Heidelberg. Eine tänzerische Forschungsreise zum Thema menschliches Miteinander hat sich die Choreographin Jai Gonzales für ihr neues Stück „Alongside“ vorgenommen. Am doppelten Viertelfinalsabend der Fußball-Europameisterschaft tritt sie damit am Samstag gegen schwierige Konkurrenz an, und so ist die Premiere in der Hebelhalle auch nur spärlich besucht. Dass auch die Geräuschkulisse des nahen Public Viewings in den stilleren Szenen leider immer wieder in den Saal schwappt, ist natürlich zu entschuldigen, aber nur einer der Gründe, warum der Abend nicht so recht zu zünden vermag.
Was fehlt, ist der rote Faden
Jai Gonzales hat ihre Choreographie collagenhaft in vielen kleinen Einzelszenen konzipiert, die sich in unterschiedlichen Gruppenformationen verschiedenen Aspekten des Aufeinandertreffens und des Miteinander-ins-Gespräch-Kommens widmen. Anspruchsvolle Bewegungsabläufe und viel Tempo können in einzelnen Bildern zwar zwischendurch immer wieder überzeugen, doch insgesamt fehlt der rote Faden: Szenen enden abrupt, angedeutete Ideen bleiben verschwommen und rätselhaft. Der Aspekt des sich Begegnens manifestiert sich oft in einer simplen Festhaltebewegung, die jedoch das einzig wiedererkennbare Bewegungsmuster ist. Damit bleibt das Thema sehr oberflächlich.
Ebenfalls wenig Anhaltspunkte gibt die Musikauswahl, die mit Geigenklängen, Elektro-Sounds und hämmernden Beats ein wenig beliebig wirkt. Verwirrend sind auch die Wechsel der Kostüme: simple Tanztrainingskleidung, bei der mal hier, mal da ein Shirt gegen ein Crop-Top getauscht wird, ohne dass sich eine klare Bedeutung oder individuelle Charakterisierung daraus ergibt.
Ein zärtlicher Dialog aus Bewegung - voller Harmonie und Anmut
Eine große Herausforderung stellt sich die Choreographin Gonzales zudem mit der fast komplett leeren Bühne, welche die nur drei Tänzerinnen und drei Tänzer jedoch erstaunlich gut bespielen. Aus immer wieder unterschiedlichen Richtungen erobern sie den Raum, der nur durch eine lange Bank unterteilt wird. Diese dient anfangs sowohl als Beobachtungsposten als auch als Laufsteg oder als Versteck. Ein guter Ansatz, um das Requisit als Dreh- und Angelpunkt zu nutzen, der jedoch leider nicht konsequent verfolgt wird, so dass die Bank zum Ende unmotiviert und eher als Störfaktor auf der Bühne steht.
Wirklich gelungen ist jedoch ein Duett, das statisch in der Mitte der Bühnen stattfindet. Nikos Grigoriadis und Shih-Ping Ling zeigen einen Pas de deux aus Umarmungen und Annäherungen, der vollkommen spontan wirkt, jedoch bis ins kleineste Detail aufeinander abgestimmt ist. Temporeich entspinnt sich zwischen den beiden Tänzern ein zärtlicher Dialog aus Bewegung - voller Harmonie und Anmut. Zum ersten Mal wird das Miteinander hier tänzerisch wirklich greifbar.
Neben Shih-Ping Ling, der bereits zuvor mit seiner athletisch-artistischen Tanzweise herausstach, ist auch Nina Michailidou zu erwähnen, die minutenlang eine Arabesque zu halten vermag. Nur schade, dass auch diese beeindruckende Leistung nicht klar in das Gesamtthema eingebunden wird. Auch das Niveau des übrigen Ensembles ist hoch und rettet so den sonst etwas zähen Abend.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-alongside-in-heidelberg-tanz-als-collage-des-miteinanders-_arid,2223280.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/themen-schwerpunkte_dossier,-fussball-em-2021-_dossierid,241.html