Fehlende Betreuungsplätze

Was die Kita-Probleme in Mannheim für Beschäftigte und Arbeitgeber bedeuten

Um insgesamt mehr Betreuungsplätze zu schaffen, sollen die Öffnungszeiten in Mannheimer Kitas ab September reduziert werden. Die Wirtschaft schlägt Alarm - und warnt vor weiteren Fachkräfteengpässen

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Tatjana Junker
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Gummistiefel hängen in einer Kita an der Wand. In vielen Kommunen fehlen Betreuungsplätze - zum Ärger von berufstätigen Eltern. © dpa

Julia Hoppe hat keinen Plan B. Ihr bleibt nur: hoffen. Hoffen, dass sie auch nach den Sommerferien noch arbeiten kann. Hoppe ist Ärztin. An drei Tagen pro Woche arbeitet sie mit einer 60 Prozent-Stelle in einer Mannheimer Klinik. Zumindest jetzt noch. Denn Hoppe und ihr Mann gehören zu den Eltern, die ab September von der geplanten Kürzung der Kita-Öffnungszeiten in Mannheim betroffen sind.

„Aktuell schließt der Kindergarten bei uns um 16.30 Uhr, da schaffe ich die Abholung gerade so“, sagt die Ärztin und Mutter von drei Töchtern. Ihre Schicht im Krankenhaus ende um 16 Uhr, zum Kindergarten brauche sie etwa zehn Minuten. Ein eng getakteter Tagesablauf - doch ab September geht er nicht mehr auf.

Mannheim

Mannheim verkürzt Öffnungszeiten für Kitas

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Anna Suckow
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Durch die Kürzungspläne muss Hoppe nämlich spätestens um 16 Uhr am Kindergarten sein. „Das geht mit den Schichten in der Klinik nicht mehr zusammen. Wenn ich im OP stehe, kann ich nicht einfach eine halbe Stunde früher gehen.“ Ihr Mann, der in Stuttgart arbeite und zu seiner Vollzeitstelle noch lange Pendelwege habe, könne seine Arbeitszeit ebenfalls nicht mit den neuen Abholzeiten vereinbaren. Eine Lösung für das Problem hat die Familie bisher nicht - ebenso wenig wie Angela Faul. Die alleinerziehende Chemielaborantin hetzt jetzt schon nach der Arbeit jedes Mal zum Kindergarten, um ihre Tochter gerade noch pünktlich abzuholen. Denn in der Einrichtung wurden die Öffnungszeiten schon vor Wochen wegen Personalmangels gekürzt. „Meine Tochter ist in der Regel das erste Kind, das gebracht und das letzte, das abgeholt wird. Oft sitzt sie schon mit gepacktem Rucksack an der Garderobe - und ich habe jedes mal Angst, dass ich im Stau stehe und zu spät komme“, erzählt die Mutter.

Unternehmen fürchten, dass sich der Fachkräftemangel verschärft

„Eigentlich brauche ich bei meinem Job einen Betreuungsplatz von 7 Uhr bis 16 Uhr. Das heißt, dass ich meine bisherige Arbeitszeit spätestens ab September nicht mehr einhalten kann“, sagt die Chemielaborantin. Klinikärztin Hoppe kritisiert: „Die reduzierten Öffnungszeiten sollen Personalprobleme in den Kitas lösen - dafür reißt man in vielen anderen Berufsgruppen Baustellen auf.“

Tatsächlich treibt die geplante Einschränkung bei den Kita-Öffnungszeiten nicht nur Beschäftigte wie Julia Hoppe oder Angela Faul, sondern auch die Wirtschaft um. Die Unternehmen fürchten, dass sich die ohnehin angespannte Fachkräftesituation in vielen Branchen weiter verschärft.

