Grosskraftwerk Mannheim

Warum Habeck mehr Strom aus Kohle will - und was das für das GKM bedeuten könnte

Von 
Bettina Eschbacher
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Das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) bereitet sich auf das Kohle-Aus vor. Wann welcher Block tatsächlich vom Netz geht, ist allerdings offen. © Manfred Rinderspacher

Berlin/Mannheim. Der Ukraine-Krieg und eine mögliche Gasknappheit zwingen die Politik und die Energiebranche zu scheinbar widersprüchlichen Kapriolen. Das zeigt sich am Beispiel von Deutschlands größtem Steinkohlekraftwerk, dem Grosskraftwerk Mannheim (GKM): So wird weiter der Kohleausstieg, möglichst bis 2030, betrieben. Deshalb hat das GKM auch gerade von der Netzagentur mitgeteilt bekommen, dass eine ihrer vier Anlagen, Block 8, ab 2024 höchstens noch als Reserve betrieben werden soll.

Stilllegung verzögert?

Das wurde in einem höchst komplizierten Ausschreibungsverfahren „zur Reduzierung der Verstromung von Steinkohleanlagen und Braunkohle-Kleinanlagen“ festgelegt. Wer den Zuschlag bekommt, darf die Anlage nur noch auf Anweisung des Netzbetreibers wieder hochfahren, als Reserve bei einem Engpass eben. Dafür muss die Anlage betriebsbereit gehalten werden. Dafür gibt es eine finanzielle Kompensation. Das GKM hat derzeit vier Anlagen, die Blöcke 6, 7, 8 und 9, die Strom und Fernwärme für die Region und Industrie produzieren. Block 7 des GKM ist allerdings bereits „zur endgültigen Stilllegung angezeigt“ und gilt nur noch als Netzreserve bis 2025.

Jetzt aber ist durchaus möglich, dass es vorerst nichts wird mit dem geplanten Zurückfahren der Blöcke und den komplexen Zeitplänen: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will Deutschland weiter für ein mögliches Wegbrechen russischer Gaslieferungen wappnen und dafür die Zahl der Kohlekraftwerke in Reserve ausbauen. Falls Gasmangel eintritt oder droht, soll der Gasverbrauch in der Stromerzeugung deutlich verringert werden.

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Ein entsprechender Gesetzentwurf wird in der Bundesregierung beraten. Wenn er das Kabinett passiert hat, müsste noch der Bundestag zustimmen. Die stillgelegten Kohlekraftwerke sollen dann bei der Stromproduktion einspringen, wenn in Deutschland Gasmangel droht oder bereits zu wenig Gas zur Verfügung steht.

Auch einige Kraftwerke, die mit Mineralöl betrieben werden, sollen Teil der Reserve werden. Die Idee ist natürlich, Gas aus der Stromerzeugung herauszunehmen, damit es für andere Bereiche verfügbar bleibt. Die Entscheidung, die Reserve zu nutzen, soll den Plänen zufolge Habeck in Absprache mit bestimmten Ministerkollegen treffen können. Die Möglichkeit dazu sollen ihm die nun vorgeschlagenen Gesetzesänderungen verschaffen.

Aber was genau könnte diese neue Wendung für das GKM bedeuten? Dass Block 7 doch nicht so schnell stillgelegt wird? Oder dass Block 8 länger normal weiterläuft? Das weiß derzeit keiner so recht: „Wir begrüßen grundsätzlich, dass die Regierung so schnell auf die aktuelle Situation reagiert hat und sind in diesem Zusammenhang gerne bereit, unseren Beitrag zu leisten - im Rahmen dessen, was von unserer Seite möglich ist“, erklärt ein GKM-Sprecher auf Anfrage.

Malus für Gasbetrieb geplant

Zu den konkreten Auswirkungen auf das Unternehmen könne man aber erst verbindliche Aussagen machen, wenn das neue Gesetz und verlässliche Rahmendaten vorlägen. Aktuell sind zwei der vier Blöcke in Revision: Block 7 soll Mitte Juni wieder verfügbar sein, Block 6 im September.

Die Teilnahme an der Reserve ist für Kraftwerke, die die Bundesnetzagentur als systemrelevant einstuft, verpflichtend. Als Teil der Reserve müssen Kohlekraftwerke in einem Zustand erhalten werden, der einen dauerhaften Betrieb am Strommarkt möglich machen würde. Die dafür anfallenden Kosten werden erstattet. Die Betreiber müssen auch genügend Brennstoff vorhalten. Bei Engpässen sollen die Betreiber zwar nicht wieder in die Stromproduktion einsteigen müssen - es dürfte sich angesichts hoher Preise dann aber für sie lohnen.

Im Ernstfall soll der Einsatz von Gaskraftwerken zur Stromerzeugung für eine Dauer von sechs Monaten mit einem sogenannten Malus belegt werden können, was den Betrieb laut Ministerium unwirtschaftlich machen würde. Ob es dazu kommt, würde ebenfalls Habeck nach Rücksprache mit Ministerkollegen entscheiden.

Im Sinne des Klimaschutzes will Deutschland die Stromerzeugung aus Kohle bekanntlich in nicht allzu ferner Zukunft beenden. Das bleibe auch so, heißt es im Gesetzentwurf: „Das Ziel, den Kohleausstieg idealerweise im Jahr 2030 zu vollenden, bleibt, wie auch die Klimaziele, davon unberührt.“ Die Regelungen zur kurzfristigen Aktivierung von Kohlekraftwerken sollen als Brücke für den Zeitraum dienen, bis Deutschland sich zumindest weitgehend von russischen Gasimporten gelöst hat. Im vergangenen Jahr trug Gas nach Ministeriumsangaben etwa 15 Prozent zur deutschen Stromerzeugung bei. Inzwischen dürfte der Anteil aber geringer sein. (mit dpa)

Redaktion Bettina Eschbacher ist Teamleiterin Wirtschaft.

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