin Martina Pfister zu sein, die sich ebenfalls lässig mit den Händen in den Hosentaschen freut, dass das Publikum darüber mit entscheiden darf, wer die Preise erhält. Das gilt allerdings nur für den mit 2500 Euro am niedrigsten dotierten Publikumspreis der Heidelberger Theaterfreunde. Der Stückemarkt hat selbstverständlich eine Fachjury.
Zu den Lesungen des Autorenwettbewerbs kommen neben einem umfangreichen Rahmenprogramm in zehn Festivaltagen noch 21 Gastspiele, auch aus dem diesjährigen Gastland Georgien, die der Leitende Schauspieldramaturg in gebotener Kürze vorstellt. Dann wird abgestellt, und zwar das Sektglas – und es geht nach nebenan zur Vorstellung.
Traditionell wird das Festival mit dem Siegerstück des vergangenen Jahres eröffnet – diesmal also mit „Blaupause“ von Leo Lorena Wyss, die (wir berichteten) mittlerweile von Christian Holtzhauer zur Hausautorin am Mannheimer Nationaltheater berufen wurde. Wyss hat 2023 den mit 10.000 Euro dotierten Autor*innen-Preis des Heidelberger Stückemarkts erhalten, wohlgemerkt nicht den Jugendstückepreis, der ja an eines der Gastspiele dieser Sparte geht. Gleichwohl wäre „Blaupause“ ein idealer Spielplan-Kandidat für das Jugendtheater. Das Thema: Frühlings Erwachen, Pubertät, Selbstfindung oder neudeutsch: Coming of Age, Coming out.
Unterhaltsam niedrigschwellige Allerweltserfahrungen als Stück
Inszeniert wird diese Uraufführung von Hannah Frauenrath auf der zweckmäßigen Rundbühne von Laura Immler handwerklich sauber.
Katharina Ley, Julia Staufer, Esra Schreier, Jeremy Heiß und Katharina Uhland bleibt viel Raum für raumgreifendes Spielen und kunstvolles Sprachgestalten. Und das ist es im Wesentlichen dann auch schon, was es über dieses heftig bejubelte, heiter-niedrigschwellige Theaterstückchen zu sagen gibt. Gender-Dramen sehen anders aus, es sei denn, man empfindet familiäre Begegnungen mit neugierigen Tanten und Cousinen als traumatisierend.
Mitsingen im Teenagerlied könnte hier somit jeder, der einen Körper, ein Geschlechtsorgan und eine wie auch immer geartete Neigung hat, damit erwachsen und aktiv zu werden. Die Zielgruppe ist somit also recht groß.
Individualistisch ist die Schau auf den eigenen Nabel (und darunter) fraglos so menschlich wie spannend. Ob die verbale wie händische Durchdringung dieser hitzig-schwülen Feuchtgebiete preiswürdiges Welttheater ist, darf man dennoch infrage stellen. Zumal das frivole Eis-, Kaugummi-, Finger- und Steinpilzfaltengeschlecke nicht selten auf das keusch-verklemmte Schlüpfrigkeitsniveau der 1970er kommt: „Schulmädchenreport“, „Klimbim“, „Bilitis“ und „Zärtliche Cousinen“ lassen grüßen. Theaterpreise gab es dafür damals nicht.
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