Serie Kultur im Klimawandel (Teil 2) - Popmusik ist energieintensiv – und gerade deswegen sind in diesem Bereich schon viele umweltschonende Maßnahmen umgesetzt worden

Popmusik ist energieintensiv, aber schon sehr umweltbewusst

Von 
Georg Spindler
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Opulente Show, aber klimaneutral: die britische Band Radiohead, hier Tom Yorke bei einem Auftritt 20216 in Amsterdam, sind Pioniere der Nachhaltigkeit im Popbusiness. © EPA/Paul Bergen/dpa

Scheinwerferbatterien, Lautsprechertürme, Verstärkerwälle: Popmusik steht nicht ohne Grund in dem Ruf, ein energieintensives Genre zu sein - und damit besonders umweltbelastend. Aber die Rock-Community reagiert höchst sensibel auf gesellschaftliche Probleme. Und daher ist es nicht verwunderlich, dass in dieser Musikszene bereits intensiv im Hinblick auf mehr Nachhaltigkeit gehandelt wird.

Die Mannheimer Popakademie hat das Thema schon früh aufgegriffen und seit fast zehn Jahren bei Workshops mit Studierenden entsprechende Projekte erarbeitet. Im Jahr 2017 veröffentlichte sie nach eigenen Angaben mit dem „Green Touring“-Leitfaden die erste systematische Publikation zum Thema Umweltschutz im Tournee-Geschäft.

In Zusammenarbeit mit dem Schweizer Indie-Bandkollektiv We Invented Paris wurde dabei der „CO2-Fußabdruck“ seiner Tour ermittelt. Der ergab, dass 34 Prozent des Schadstoffausstoßes während der Konzertreise durch die jeweiligen Veranstaltungsstätten und 33 Prozent durch die An- und Abreise des Publikums entstanden waren (ein Wert, der bei zugkräftigeren, bekannten Popbands und Festivals meist über 50 Prozent liegt).

Pionierarbeit von Radiohead

Die Studierenden errechneten, was dieses Ergebnis auf Deutschland angewendet bedeutet: Im Jahr 2013 wurden hierzulande rund 74 Millionen Popkonzertkarten verkauft. Dadurch seien 372 000 Tonnen CO2 freigesetzt geworden. „Das entspräche 248 000 Langstreckenflügen von Berlin nach New York“, heißt es in der Publikation.

Der Leitfaden der Popakademie nimmt auch Bezug auf die Pionierarbeit, die von der britischen Band Radiohead geleistet worden war, als sie ihre Welttournee 2008 CO2-neutral konzipierte. Das gelang ihr, indem sie die Beleuchtung komplett auf LED umstellte und das Equipment lokal anmietete anstatt es von Stadt zu Stadt mitzuschleppen. Nicht wie zuvor mit 20 Tonnen technischem Gerät war sie unterwegs, sondern nur mit einer Tonne Gepäck, transportiert mit Trucks, die Biotreibstoff verwendeten. Das machte Schule: Coldplay kündigten 2019 an, erst wieder auf Tour zu gehen, wenn dies klimaneutral möglich wäre.

In Deutschland treten Seed nur noch in Hallen auf, die ihren Energiebedarf mit erneuerbaren Energien decken. Die Ärzte spenden als Ausgleich für ihre Schadstoff-Emissionen Geld für Wiederaufforstungsprojekte. Die Liste umweltbewusster Popmusiker wird immer länger. Die Initiative Music Declatres Emergency (MDE) vereint inzwischen weltweit rund 3000 Künstler und Künstlerinnen - von Billie Eilish bis Mick Hucknall, von Deichkind bis Guy Chambers.

Der aktuelle „Green Rider“ -Tour-Leitfaden der britischen Umweltorganisation Julie’s Bicycle listet auf, was zu tun ist, um Konzertreisen nachhaltig zu gestalten. Wichtigster Punkt: die Mobilität. Dem Publikum müssen Angebote unterbreitet werden, für die Anreise auf den Pkw zu verzichten und öffentliche Verkehrsmittel, Fahrräder oder Carsharing-Offerten zu nutzen. Für Tourneen soll eine effiziente Routenplanung vorgenommen werden, damit unnötige Fahrten vermieden werden.

Umweltschonende Festivals

Effizienz ist auch die Devise beim Energieverbrauch: Der „Green Rider“ fordert zum Beispiel, Klimaanlagen in den Künstlergarderoben erst kurz vor der Nutzung einzuschalten. Selbstredend wird die Verwendung von Ökostrom empfohlen, der etwa für ein Festival auch temporär gebucht werden kann. Und durch die Umstellung der Beleuchtung auf LED könnte der CO2-Ausstoß in diesem Segment um fast 70 Prozent gesenkt werden - so viel zu den Scheinwerferbatterien.

Dass auch groß dimensionierte Festivals umweltschonend ausgerichtetet werden können, zeigt das britische Glastonbury Festival, das alljährlich 187 000 Fans anlockt. Auf der Internetseite des Thinktanks Powerful Thinking geben die Glastonbury-Organisatoren hilfreiche Tipps. Zum Beispiel zum Thema Energie: Eine Analyse hat demnach ergeben, dass bei dem Festival von 126 Stromgeneratoren viele völlig überdimensioniert waren und zum Teil nur mit 10 Prozent ihrer Kapazität in Betrieb waren.

Ideal sei es, 40 bis 80 Prozent der Kapazität zu nutzen, lautet daher der Ratschlag. Um Spitzenwerte zu erzeugen, empfehlen die Festivalmacher, mehrere Generatoren zusammenzuschalten und als stille Reserve zu nutzen; sie sollten nur dann aktiviert werden, wenn hohe Pegel nötig seien. In Bereichen, in denen geringe Pegel anfallen, wird empfohlen, Batterie-Hybrid-Einheiten zu verwenden, die für solche Zwecke Energie speichern können. Dadurch sei bei Elektro-Toren auf dem Glastonbury-Festivalgelände der (Dauer-)Verbrauch von 24 Stunden auf zwei bis vier Stunden am Tag gesenkt worden. Solche kreativen Ideen stoßen heute schon die Tore zu einer nachhaltigen Musikwelt von morgen auf.

Redaktion

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