Stuttgart. Das Haus gleicht einem Rohdiamanten. Die Tapeten vergilbt, die Ölheizung im Keller Baujahr 1969 und der Teppichboden muffig. Jahrelang haben Sibylle und David Romero nach einem Eigenheim gesucht. Ihre Wohnung in der Innenstadt wurde mit zwei kleinen Kindern irgendwann zu klein. Nun wurde die Familie fündig - in Stuttgart-Sillenbuch, ein kleiner Reihenhauskomplex mit drei Häusern, außerhalb des Großstadttrubels etwas mehr im Grünen.
Ein 50 Jahre altes Haus - bei Energieeffizienz eine Katastrophe
Das knapp 150 Quadratmeter große Haus, in das die Romeros ziehen, ist 50 Jahre alt. Es ist unter Energieeffizienzgesichtspunkten eine Katastrophe, weist die schlechteste Energieeffizienzklasse auf. So wie fast jedes fünfte Haus in Deutschland. Solche Gebäude haben zuletzt kräftige Preisabschläge erfahren. Der Kauf wird damit erschwinglicher - vermeintlich. Denn eine Kernsanierung ist teuer.
Der Gebäudebereich gehört zu den größten CO2-Emittenten in Deutschland. Rund 30 Prozent der -Emissionen entfallen auf den Betrieb von Gebäuden. Sie klimafit zu machen, ist eine Mammutaufgabe, wie unlängst das umstrittene Heizungsgesetz gezeigt hat. Auch die EU will den Gebäudebestand klimafreundlicher machen, debattiert über eine Sanierungspflicht. Aber was heißt das für Hausbesitzer? Wie teuer ist eine Kernsanierung?
Diese Frage stellen sich auch die Romeros. Um sie zu beantworten, hat die Familie Thabo von Roman mit ins Boot geholt. Er ist Energieberater im Energieberatungszentrum Stuttgart und erstellt für die Romeros den sogenannten individuellen Sanierungsfahrplan. Den braucht es, um genau auszurechnen, welche energetischen Sanierungsmaßnahmen notwendig sind.
Vom Keller bis unters Dach: Ein Haus kann viele Schwachstellen haben
Vom Dach zur Heizungsanlage im Keller, von der Gebäudehülle bis zur Eingangstür - aus energetischer Sicht kann ein Haus viele Schwachstellen haben. Das der Romeros hat sie alle. Es ist klassifiziert im Bereich der „worst performing buildings“ - der schlechtesten Energieeffizienzklasse überhaupt. Dunkelroter Bereich auf der Skala, die am oberen Ende grün leuchtet. Das Ziel.
Immerhin: Das Fundament ist solide und das Dach zuletzt 2016 neu gemacht. Die mittlerweile stillgelegte Ölheizung im Keller - mehrere große Tanks plus eine Zapfsäule, die tatsächlich einer an der Tankstelle verblüffend ähnlich sieht - ist dagegen 54 Jahre alt. Älter als das Haus, das Baujahr 1973 ist. „Das sieht man nicht alle Tage. Ich habe das noch nie erlebt“, sagt von Roman und schmunzelt. Sie soll ersetzt werden durch eine moderne Wärmepumpe. Kostenpunkt: Zwischen 50 000 bis 60 000 Euro.
Die Romeros haben sich nach ihren Angaben mehrere Kostenvoranschläge von verschiedenen Firmen dafür geben lassen. In den Kosten enthalten sind Beratung, Montage und alle Geräte. Ganz so viel werden Sibylle und David Romero am Ende aber wohl nicht zahlen - es gibt verschiedene Förderungen, die sie für eine neue Wärmepumpe beantragen können. Die Heizanlage steht im „individuellen Sanierungsfahrplan“ normalerweise am Ende. Eine Wärmepumpe kann zwar grundsätzlich in fast jedes Gebäude eingebaut werden. Damit sie aber sinnvoll heizt, sollte das Haus optimal gedämmt sein. Für die Romeros bedeutet das: Eine neue Fassadendämmung muss her. Die Kosten dafür schätzt von Roman auf rund 27 000 Euro.
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Photovoltaik-Anlage auf dem Dach unterstützt die Wärmepumpe
Zu einer neuen Wärmepumpe gehören auch neue Heizkörper. Sibylle und David Romero haben sich für eine Fußbodenheizung entschieden. Für eine Wärmepumpe die effektivste Lösung. Von Roman erklärt: „Eine Fußbodenheizung ist nicht zwingend notwendig, wenn man sich für eine Wärmepumpe entscheidet. Aber in diesem Fall hier, wenn das Haus sowieso schon kernsaniert wird, dann ist das sicherlich die beste Lösung.“
Damit die Kosten für die Nutzung der Wärmepumpe nicht bis an ihr Lebensende ins Unermessliche steigen, rät von Roman dem Ehepaar zu einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. Inklusive Wärmepumpe hat der Energieberater den jährlichen Stromverbrauch für das Haus auf rund 6200 Kilowattstunden (kWh) hochgerechnet. Insgesamt könnten auf dem Dach der Romeros 24 Solarmodule angebracht werden. Damit könnten rund 9000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugt werden. Im Sommer mehr, im dunklen Winter weniger. Von Roman rät daher noch zu einem 10-kWh-Stromspeicher. Bis zu 70 Prozent Strom könnte so für den Eigenbedarf durch die PV-Anlage abgedeckt werden. „100 Prozent erreicht man nicht, weil es im Winter ein zu geringes Solarangebot gibt. Und ein größerer Stromspeicher wäre hier einfach unwirtschaftlich“, erklärt von Roman.
Staatliche Förderung
Umso teurer der Strom, umso schneller rechnet sich die Anlage auf dem Dach
Die PV-Anlage samt Installation und Handwerker würde circa 23 000 Euro kosten, der Stromspeicher 9000 Euro. Von Roman erklärt, dass Förderungen von bis zu 5600 Euro möglich seien. Er rechnet vor: Liegt der Strompreis, wie derzeit per Gesetz gedeckelt, weiterhin bei 40 Cent pro Kilowattstunde, würde sich die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und ohne Stromspeicher nach etwa 16 Jahren amortisieren. „Mit Stromspeicher schon nach 14 Jahren“, sagt der Energieberater. „Ich gehe aber davon aus, dass der Strompreis in den nächsten Jahren steigen wird. Gehen wir mal davon aus, dass die Kilowattstunde 50 Cent kosten wird. Ohne Stromspeicher wäre die Amortisationszeit 13 Jahre. Und mit Speicher nur zehn Jahre.
Grundsätzlich gilt: Umso teurer der Strom wird, umso schneller und mehr rechnet sich die PV-Anlage auf dem Dach. “ Von Roman schätzt die Gesamtkosten für die energetische Sanierung auf rund 150 000 Euro. Die Romeros hingegen rechnen mit Renovierungskosten in der doppelten Höhe. „Dafür haben wir dann aber ein Haus, das top saniert ist.“
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