Mannheim. Sein Faible für pumpende Eurodisco-Hits der 90er-Jahre ist ungebrochen: Mit Haddaways „What Is Love“ leitet Apache 207 am Mittwochabend sein Konzert in der Mannheimer SAP Arena ein. Es ist das erste von drei ausverkauften Heimspielen des Erfolgsrappers, dieses Mal angesetzt eher gegen Ende einer Deutschland-Tournee durch die großen Hallen der Republik. Der Begrüßungsjubel ist so laut, wie der erste Beat der Kanonenschlagartig durch die Arena rollt.
Apache witzelt, dass er nur wochentags Porsche fährt und am Samstag edlere Gefährte bevorzugt
Aber er läuft erst mal ins Leere. Denn als sich der rot angestrahlte Vorhang hebt, verwandelt sich die Arena erstmal in ein gigantisches Kino. Wie gewohnt gibt es Filmeinspieler - und eine artige Begrüßung mit etwas Selbstironie beim Blick auf den Spaß, den der Senkrechtstarter an protzigen Autos findet: „Einen wunderschönen guten Abend allerseits, ich bin Volkan Yaman“ heißt es im aufwendigen cineastischen Intro, bevor Apache witzelt, dass er nur wochentags Porsche fährt und am Samstag edlere Gefährte bevorzugt. Der Film setzt eine Art Rahmenhandlung: Apache als älterer Herr schaut darauf zurück, was er geschafft und wofür er alles gegeben hat – und lässt sich dann zu seinem Lieblingsmoment zurückversetzen: am 5. Juni 2024, dem aktuellen in Mannheim.
Eine – kostenpflichtige – Virtual-Reality-Simulation im Maxi-Imax-Format mit einem ähnlich hünenhaften Doppelgänger als roter Faden, das ist nur ein Teil einer wieder mal überdurchschnittlich durchdachten Bühnenshow. Bei der es aber auch einfach mal knallen darf – die Pyrotechnik ist oft feurig und so laut, dass das Dach der Arena auch mal scheppert. Fast möchte man die einschlägigen Simulationstheorien von Neostrukturalisten wie Jean Baudrillard konsultieren, um diese Show auf Metaebenen abzuklopfen.
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Die musikalische Dramaturgie ist noch ausgeklügelter als bei den bisherigen fünf Apache-Konzerten in Mannheim: Inhaltlich und in punkto Tempo- oder Stimmungswechsel sind die 24 Songs in den fast zwei Stunden sehr gut abgestimmt. Fast wie ein Drehbuch über das Leben und die Gefühlswelten von einem der erfolgreichsten deutschen Musiker dieser Tage. Auch wer Apache 207 schon häufiger gesehen hat, wird das extrem unterhaltsam finden. Und das sind hörbar viele, denn das Publikum ist nicht nur insgesamt textfest, viele wissen auch punktgenau, wann es eine Pause zu füllen gibt oder an welcher Stelle das ikonische „Apache!“ reingerufen werden muss. Sehr eindrucksvoll, diese Interaktion zwischen dem nahbaren Star und seinen Fans.
10000 Fans feiern ihren Star und singen sich die Seele aus dem Leib
Dann stellt sich der Hauptdarsteller in die Mitte der tiefen Bühne mit der bewährten Tankstellen-Kulisse („Apache Oil“) – und badet in einem ohrenbetäubenden Beifallsorkan. Man nimmt ihm sofort ab, dass er an diesem 5. Juni nirgendwo anders sein möchte als auf dieser Bühne in seiner Geburtsstadt, die er immer wieder zärtlich „liebes Mannheim“ nennt. Dass er die Show mit einer puristischen Version von „Unterwegs“ und viel Pyrotechnik eröffnet, gerät fast zur Nebensache. Danach strahlt Apache aus allen Knopflöchern seiner Jeansjacke, die auf dem Rücken mit einem Bild seines älteren Alter Ego verziert ist. Vielleicht weil er ahnt, wie massiv die 10000 Fans bei der zweiten Nummer „Brot nach Hause“ mitgehen, -singen und -rappen. Wiederum: eindrucksvoll!
