Interview

Mannheimer Modehaus Engelhorn will im Verkauf digitaler werden

Die Geschäftsführer des Modehauses Engelhorn - Andreas Hilgenstock, Fabian und Simon Engelhorn - sprechen im Interview über die Folgen von Corona-Krise und Ukraine-Krieg, den Fachkräftemangel und die Zukunft der Innenstadt

Von 
T. Junker, C. Schall
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Die Geschäftsführer im Mannheimer Modehaus: Andreas Hilgenstock (v.l.), Fabian und Simon Engelhorn. © Thomas Tröster

Weil Energie und Lebensmittel immer teurer werden, halten die Menschen in anderen Bereichen das Geld zusammen - wie sehr spüren Sie das in Ihren Häusern?

Fabian Engelhorn: Wenn der Konsumgüterindex so dramatisch nach unten geht, trifft uns das natürlich auch. Es geht ja allen so: Wir wissen, dass die Preise steigen, vor allem für Energie, aber wir haben kein Gefühl, ob es am Ende 200, 400 oder 800 Euro mehr werden. Ich denke, viele Kunden begegnen dieser Unsicherheit, indem sie mehr sparen.

Andreas Hilgenstock: Was man nicht vergessen darf: Unsere Branche hat durch die Pandemie schon einen gehörigen Substanzverlust erlitten. Jetzt wäre eigentlich die Zeit gekommen, um sich zu erholen. Wir selbst haben diese schwierige Phase zwar recht stabil überstanden, das haben wir aber allein unserem tollen Team zu verdanken. Es hat sehr schnell kreative Ideen entwickelt, mit denen wir im Lockdown Kontakt zu den Kunden halten konnten. Ansonsten hat man uns ja ziemlich im Stich gelassen.

Sie meinen von staatlicher Seite...

Fabian Engelhorn: Ja. Als Unternehmer ist es für uns nach wie vor schwierig, dass wir von den Zwangsschließungen genauso betroffen waren wie andere, alle waren zu, aber bei den staatlichen Hilfen wurden alle unterschiedlich behandelt. Wir haben keine oder nur sehr wenig Hilfe bekommen. Mannheim und Baden-Württemberg hatten zudem mit den längsten Lockdown. Das darf nie wieder so passieren.

Im Moment ist Shopping erst mal wieder unbeschwert möglich. Kommen die Menschen in die Geschäfte zurück?

Fabian Engelhorn: Wir bewegen uns auf dem Niveau von 2021, die Passantenfrequenz von vor der Pandemie hat Mannheim noch nicht wieder erreicht. Das hat nicht nur mit Corona zu tun, sondern auch mit der Verkehrssituation. Vor allem aus dem Umland kommen weniger Menschen. Dabei merkt man: Die Lust, rauszugehen und zu feiern, ist schon wieder da. Das sieht man an den Events: Viele holen die Hochzeit nach oder den Geburtstag. Das bringt uns im Modegeschäft Nachfrage: Jeder will ein schönes Kleid oder einen Anzug haben.

Und wie läuft es in Ihren fünf Restaurants?

Fabian Engelhorn: Die Sternegastronomie kam sofort zurück. Unser Restaurant Dachgarten, wo wir Streetfood anbieten, lebt dagegen stark von der Frequenz, von Geschäftsleuten und Menschen, die in der City arbeiten. Da sind immer noch viele im Homeoffice - und kommen nicht wie früher zu uns zum Mittagessen.

Könnten Sie überhaupt mehr Gäste bedienen? Vielen Gastronomen fehlt derzeit das Personal.

Andreas Hilgenstock: Wir haben vom Stammteam niemanden verloren, aber es fehlen Aushilfen. Die haben sich in der Krise oft umorientiert - und es kommen weniger neue Studenten.

Simon Engelhorn: Über alle Branchen hinweg ist der Fachkräftemangel ein großes Thema. Wir bereiten uns darauf intensiv vor. Wir bilden mehr aus und haben neue Berufe dazu genommen, zum Beispiel den Kaufmann für E-Commerce. Außerdem arbeiten wir an Projekten, um das Arbeiten im Verkauf noch attraktiver zu machen.

