Mannheim. Unbürokratisch sollten vom Virus-Lockdown gebeutelte Betriebe staatliche Hilfen bekommen. Das hat offenbar so manche zu Tricksereien verführt. Bei der Mannheimer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität sind eine Vielzahl von Fällen wegen Subventionsbetrug anhängig. Ermittelt hat die Behörde auch jenen Fall, der seit Dienstag vor dem Mannheimer Landgericht verhandelt wird: Einem 52-jährigen Geschäftsmann mit angeblicher Firma in Weinheim wird vorgeworfen, sich mittels wahrheitswidriger Angaben Gelder quer durch das Corona-Unterstützungsangebot von Bund und Land in unterschiedlicher Höhe erschlichen zu haben.
Erste Staatsanwältin Isa Böhmer listet in ihrer vorgetragenen Anklage sechs Einzeltaten auf und geht von vorsätzlichem Subventionsbetrug im besonders schweren Fall aus. Laut Recherchen der Strafverfolger hat S. im April 2020 erstmals als angeblicher Betreiber eines Einzelunternehmens für Klimatechnik mit Hauptsitz in Weinheim 9000 Euro Corona-Soforthilfe beantragt und diese auch erhalten. Weitere Anträge samt überwiesener Summen sollten folgen - nämlich Überbrückungshilfen in Höhe von 5400 sowie 31 000 Euro.
Deutlich mehr Betrugsfälle seit Start der Corona-Soforthilfe
- Seit dem Start der Corona-Soforthilfen für Unternehmen hat der Betrug mit erschlichenen Subventionen in Baden-Württemberg massiv zugenommen. Nach Angaben des Landesinnenministeriums wurden im Jahr 2019 noch 21 Fälle von Subventionsbetrug in Schadenshöhe von insgesamt 160 724 Euro registriert. Ein Jahr später waren es bereits 333 Fälle, die Höhe des Schadens wird mit mehr als 3,873 Millionen Euro angegeben – das ist das 24-fache des Werts im Jahr zuvor.
- Zwar trennt die polizeiliche Kriminalstatistik nicht die Fälle, die mit Corona zu tun haben, von anderen Betrugsfällen. „Es lässt sich aber sehr wohl die Aussage treffen, dass der deutliche Anstieg im Jahr 2020 durchaus auf den Missbrauch von Corona-Soforthilfen zurückzuführen ist“, sagt ein Ministeriumssprecher.
- In Hessen sind nach Auskunft des Landeskriminalamts aktuell 1206 Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften anhängig. Zur Höhe des Gesamtschadens gibt es keine Angaben. (lsw/tat)
Allerdings scheiterte der Versuch, jenseits von Baden-Württemberg auch noch über das Regierungspräsidium Kassel an Soforthilfe zu kommen. Hingegen sind 35 000 Euro aus dem Hessen-Förderprogramm als Mikro-Darlehen auf seinem Konto gelandet. Aus weiteren 90 000 Euro als Überbrückungshilfe wurde aber nichts mehr - weil S. seit fünf Monaten in Untersuchungshaft sitzt.
Der redegewandte Angeklagte mit dem lockigen langen Haar präsentiert sich in seiner Einlassung als erfolgreicher Geschäftsmann, der in Glanzzeiten viele Angestellte und einen Jahresumsatz von bis zu zwölf Millionen Euro hatte. Er sei von Hotelketten, Banken und Großunternehmen, darunter auch die BASF, deutschlandweit für Projekte rund um Versorgung und Verfahrensabläufe immer dann gerufen worden, wenn es klemmte und brannte: „Ich war meist so etwas wie die Feuerwehr!“
Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte als Ausbildung die mittlere Reife und eine Lehre als Feinblechner angegeben hat, erkundigt sich der Vorsitzende Richter der Großen Wirtschaftsstrafkammer Oliver Ratzel sichtlich verwundert: „Das Ganze hört sich nach Ingenieurleistung mit viel Verantwortung an - wie haben Sie das schon in jungen Jahren hingekriegt?“ Selbstbewusst entgegnet der 52-Jährige darauf: „Vielleicht, weil ich besonders talentiert bin.“
Am ersten Prozesstag geht es immer wieder um die Frage, warum der Geschäftsmann über Jahre in Weinheim einen falschen Firmensitz angegeben hat und sich die Post über einen Nachsendeantrag zustellen ließ, obwohl er später in Bensheim eine Gewerbeimmobilie erworben hat. „Ich ließ es laufen, weil alles gut lief“, erklärt der Angeklagte, räumt aber ein, im Rückblick selbst nicht mehr zu wissen, warum er sein berufliches wie privates „Anmelde-Chaos“ nicht änderte. Während der Haft habe er auch über die ihm angekreidete Überheblichkeit nachgedacht. „Vielleicht hat diese mit meinem Wunsch nach beruflicher Sicherheit und Unantastbarkeit zu tun.“
Um an ein zweckgebundenes Darlehen aus einem hessischen Förderprogramm in Höhe von 35 000 zu kommen, hatte S. angegeben, als gewerblicher Vermieter seinen Vertragspartnern, die wegen Corona nicht mehr ihre Räumlichkeiten in der Bensheimer Immobilie zahlen konnten, finanziell Aufschub gewährt zu haben.
Im Prozess gilt es, Licht in verworrene Mietverhältnisse mit teilweise bis zu vier Mal abgeänderten Mietverträgen zu bringen. Nachfragen des Gerichts offenbaren, dass sich so manche der eingemieteten Betriebe durch viel Schein und wenig Sein auszeichneten. Beispielsweise gab der Geschäftsführer eines in dem Gebäude ansässigen Konstruktionsbüros bei seiner Vernehmung im Vorfeld des Prozesses an, jeden Monat vom Angeklagten für Nichtstun 500 Euro erhalten zu haben - weil S. an einer Firma zum Abrechnen von Ingenieurleistungen interessiert gewesen sei.
Das Verfahren ist bis zum 26. Januar terminiert. Dem angeklagten Geschäftsmann stehen dabei zwei Verteidiger und eine Anwältin zur Seite.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-betrug-quer-durch-die-staatlichen-corona-hilfen-_arid,1892450.html