Interview

Warum immer weniger Mieter ausziehen und was sich auf dem Wohnungsmarkt ändern müsste

Weil die Bestandsmieten sehr niedrig sind, ziehen immer weniger Mieterinnen und Mieter aus ihrer Wohnung aus. Und wer eine sucht, muss hohe Mietpreise zahlen. Was läuft da schief? Ein Experte gibt darauf Antworten

Von 
Walter Serif
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Symbolbild © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Herr Bresinski, wir führen das Interview im neuen Heidelberg Congress Center in der Bahnstadt. Das ist für Sie ein Heimspiel, oder?

Peter Bresinski: Ja, unsere Tochtergesellschaft BSG hat das Heidelberg Congress Center gebaut.

Ist das ein Leuchtturmprojekt?

Bresinski: Wir haben mehr als 100 Millionen Euro investiert, das ist schon eine Hausnummer, und es ist ein bedeutsames Projekt für die Wissenschaftsstadt Heidelberg.

Erfreut sind Politiker gegenwärtig mit Blick auf den Wohnungsmarkt überhaupt nicht.

Bresinski: Das ist auch kein Wunder.

Peter Bresinski Geschäftsführer der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitzer (GGH) in Heidelberg. © GGH/Thilo Ross

Bauministerin Klara Geywitz hat das vollmundige Versprechen der Ampel wieder einkassiert. 400 000 Wohnungen pro Jahr - das hat nicht funktioniert. Ist Geywitz eine Versagerin?

Bresinski: Das klingt sehr hart. Ich sage es mal so: Man muss sich immer Ziele setzen und schauen, was daraus wird. Jetzt hat Geywitz eingesehen, dass sie falsch lag. Deshalb ist sie aber noch keine Versagerin.

Jetzt sind Sie aber ziemlich gnädig.

Bresinksi: Das heißt nicht, dass ich Frau Geywitz in Schutz nehme. Fakt ist ja, dass der Bund nicht selbst baut. Und wenn man will, dass die anderen …

… also die Investoren in den Kommunen …

Bresinski: … 400 000 Wohnungen pro Jahr bauen sollen, darf man ihnen keine Steine in den Weg legen, sondern muss ihnen helfen.

Und das passiert nicht?

Bresinski: Richtig. Der Bund schmückt sich damit, dass er viel Geld in die Wohnungsbauförderung steckt. Wir reden von 16,5 Milliarden Euro, allerdings gestreckt auf fünf Jahre. Das ist nicht besonders ambitioniert.

Peter Bresinski

  • Peter Bresinski (Jahrgang 1964) wurde in Köln geboren. An der Universität Köln machte der Rheinländer seinen Abschluss als Diplom-Kaufmann.
  • Bresinski ist seit vielen Jahren in der Wohnungsbranche im Südwesten tätig. Seit 2003 ist er Geschäftsführer der Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH) in Heidelberg.
  • Im Jahr 2022 wählten die Mitglieder des Verbands baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen (vbw) Peter Bresinksi zu ihrem Präsidenten. was 

Wie viel Geld bräuchten die Kommunen denn nach Ihrer Meinung?

Bresinski: Höhere Summen zu nennen wäre zu einfach.

Warum?

Bresinski: Weil man nicht alles mit Geld zuwerfen kann. Natürlich wären wir froh, wenn der Bund die Fördermittel kräftig erhöhen würde. Aber das allein löst unsere Probleme nicht. Die Politik hat einfach zu viele Aufgaben auf die Wohnungswirtschaft abgeladen. Das Lustige ist: Kürzlich forderte Frau Geywitz, dass die Vorschriften reduziert werden müssten.

Da hat sie doch recht.

Bresinski: Stimmt, aber die Wohnungswirtschaft verlangt das schon seit vielen Jahren. Dabei sind es ja die Politiker selbst, die diese Vorschriften beschlossen haben. Die ordnungsrechtlichen Vorgaben beim Bauen machen inzwischen mehr als 18 Prozent der Kostensteigerungen aus. Im Jahr 2000 hatten wir 5000 Vorschriften, 2020 waren es dagegen 20 000.