Wie sieht das konkret aus?

Simon Engelhorn: Die Kunden, die zu uns ins Haus kommen, sind oft sehr gut informiert und wissen genau, was sie wollen. Sie haben dafür viele digitale Instrumente: Instagram, TikTok, Pinterest. Damit unsere Mitarbeiter im Verkauf da mithalten und kompetent beraten können, wollen wir sie mit digitalen Geräten ausstatten, die sie direkt bei sich haben. Damit können sie zum Beispiel nicht nur die Lagerbestände bei uns, sondern auch bei unseren Lieferanten sehen - und zwar ohne dass sie erst zu einem Terminal laufen müssen. Außerdem haben wir unsere engelhorn-Kundenkarte optimiert, so dass unsere Kunden diese auch in der Gastro und im e-Shop einsetzen und wir unsere Kunden besser beraten können.

Modehaus Engelhorn

Das Mannheimer Modehaus wurde 1890 gegründet und wird heute in der vierten Generation von Fabian und Simon Engelhorn sowie Andreas Hilgenstock geführt.

In dem Unternehmen arbeiten rund 1250 Beschäftigte.

2019/2020 lag der Umsatz bei 210 Millionen Euro, nach einem Corona-bedingten Einbruch wird er im Geschäftsjahr 2021/22 etwa dieses Niveau wieder erreichen. cs/tat

Sie wollen also im Verkauf digitaler werden.

Andreas Hilgenstock: Ja, wir wollen alle Vorteile aus dem Digitalen für den Kunden nutzen, aber wir wollen nicht den Laden digitalisieren, um Beratung zu ersetzen. Konzepte, bei denen der Kunde Ware mit dem Handy einscannt und dann wie von Geisterhand in die Kabine geliefert bekommt, passen nicht zu uns.

Ihr Onlinegeschäft hat in der Pandemie stark zugelegt, wie hat sich das weiter entwickelt?

Fabian Engelhorn: Das hat sich auf hohem Niveau eingependelt, der Umsatzanteil liegt bei knapp 50 Prozent. Wir hoffen zwar, dass sich die Lage in den Innenstädten und im stationären Handel weiter verbessert - aber unter 40 Prozent wird der Anteil des Onlinegeschäfts nicht mehr fallen.

Andreas Hilgenstock: Die Kunden haben sich in der Pandemie an einen gewissen Standard gewöhnt: Produkte, die nicht ganz so aufregend sind, kaufen sie weiter gerne online von der Couch aus.

Wie wirkt sich das auf das Sortiment in den Häusern aus?

Simon Engelhorn: In der Breite hat es keine Auswirkungen. Wir werden das weiße Unterhemd oder die schwarzen Socken weiter auch in den Häusern anbieten. Klar ist aber, dass wir sehr viel mehr mit besonderer Ware verführen müssen, gerade auch, um die Jüngeren wieder für Shopping in der Stadt zu begeistern. Deshalb haben wir in der Krise sehr viel investiert, unter anderem in unsere neuen Schuh- und Fashionabteilungen oder in ein neues, spannendes Sortiment mit Düften und Beauty mit nachhaltigen Marken. Auch sonst haben wir auf fast allen Etagen stark umgebaut, sind moderner, jünger und interessanter geworden.

Mit The Box haben Sie aber auch eine größere Fläche für jüngere Zielgruppen aufgegeben. Warum?

Fabian Engelhorn: Da kamen zwei Gründe zusammen. Zum einen war das die einzige Fläche, die wir noch angemietet hatten - und da haben die Konditionen nicht mehr gepasst. Zum anderen war es eine strategische Entscheidung, die junge Zielgruppe auch ins große Modehaus zu bekommen - wir wollen dort jeden begrüßen, vom Kind bis zum Erwachsenen.

Wollen Sie weitere Flächen aufgeben, zum Beispiel die im Rhein-Neckar-Zentrum in Viernheim?