Am Anfang dominieren die älteren Hits wie „Fame“ oder „Kein Problem“
Am Anfang dominieren die älteren Hits, „Fame“ kann er quasi im Duett mit dem Publikum abfeiern. Die Zeile „Heyo, was geht?“ wird lautstark mitgeschmettert – „was geht, liebes Mannheim“, begrüßt der 26-Jährige die Fans seiner Heimatstadt routiniert charmant. „Kein Problem“, seine Durchbruchsnummer aus dem Jahr 2019, räumt ähnlich ab.
Darin gibt es die viel zitierte Zeile, in der sich der fußballverrückte Apache als „Deutschraps Miroslav Klose“ bezeichnet. Da kann der Kurpfälzer jetzt höchste Weihen vorweisen, nachdem Weltmeister Thomas Müller höchstpersönlich ein gemeinsames Bild aus dem Trainingslager der Nationalmannschaft auf X getwittert hat. Dann gibt es die üblichen Liegestütze beim mitreißenden „Sport“. 28 werden gezählt – Respekt, auch mit Blick auf den Zigarettenkonsum des Rappers und Sängers.
In der Arena wird sogar Volleyball gespielt, ansonsten kann man links gegen rechts hier aber mal vergessen
Passend dazu wird in der Arena mit riesigen Bällen Volleyball gespielt, mit einem riesigen Stahlträger als Netz - und zu den Beats des Fußball-EM-erprobten „Freed From Desire“. Dazu tanzt auf der Bühne ein Teil der aus den Musikvideos bekannten Kumpel-Clique. Das wirkt fast schon familiär. Egal, was auf den Marktplätzen dieser Welt gerade passiert, bei Apache 207 ist die Welt noch in Ordnung. Und ob hier links oder rechts gewinnt, ist angenehm unerheblich.
Das Programm am 5. Juni 2024 in Mannheim
- Erster Hauptteil: 1. Unterwegs (2020), 2. Brot nach Hause (2019), 3. Fame (2020), 4. Kein Problem (2019), 5. Sport (2021), 6. Breaking Your Heart (2023), 7. Vorstadt (2023), 8. Doch in der Nacht (2019), 9. Wenn das so bleibt (2023). 10. Bläulich (2020).
- B-Bühne: 11. Was weißt du schon (2023), 12. Loser (2024), 13. Kurz vor 4 (2023), 14. Wieso tust Du Dir das an? (2019), 15. Gefunden (2023).
- Zweiter Hauptteil: 16. Neunzig (2023), 17. Fühlst du das auch (2022), 18. Coco Chanel (2023), 19. Madonna (2021), 20. Komet (2023, mit der 25-jährigen Fan-Casting-Gewinnerin Kathrin Kistenmacher aus Limburgerhof).
- Zugabe: 21. Ein Lied für Dich (2024), 22. Angst (2021), 23. Roller (2019), 24. Nie mehr gehen (2022).
Der Star nutzt die Zeit für einen Kostümwechsel und singt jetzt ganz in Weiß, aber ohne Blumenstrauß „Breaking Your Heart“. Das zählt wie das folgende „Vorstadt“ zu den neueren Songs vom Nummer-eins-Album „Gartenstadt“. Beide funktionieren hervorragend, werden aber von einem Klassiker wie das „Doch in der Nacht“ überstrahlt, das plötzlich abbricht – und in eine Pianoballade verwandelt wird.
Lange, sehr musikalische Einlage auf der B-Bühne
Als bei „Bläulich“ das Licht in der Arena blau wird, folgt die Fahrt durchs Publikum – aber nicht mehr im Boot, sondern im roten Cabrio. Der Weg führt zur B-Bühne am anderen Ende der Halle, auf der Apache begleitet von Live-Gitarrist Max Grund, der auch Saz spielt, und -Schlagzeuger Dirk Erchinger besonders autobiografische Songs wie „Was weißt du schon“ und „Loser“ singt. Bei „Kurz vor 4“ verwandelt sich die Arena unaufgefordert in ein Meer aus Lichtern. „Wieso tust du dir das an?“ und „Gefunden“ beenden den Ausflug. Wohlerzogen bedankt sich Apache bei seinen zahlreich erschienenen Lehrern („Ich versuche, mich nicht wie in einer Prüfungssituation zu fühlen – psychisch“). Die Rückfahrt zieht sich trotz eingespielter Rap-Klassiker wie immer ein wenig, aber alle Beteiligten genießen dieses Bad in der Menge – vor allem die Menge tut das.