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„Die neuen Öffnungszeiten bedeuten eine Reduktion um mindestens eine Stunde pro Tag, was massive Auswirkungen auf die Unternehmen hat. Denn damit könnten Beschäftigte gezwungen sein, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Und das bei einem ohnehin schon gravierenden Arbeits- und Fachkräftemangel“, hatte Manfred Schnabel, Präsident der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar, bereits nach Bekanntwerden der Pläne gewarnt. Die Wirtschaft drängt darauf, schnellstmöglich Lösungen zu entwickeln, unter anderem durch zusätzliches Personal. Verwaltung und Gemeinderat seien gefordert, „die entsprechenden Prioritäten zu setzen und entsprechende Mittel bereitzustellen“, so Schnabel.

Dass Beschäftigte nur Teilzeit arbeiten können, weil die Kinderbetreuung fehlt - davon kann so mancher Arbeitgeber in Mannheim schon jetzt ein Lied singen. So wie Sascha Greibich. Er ist Prokurist beim Logistikdienstleister ITK, der einen Standort in Mannheim hat. „Wir haben hier zum Beispiel eine Exportsachbearbeiterin, die wir gerne in Vollzeit beschäftigen würden. Leider hat sie für ihre Kinder nur einen Betreuungsplatz bis 14 Uhr, deshalb kann sie nur 20 Stunden die Woche arbeiten“, sagt Greibich.

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Dazu komme, dass die Familie für die beiden Kinder bisher nur Plätze in unterschiedlichen Einrichtungen bekommen hatte. „Durch die Fahrerei zu den verschiedenen Kindergärten verliere ich rund 50 Minuten am Tag, die ich gerne arbeiten würde“, sagt Greibichs Mitarbeiterin, die namentlich nicht genannt werden will. „Durch die Teilzeit bin ich natürlich auch für jegliche Karriereposition außen vor - mal abgesehen davon, dass uns das Gehalt fehlt, das ich bei einer Vollzeitstelle hätte“, sagt die Exportsachbearbeiterin.

Task Force bei der Stadt Mannheim arbeitet an Randzeitenbetreuung

Auch als Arbeitgeber stehe man in solchen Situationen vor Herausforderungen, sagt ITK-Prokurist Greibich. „Ich muss dann entweder eine Fachkraft finden, die die übrigen 50 Prozent der Stelle übernimmt - was sehr schwierig ist. Oder ich muss eine weitere Vollzeitkraft einstellen und bin damit quasi überbesetzt.“ Zwar könne er als Vorgesetzter versuchen, Beschäftigte mit Betreuungsengpässen durch flexible Arbeitszeiten oder teilweise durch Homeoffice zu unterstützen. „Aber ich kann halt keine Betriebskita anbieten, dafür sind wir hier am Standort zu klein“, sagt Greibich. Ärztin Julia Hoppe und Chemielaborantin Angela Faul hoffen nun unterdessen auf die Randzeitenbetreuung, die Eltern, die von der geplanten Kürzung der Kita-Öffnungszeiten betroffen sind, in Aussicht gestellt worden ist.

Daran werde mit Hochdruck gearbeitet, heißt es bei der Stadtverwaltung in Mannheim, im zuständigen Bildungsdezernat sei eine Task Force dafür eingerichtet worden. „Aktuell läuft eine Bedarfsabfrage bei den betroffenen Familien. Dabei wird für einzelne Einrichtungen erfasst, welcher zusätzliche Bedarf an Randzeitbetreuung tatsächlich besteht“, teilt eine Sprecherin des Dezernats auf Anfrage mit.

Dies sei wichtig, da potenzielle Anbieter von Betreuungsangeboten signalisiert hätten, nur auf Grundlage von konkreten Bedarfen planen zu wollen. Die Verwaltung sei mit verschiedensten potenziellen Anbietern im Gespräch. Über den aktuellen Stand soll kommende Woche berichtet werden: am 16. Juli steht eine Sitzung des Ausschusses für Bildung und Gesundheit, des Schulbeirates und des Jugendhilfeausschusses an. Über Stellenanzeigen werden aktuell auch Studierende gesucht, die als Zusatzkräfte in Kitas aushelfen sollen.

Redaktion Wirtschaftsreporterin

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