Fabian Engelhorn: Auf keinen Fall, das ist für uns ein ganz wichtiger Standort: Viele Familien gehen dort gerne einkaufen, wegen der kurzen Wege und weil sie kostenlos parken können. Nicht zu vergessen unsere Zielgruppe aus dem Odenwald. Gerade jetzt, wo es wegen der vielen Baustellen schwer ist, nach Mannheim zu kommen, sind wir happy über den Standort vor den Toren.

Wie behaupten Sie sich als Familienunternehmen bei den Lieferanten gegenüber großen Ketten - sind die Verhandlungen schwieriger geworden?

Fabian Engelhorn: Es ist schon so, dass man bei den großen internationalen Konzernen für Mannheim werben muss, weil das nicht auf jeder Landkarte steht und wir keinen großen Flughafen haben. Auf der anderen Seite empfinde ich es in vielen Bereichen als einfacher, weil wir offen sind für neue Projekte und Kooperationen. Unsere Marken, Lieferanten und Partner wissen, dass sie mit uns auch neue Dinge ausprobieren können, weil wir einfach innovativ und kundenorientiert sind.

Andreas Hilgenstock: Wir haben ein großes Einzugsgebiet und können dieses durch unsere Strahlkraft ganz gut bedienen. Deshalb war immer unser Anspruch, in Mannheim tolle, hochwertige Marken aus aller Welt zu präsentieren. Natürlich mussten wir auch um diese Marken kämpfen, aber letztlich fühlen sich diese Marken bei uns sehr wohl und gut inszeniert.

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Wird Engelhorn in Familienhand bleiben oder ist auch ein Verkauf ein Thema? Es fällt immer mal der Name Breuninger, der in Deutschland expandiert.

Fabian Engelhorn: Das Gerücht kommt immer mal wieder auf. Die ursprüngliche Gründerfamilie ist mit unserer Familie verwandt, und wir pflegen immer noch regelmäßigen Austausch und kooperieren. Aber das ist auch alles. Deshalb ganz klar und eindeutig: Engelhorn bleibt ein Familienunternehmen, und zwar in der Hand unserer Familien und keiner anderen Familie. Machen Sie sich keine Sorgen: Engelhorn bleibt Engelhorn und bleibt in Mannheim.

Simon Engelhorn: Wir wollen unser Unternehmen enkelfähig machen, also an unsere Kinder und Enkel übergeben. Dafür ist Nachhaltigkeit extrem wichtig. Es gibt extreme Herausforderungen, bezogen auf den Klimawandel und die Emissionen, die wir als Gesellschaft verursachen. Auch wir als Einzelhändler tragen dafür Verantwortung und haben Nachhaltigkeit und darauf gerichtete Ziele in unserer Unternehmensstrategie verankert. Wir arbeiten derzeit an einem Nachhaltigkeitsbericht, den wir im Herbst veröffentlichen werden, mit unseren Emissionen der letzten drei Jahre, mit Maßnahmen, die wir umgesetzt haben und Zielen, die wir uns vornehmen.

Durch Corona haben Innenstädte gelitten, auch Mannheim muss um seine Attraktivität kämpfen. Was muss passieren?

Andreas Hilgenstock: Mannheim muss erreichbar sein, für Auto, Bahn oder Fahrrad. Die Verkehrsproblematik hier ist baustellengetrieben. Meines Erachtens fehlt ein Verkehrsmanagement, das permanent uns Mannheimer und unsere Gäste informiert. Für viele aus dem Umland ist das Auto immer noch das einzige Verkehrsmittel, um Mannheim zu erreichen. Das hat mit Bequemlichkeit, aber auch mit Entfernung zu tun, die kaum anders überbrückbar ist. Wenn man den Menschen diese Möglichkeit immer mehr einschränkt, dann verkommt Mannheim zu einem Nahversorger. Aber das kann ja niemand ernsthaft wollen. Wir brauchen deshalb perspektivisch eine bessere Taktung des öffentlichen Nahverkehrs. Auch Park-and-Ride-Plätze wären eine gute Idee: mit einem Shuttle von drei Orten und kurzfristigen Taktungen in die Stadt. Unsere Leuchttürme - Theater, Kunsthalle, Schloss und Uni - leuchten ja nur, solange sie auch aus dem Umland und auch aus weiterer Entfernung erreichbar bleiben; sie brauchen die Aufmerksamkeit über die Grenzen von Mannheim hinaus.

