Stuttgart/Mannheim. Der Handelsverband (HV) Baden-Württemberg fordert von der Landespolitik mehr Unterstützung für die Einzelhändler. „Nach zwei fast ausgefallenen Weihnachtsgeschäften ist die Situation nicht nur schlimm, sondern auch dramatisch“, sagte Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann bei einer Online-Pressekonferenz am Montag. Fast 70 Prozent der befragten Händler seien sehr unzufrieden mit dem bisherigen Weihnachtsgeschäft, in Innenstadtlagen sogar 80 Prozent.
Durchschnittlich betrage das Umsatzminus 42 Prozent. Nach einer Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung liege der Umsatzverlust in Baden-Württemberg für das diesjährige Weihnachtsgeschäft bei 750 Millionen Euro. Für die Umsatzrückgänge macht der Handelsverband die 2G-Regel verantwortlich. Die Stimmung sei „dramatisch bis verzweifelt“, so Hagmann.
Existenzängste weit verbreitet
Man sehe die Infektionszahlen und die Hospitalisierungsrate, habe als „Partner des Staates“ immer bereit gestanden, die Maßnahmen unterstützt und „penetrant eingehalten“. Doch der Handel habe ein besonderes Päckchen zu tragen. „Zu den Belastungen kommen Existenzängste dazu. Bei den derzeitigen Umsätzen ist ein Überleben kaum möglich“, warnte Hagmann.
„Wir sind alle zehn Tage über ein anderes Stöckchen gesprungen, das die Politik uns hingehalten hat“, sagte Petra Lorenz, Präsidentin des Handelsverbands Nordbaden. Sie sprach von Frust, Enttäuschung und Verärgerung vieler Händler. Wenn es jetzt auch noch Rückzahlungsforderungen der Soforthilfe gebe, sei es nicht verwunderlich, wenn die Händler das Vertrauen in die Politik verlören. „Die Verzweiflung ist sehr groß“, berichtete Lorenz, „viele Betriebe wollen hinschmeißen.
In einem Brief – „ein großer Wunschzettel“ – an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die Minister, Staatssekretärinnen und Landtagsabgeordneten verlangt der Handelsverband unter anderem eine Abkehr von 2G im Handel und verweist auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, das in der vergangenen Woche die Regelung in Niedersachsen gekippt hatte. „Branchen, die, wie die Handelsbranche, keine Treiber der Pandemie sind, sollten von ständigen Regelverschärfungen verschont bleiben“, schreibt der Handelsverband.
Des Weiteren fordert er eine Öffnung der Läden ohne Zugangsbeschränkungen und, dass sie ihrer eigentlichen Tätigkeit – dem Verkauf von Waren – nachgehen können und nicht die Impfnachweise von Kundinnen und Kunden kontrollieren müssen. „Das ist eigentlich eine hoheitliche Aufgabe“, sagte HV-Präsident Hermann Hutter.
Unterdessen hat Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) die Forderung des Einzelhandels zurückgewiesen, die 2G-Regel für den Südwesten aufzuheben. „Es ist leider der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um über Lockerungen jedweder Form nachzudenken“, erklärte er am Montag, wie sein Ministerium mitteilte. Er wies in der Corona-Krise darauf hin, dass die Omikron-Variante schon in Kürze das Infektionsgeschehen auch in Deutschland dominieren dürfte. Die Niederlande seien beispielsweise bereits in einen Komplett-Lockdown gegangen. In dieser Phase der Pandemie könne man nichts ausschließen. (mit dpa)
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