Zurück auf der Hauptbühne kann Apache trotz seiner eigentlich immer noch recht jungen Karriere Superhits und Fanfavoriten in Serie abfeiern: Aber erstmal wird das Konto der filmreifen Simulation aufgeladen. Im auch längst ikonischen schwarzen Lederanzug interpretiert der Star seinen letzten großen Partyhit „Neunzig“ extrem druckvoll - und die Fans rasten aus.
„Fühlst du das auch“ leitet Max Grund mit einem progrockigen Solo ein, dann lassen die Beats die Arena beben. Langsam, aber sicher nimmt der Anteil an live gespielter Musik bei Apaches Tourneen zu, auch wenn sein Konzept mit Playbacks vom DJ-Pult gut funktioniert. Dass der jüngste Nummer-eins-Hit „Wunder“, ein Duett mit Sängerin Ayliva, im Programm fehlt, ist zu verschmerzen – auch musikalisch.
Fan Kathrin Kistenmacher aus Limburgerhof wird als Duettpartnerin bei „Komet“ stürmisch gefeiert
Mit „Komet“, der erfolgreichsten Single der deutschen Charts-Geschichte gemessen an ersten Plätzen (21), endet der Hauptteil triumphal. Dazu trägt auch Kathrin Kistenmacher wesentlich bei. Die 25-Jährige aus Limburgerhof hat für diesen Abend das Fan-Casting gewonnen und darf mit Apache „Komet“ singen, da sein eigentlicher Duettpartner Udo Lindenberg nicht zur Verfügung steht. Vermutlich kann niemand Volkan Yaman bei einem Heimspiel die Show stehlen, aber diese junge Dame ist nah dran: Als sie ihre eindrucksvoll strahlkräftige Stimme mit erstaunlicher Bühnenpräsenz einsetzt, reagiert das Publikum kurz verblüfft – dann feiern die Fans den „Gaststar“ stürmisch. Die lauten Zugaberufe hätten auch ihr gelten können. Nach dem Konzert berichtet die glücklich strahlende Kathrin Kistenmacher im Gespräch mit dieser Redaktion, dass sie sich erfolgreich per Video für diesen Auftritt beworben habe – und erklärt: „Ich bin keine professionelle Sängerin. Das ist nur ein Hobby.“ Das ist fast erstaunlich angesichts dieses Auftritts, bei dem sie durchaus mit den Gastsängerinnen mithalten kann, die Udo Lindenberg in den 1980ern mit auf Tour hatte. Apache geht vor der 25-Jährigen buchstäblich auf die Knie. Kein Wunder: Eine viel bessere Live-Version von „Komet“ ist schwer vorstellbar.
„Roller“ toppt gegen Ende eines filmreifen Konzerts mal wieder alles
Natürlich toppt der Diamant-Hit „Roller“ in der Zugabe alles. Hier wäre langsam mal eine Live-Version mit Apaches Zwischenrufen „Mannheim!“ und „Ludwigshafen!“ fällig. Aber die vier letzten Nummern haben wiederum eine ganz eigene Dramaturgie, wenn man so will wie ein Kurzfilm. Bevor der wohl erfolgreichste deutsche Song des Jahrzehnts losrollt wie eine Armada getunter Vespas (auf dem Parkplatz findet sich allerdings keine Handvoll Roller) gibt es das unveröffentlichte „Ein Lied für Dich“ und Apaches erklärtes Lieblingslied „Angst“ in einer theatralischen Inszenierung. „Nie mehr gehen“, eine Art Liebeserklärung an die Fans, liefert die perfekte Schlussszene für einen filmreifen Abend.
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