Fabian Engelhorn: Es kommen gerade verschiedene Faktoren zusammen. Das eine sind viele Baustellen, die alle notwendig sind. Die Infrastruktur ist total wichtig, die müssen wir schnell in Ordnung bringen. Was dabei gar nicht geht, ist dieses unkoordinierte, unabgestimmte, nicht-digitale Informationsmanagement von Stadt und Verwaltung. Das nervt nicht nur Gäste und Kunden von außerhalb, sondern auch die Mannheimer. Da muss man sagen: Das ist nicht gut, das ist nicht vorbildlich. Dazu kommt: Wie attraktiv machen wir die Stadt und wie definieren wir Attraktivität, da gibt es ja unterschiedliche Meinungen.

Was kritisieren Sie am Verkehrsversuch?

Fabian Engelhorn: Ich habe mal in der Schule gelernt, wie ein Versuch aufgebaut sein muss, nämlich, dass man etwa im Physik- oder Chemieunterricht hinterher Ergebnisse bekommt, die man validieren und die Beobachtungen ernsthaft analysieren kann. Darum ist das Wort „Versuch“ falsch, weil das nicht objektivierbar ist, was wir hier machen. Klar fahren zurzeit weniger Autos durch unsere Straßen. Aber das Ziel des Versuchs habe ich noch nicht genau verstanden, außer, dass weniger Autos da sein sollen. Wir machen das eine ohne das andere. Wir haben keine bessere Straßenbahn, keine neueren Busse und keine bessere Taktung.

Fürchten Sie einen Schaden für die Innenstadt?

Fabian Engelhorn: So, wie dieser Verkehrsversuch gemacht ist, schadet er der Mannheimer Stadtwirtschaft. Nicht nur dem Handel, jedem Café, jeder Gastronomie, jedem Handwerker, jedem Lieferdienst. So wurde es sich zu einfach gemacht. Hinzu kommt eine schlechte Kommunikation am Anfang, indem man sagte, die Straßen sind gesperrt. Hätte man gesagt: Alle Parkhäuser sind erreichbar, Sie können toll flanieren, wäre das viel positiver und ein ganz anderer Zungenschlag gewesen als die Art und Weise, die die Verwaltung gewählt hat.

Andreas Hilgenstock: Genau gesagt: Die Durchführung war schlecht, so dass ein eigentlich gutes Ziel verfehlt wurde. Man wollte den Durchgangsverkehr raushalten und nur den Zielverkehr zulassen. Gefehlt hat eine gut gemachte Kampagne, die den Menschen das klar gemacht hätte. So aber blieb selbst der Zielverkehr draußen.

Sie sind also dafür, den Verkehrsversuch sofort zu stoppen?

Andreas Hilgenstock: Das macht jetzt keinen Sinn, es würde die Verwirrung nur erhöhen. Gäste, die nach Mannheim mit dem Auto kommen, müssen wissen, dass sie willkommen sind, dass es genügend Parkhäuser in der Stadt gibt, um alle tollen Attraktionen gut zu erreichen - und dass der Verkehrsversuch nur den Durchgangsverkehr um die Stadt herumleiten soll.

Fabian Engelhorn: Es müsste erst einmal offen und ehrlich kommuniziert werden, was eigentlich die Ziele sind. Ich nehme einigen Parteien im Gemeinderat nicht ab, dass es als Versuch gemeint war, sondern politisch so gewollt. Da müssen wir diskutieren: Wie sieht eigentlich die Innenstadt für uns Mannheimer und unsere Gäste aus?

Andreas Hilgenstock: Noch ein Satz zur Lebendigkeit der City: Stadtfeste haben in Mannheim - wie man vor Kurzem sah - eine hohe Strahlkraft, aber auch gut gemachte Events und Aktionen wie das StraßenKulturFestival (StraKuMa). Diese Feste unter ein bestimmtes Motto zu stellen und im Buga-Jahr zu feiern, macht sicher Sinn. Womöglich sogar verbunden mit einem weiteren verkaufsoffenen Sonntag.

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