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Welche Bedeutung die Ludwigshafener Firma Lipoid für den Covid-Impfstoff hat

Das Ludwigshafener Unternehmen Lipoid hat sich auf die Herstellung von Phospholipiden spezialisiert. Die Vorteile dieser Moleküle hat auch das Mainzer Biotech-Unternehmen Biontech erkannt

Von 
Christian Schall
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Die Phospholipid- Endprodukte als Pulver und Agglomerate. © Lipoid

Ludwigshafen. Mit dem mRNA-Impfstoff gegen Covid-19 gelang dem Mainzer Biotechnologieunternehmen Biontech der große Durchbruch. Das Präparat sorgt nicht nur dafür, dass wir uns besser gegen das Coronavirus schützen können und unser Leben wieder ein Stück normaler geworden ist. Es hat dem Unternehmen auch zu großen nationalem und internationalem Ruhm verholfen.

Weitaus weniger bekannt, aber mindestens genauso bedeutend, ist ein anderes Unternehmen, das einen zentralen Inhaltsstoff des Vakzins entwickelt und liefert: Lipoid aus Ludwigshafen. Die Firma hat sich auf die Herstellung von Phospholipiden spezialisiert. Im Bereich der Phospholipide für pharmazeutische Anwendungen ist Lipoid nach eigenen Angaben sogar Weltmarktführer.

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Wer nicht selbst in der Pharma-, Medizin- oder Biotechnologiebranche tätig ist, wird mit dem Begriff Phospholipide nicht viel anfangen können. Vereinfacht gesagt sind Phospholipide kleine Moleküle, die die Fähigkeit besitzen, Fett und Wasser verbinden zu können. Jeder Mensch trägt sie in seinem Körper, da sie ein fester Bestandteil von Zellmembranen sind. Es handelt sich um amphiphile (wörtlich übersetzt „beides liebend“) Moleküle, was bedeutet, dass sie sich aus einem wasserliebenden (hydrophilen) Kopf und zwei wasserabweisenden (hydrophoben) Fettsäureketten zusammensetzen.

Nur in Deutschland hergestellt

Lipoid gewinnt die Phospholipide aus natürlichen Quellen wie Eigelb, Soja und Sonnenblume. Um Phospholipide zu gewinnen, werden die Lecithin-haltigen Ausgangsprodukte in vielen Prozessschritten extrahiert und hoch aufgereinigt. Nebenprodukte aus der Herstellung werden verkauft und entsprechend verwendet, zum Beispiel in der Tierfutterindustrie. Die Phospholipide werden ausschließlich in Deutschland hergestellt, im Drei-Schicht-Betrieb in jeweils zwei Werken in Ludwigshafen und Köln.

Als körpereigene Stoffe werden die Phospholipide vom menschlichen Körper sehr gut vertragen. „Die hervorragende Verträglichkeit, gepaart mit der technischen Leistungsfähigkeit, unterscheidet sie von synthetischen Produkten“, nennt Peter Hölig, der Leiter der Geschäftsentwicklung im Unternehmen, einen Vorteil. Die Phospholipid-Endprodukte sind Pulver und Agglomerate von unterschiedlicher Farbe. „Je nach Aufreinigungslevel bekommen die Lipide andere physikalische Eigenschaften“, erklärt Hölig.

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Neben dem Bereich für pharmazeutische Anwendungen sind die Phospholipide Bestandteil von hochwertigen Nahrungsergänzungsmitteln und „anspruchsvollen kosmetischen Anwendungen“. Durch den Einsatz von Phospholipiden in Nahrungsergänzungsmitteln können darin enthaltene Nährstoffe vom Körper besser und auf natürliche Weise aufgenommen werden. In kosmetischen Produkten wie etwa Cremes werden Phospholipide als höchst verträgliche Emulgatoren und Strukturbildner mit perfektem Hautgefühl eingesetzt. Phospholipide dienen dem Hautschutz und stärken die Barrierefunktion. Weiter kommen sie als Trägersysteme für kosmetische Wirkstoffe zum Einsatz.

Partnerschaft mit Biontech

Mit dem Mainzer Unternehmen Biontech besteht eine strategische Partnerschaft. Im Zuge derer hat Lipoid Biontech zur Herstellung des Covid-19-mRNA-Impfstoffs ein wichtiges Lipid geliefert. Es sorgt dafür, dass die mRNA mit Nanopartikeln von Lipiden umhüllt wird. So ist sie verpackt und geschützt - eine wichtige Voraussetzung dafür, dass mRNA-Impfstoffe ihre Wirkung entfalten. Beide Unternehmen haben außerdem ihre Zusammenarbeit mit Phospholipiden ausgebaut, die für mRNA-Tumorimpfstoffe benötigt werden.

Gegründet wurde Lipoid 1977 von Herbert Rebmann in Papenburg im Emsland, dort leitete er eine Apotheke. Er hatte sich schon in seiner Doktorarbeit in den 1970er Jahren mit Phospholipiden auseinandergesetzt und erkannt, dass es einen Bedarf für natürliche statt chemischer Produkte in der Pharmazie und Nahrungsergänzung gibt. Eher zufällig ist er dann nach Ludwigshafen gekommen. Dort, im Stadtteil Maudach, hat das Unternehmen noch heute seinen Sitz, beschäftigt mehr als 250 Menschen - und wächst kräftig. 2018 wurde neben der bisherigen Produktionsanlage ein neuer Gebäudekomplex in Betrieb genommen, eine erneute große Expansion ist in Planung.

In Stiftung überführt

Weitere Standorte sind in Köln und im schweizerischen Steinhausen, von wo aus das Kosmetikgeschäft gesteuert wird. Das Unternehmen ist weltweit tätig und betreibt Vertriebsstandorte in acht Ländern. Insgesamt arbeiten für Lipoid rund 500 Menschen. Mit dem allgemeinen Fachkräfte-Mangel hat das Unternehmen insofern zu kämpfen, als es wissenschaftlich orientiert ist und mit Universitäten, Forschungseinrichtungen und Clustern um Arbeitskräfte konkurriert.

Der Umsatz der Unternehmensgruppe lag im Geschäftsjahr 2020 bei rund 153 Millionen Euro. Der größte Teil der Firma wurde vor rund zehn Jahren in eine gemeinnützige Stiftung überführt. Sie unterstützt weltweit hilfsbedürftige und benachteiligte Kinder und Jugendliche.

Sorgen bereitet dem Unternehmen der Ukraine-Krieg. Osteuropa ist ein großes und wichtiges Anbaugebiet für Sonnenblumen, eine Folge des Kriegs sind Preissteigerungen für Rohwaren. Das haben auch viele Verbraucher schon an der Supermarktkasse zu spüren bekommen. „Die Liefersicherheit ist aktuell nicht gefährdet, aber der Krieg hat deutliche Auswirkungen auf die Rohstoffpreise, die schon gestiegen sind“, so Frank Schubert, Geschäftsführer von Lipoid. „Wir müssen auf Sicht fahren.“

Redaktion Redakteur in der Wirtschaftsredaktion

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