Eine Beteiligung von fast 100 Prozent und ein Zweiter, den wohl nur wenige auf der Rechnung hatten - wenn es sich um die offizielle Wahl gehandelt hätte. Die Abstimmung, die Joschi Kratzer und das Schülerreferat vor der Oberbürgermeisterwahl an sieben Schulen durchgeführt haben, war aber nicht offiziell. Entsprechend hat das Ergebnis keine Auswirkungen auf den Wahlgang am 9. Juli. Spannend ist es dennoch.
An der Wahl haben alle weiterführenden Schulen teilnehmen können - das Johanna-Geissmer-Gymnasium, das Karl-Friedrich-Gymnasium, das Privatgymnasium, das Kurpfalz-Gymnasium und die Realschule, das Ludwig-Frank-Gymnasium, die Sandhofen Realschule und die Humboldt-Werkrealschule haben auf die Einladung des Schülerreferats, das zum katholischen Dekanat gehört, reagiert.
Die Wahl soll realitätsnah mit Kabinen, Zetteln und Auszählung simuliert werden, sagt Kratzer. 1216 Jugendliche ab zehn Jahren aus verschiedenen Klassen haben sich an der Unterrichtsveranstaltung beteiligt. Berührungsängste mit Wahlen sollen abgebaut und ein Verständnis für Demokratie aufgebaut werden. „Ich hoffe, dass das eine oder andere Kind dann am Sonntag zu den Eltern sagt ,Ich habe gewählt, geht ihr doch auch.’“ Ob das geklappt hat, lässt sich nur erahnen.
Ohne Zulassungsbeschränkung
Der Kandidat des bürgerlichen Lagers, Christian Specht, hat sowohl in der Kategorie der Unter-16-Jährigen mit 29 Prozent der Stimmen gewonnen als auch bei denen über 16. Hier vereinte er 35 Prozent auf sich. Auf den ersten Blick überraschend: Der parteilose Ugur Cakir ist in der jüngeren Gruppe (21 Prozent) und auch bei den älteren (15) Zweiter. SPD-Mann Thorsten Riehle wird mit 14 und 13 Prozent jeweils Dritter.
Kratzer vermutet, dass vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund Cakir aufgrund des Namens gewählt haben. Anders als bei der offiziellen Wahl waren alle zugelassen - auch die ohne deutschen oder EU-Pass. „Cakir ist im Wahlkampf auch nicht besonders präsent gewesen.“
„Politische Bildung fehlt“
Bei aller vermeintlichen Freude, mit der einige Christdemokraten das Ergebnis auf sozialen Medien verbreiten: Dass bei Jugendlichen ein bürgerlicher Kandidat gewinnt, führt Kratzer nicht unbedingt auf dessen Inhalte zurück. Specht und Riehle seien die bekanntesten Kandidaten gewesen. „Außerdem hat es bei Specht wohl einen Primacy-Effekt gegeben“, sagt er. „Wenn man Leute nicht kennt und trotzdem wählen geht, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass der Oberste oder der Unterste auf dem Zettel ein Kreuz bekommt.“ Specht war nach Losentscheid auf Platz 1 gestanden - Riehle auf sechs. Der Eingang der Unterlagen entscheidet über die Position. Bei gleichzeitigem Eingang wird gelost. Auch am 9. Juli ist Specht ganz oben gelistet.
Vor der Wahl hat das Schülerreferat die Jugendlichen auf diese vorbereitet. Nach der niedrigen Wahlbeteiligung bei der offiziellen Wahl haben Kandidatinnen und Kandidaten vermutet, nicht jedem sei klar, welche Bedeutung eine Oberbürgermeisterwahl hat. „Auch die Jugendlichen hatten teilweise ganz wenig Ahnung“, sagt Kratzer. „Es fehlt an politischer Bildung.“ Deshalb gebe es die Simulation. „Ich hoffe, dass die Jugendlichen nächstes Jahr bei der Kommunalwahl lieber zur Wahl gehen, weil sie schon mal ein Kreuz gemacht haben“, sagt er. „Das ist ein wichtiger Punkt, warum wir das machen.“ Die Auszählung werde daher eigentlich „völlig überbewertet“.
Einen zweiten Wahlgang gibt es nicht. Weil verhältnismäßig viele Gymnasien teilgenommen haben und die Schulen überwiegend im Norden liegen, ist das Ergebnis nicht repräsentativ.
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