Mannheim. Ein vollbesetzter Saal im Alten Kino Franklin und begeisterter Applaus am Ende - die traditionelle Präsentation der Tanzakademie Mannheim erfüllte einmal mehr alle Erwartungen, die Tanzfans aus der Region mittlerweile an die jährliche Vorführung der Studierenden stellen: Verbunden mit hoher Qualität einen Querschnitt der Ausbildung zu sehen. 50 junge Menschen der Klassen I bis V auf dem Weg ins Profidasein, dazu 18 Kinder und Jugendliche des Vorstudiums zeigten mit Lust, Energie und sichtbarer Freude am eigenen Tun eine große Bandbreite des Tanzes vom klassisch-romantischen Ballett und der Neoklassik bis zu Modern, Jazz und Folklore. Auf der anderen Seite ist es für junge Tänzerinnen und Tänzer von unschätzbarem Wert, wenn sie frühzeitig mit den Herausforderungen konfrontiert werden, vor Publikum auf den Punkt bereit zu sein. Das waren sie alle.
Studierende der Tanzakademie Mannheim brillieren mit "Approximate Sonata"
Auffällig übrigens die große Anzahl an jungen Männern, allein 16 absolvieren ihr Bachelor-Studium. Einer der großen Höhepunkte im vielseitigen zweistündigen Programm war der Ausschnitt aus „Approximate Sonata“, das William Forsythe 1996 für sein Frankfurter Ballett schuf und 2016 in einer neuen Version für die Pariser Oper kreierte. Weil Akademie-Leiterin Agnès Noltenius viele Jahre zum Frankfurter Forsythe-Ensemble gehörte und offizielle Probenleiterin bei Forsythe-Produktionen ist, haben ihre Studierenden in Mannheim die Chance, den Stil des legendären US-amerikanischen Choreografen, der das Vokabular der Klassik und sogar der Neoklassik um neue Dimensionen erweiterte, aus erster Hand zu erfahren und umzusetzen. Zu rhythmisierendem Wummern loten acht junge Menschen der beiden letzten Studienjahrgänge mit großen, in die Ferne weisenden Armbewegungen und vollem Körpereinsatz den Bühnenraum aus.
Tänzerische Untersuchung der menschlichen Beziehungen
Dann bleiben Ines Esteve und Xuehao Zhao zurück. Noch bevor fließende Synthesizerklänge ihren fulminanten Pas de Deux einläuten, spürt man die enorme Intensität, die vor allem von Esteve ausgeht. Immer unterstützt von ihrem Partner gelingt es ihr, knisternde Spannung aufzubauen. Dazu genügen Blicke und kleinste Armbewegungen. Ein harter Schnitt leitet zu einem akustischen Feuerwerk und zu Zhaos sehenswertem Solo über. In die Kategorie gegenwärtiger Tanz gehörten zudem „The Smaller Room and Other Stories“ von Quirin Brunhuber und „Connected“ von Juliano Nunes. Beide haben in Mannheim studiert und sich als freischaffende Choreografen einen Namen gemacht. Brunhuber, Absolvent von 2020, bringt auf Musik von Chopin und eine eigene hörenswerte Komposition sieben Tänzerinnen in unterschiedlichen Konstellationen zusammen, variiert Nähe mit Selbstversunkenheit und untersucht so den Stand menschlicher Beziehungen. „Connected“ des Brasilianers Nunes (Absolvent von 2012) ist der gefeierte Abschluss der Soiree, in dem der international gefragte Choreograf zu seinen Wurzeln als Tänzer zurückkehrt und ein 15-köpfiges Ensemble in gelb-schwarz zu Klängen von Klavier, Violine und Cello in zufällige Begegnungen und Ereignisse schickt. Auffällig sind die trotz unterschiedlicher Richtungen synchronen Bewegungen - egal ob auf dem Boden oder bei Sprüngen.
Tanzakademie Mannheim
Die Mannheimer Akademie des Tanzes hat eine bis ins 18. Jahrhundert zurückgehende Geschichte und ist Teil der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (N 7,18). Leiterin ist Agnès Noltenius.
Die Ausbildung umfasst bis zum Bachelor (künstlerische Bühnenreife oder Tanzpädagogik) vier Jahre, ein einjähriger Masterstudiengang kann sich anschließen. Parallel kann der Realschulabschluss oder das Abitur abgelegt werden.
In einem Vorstudium (1. - 7. Klasse) erhalten Jugendliche ab acht Jahren eine Elementarausbildung.
Den Anfang machte - sozusagen als Warm-up für alle Studierenden -Tschaikowskis berühmte Polonaise aus „Eugen Onegin“. Charlotte Fenn zeichnete ein wunderschönes Tableau, in dem sich Eleganz, Akkuratesse, Anmut, Grazie und Ausdruck, also alle klassischen Attribute voll entfalteten. In „Hop, Skip, and a Jump“ (Yuhao Guo/Michelle Grabowski, Musik Ralph Vaughan Williams) gehörte die Bühne dem lustvoll agierenden Nachwuchs aus dem Vorstudium. Romantisch wurde es in „Giselle“ von Adolphe Adam. Eric Blanc, Svetlana Kusnezowa und Agnès Noltenius adaptierten einen Ausschnitt aus dem Erntefest (Original Jean Coralli/Jules Perrot), bei dem Bauern und Giselles Freundinnen offensichtlich zum Feiern zumute war. Dass zum Tanz, respektive zum Charaktertanz, Rollenspiel und Pantomime gehören, bewiesen fünf „Schwätzerinnen“, die sich - angeleitet von Alexander Kalibabchuk - in der humorvollen Miniatur von Leonid Jakobson in Klatsch und Tratsch geradezu badeten.
Im „Pas de Quarte“ aus Alexander Glasunows „Raymonda“ überzeugte ein Tänzer-Quartett mit Sprungkraft und Elastizität. Ein Bravo gebührt zudem „El Ciclo“ aus dem Fach Spanisch, live begleitet von Gitarrist Rainer Hawelka. Ganz ohne die Folklore zu bemühen, entwickelt Silke Beck den „Tangos Flamenco“ aus reinem Rhythmus, aus eher untypischen Schulter- und Armbewegungen, bevor Finger und Füße das Kommando übernehmen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-neue-talente-der-tanzakademie-mannheim-auf-dem-weg-ins-rampenlicht-_arid,2221568.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html