Das ist eine krasse Entwicklung.

Bresinksi: Deshalb muss man sich nicht wundern, dass beim Bauen der Quadratmeter inzwischen 4500 Euro kostet.

Ist das überhaupt finanzierbar?

Bresinski: Finanzierbar ist es dann, wenn man dafür einen adäquaten Miet- oder Kaufpreis erhält. Bei dem von mir genannten Beispiel kommen wir mit Grundstück auf mehr als 5000 Euro pro Quadratmeter. Dafür bräuchte man eine Miete von 18 Euro kalt. Dies wird in Toplagen bezahlt, aber solche Preise wollen unsere Mitglieder im Verband der gemeinwohlorientierten Wohnwirtschaft den Kunden nicht anbieten.

Etliche Projekte bleiben vorerst in der Schublade. Was jetzt nicht geplant und beantragt wird, fehlt in einigen Jahren bei den Fertigstellungszahlen.

Der Wohnungsbau leidet unter den gestiegenen Zinsen, Ministerin Geywitz geht deshalb davon aus, dass es in diesem Jahr einen weiteren Einbruch geben wird.

Bresinski: Das ist richtig. Etliche Projekte bleiben vorerst in der Schublade. Was jetzt nicht geplant und beantragt wird, fehlt in einigen Jahren bei den Fertigstellungszahlen. Wohnungsbau ist eine langfristige Angelegenheit. Manchmal dauert es sechs bis sieben Jahre von der ersten Idee bis zur Fertigstellung. Wir wollen trotz dieser Krise auf verlässliche Weise Wohnungsbau betreiben.

Aber nicht mit voller Kraft?

Bresinksi: Nein, aufgrund der Rahmenbedingungen ist das nicht möglich. Wir werden aber ein gewisses Niveau halten. Die Wohnungsunternehmen in unserem Verband sind in erster Linie Vermieter mit eigenem Wohnungsbestand. Reine Bauträger tun sich da oft schwerer.

Dass in Mannheim mehrere Projektentwickler Projekte zurückgeben oder nicht fertigstellen ist also kein regionales Phänomen?

Bresinski: Nein, das ist ein bundesweiter Trend. Manche Bauträger haben in der Niedrigzinsphase Grundstücke für teures Geld gekauft. Dann sind die Zinsen wieder gestiegen. Das hat denen das Genick gebrochen, die keinen finanziellen Puffer hatten.

Im Mannheimer Postquadrat sitzen die Eigentümer auf Wohnungen, die nicht fertig sind, und können nicht einziehen.

Bresinski: Da spielen sich persönliche Tragödien ab. Zum Glück ist das die absolute Ausnahme.

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Das hilft den Betroffenen nicht.

Bresinski: Man kann sich zwar mit Erfüllungsbürgschaften absichern, aber schneller geht es im Insolvenzfall damit trotzdem nicht. Es bleibt ein Dilemma.

Die Menschen haben heute pro Kopf zehn Quadratmeter mehr Wohnraum als vor zehn Jahren. Das liegt nicht nur an den gestiegenen Ansprüchen. Viele bleiben nach der Scheidung oder dem Auszug der Kinder in ihren großen Wohnungen, weil sie beim Umzug mehr Miete zahlen müssten.

Bresinski: Das ist eine Herausforderung und liegt daran, dass die Bestandsmieten oft sehr günstig sind im Gegensatz zu den Neuvermietungsmieten. Das führt wie in einer Spirale dazu, dass es auf dem Wohnungsmarkt generell kaum mehr Fluktuation gibt.

Sie meinen, dass kaum jemand mehr auszieht?

Bresinski: Ja. Bei Sozialwohnungen, die wir ja auch bauen, ist das besonders extrem. Früher zogen von 100 Mietern pro Jahr sechs aus, jetzt sind es nur noch drei. Das ist praktisch nichts. Die Leute fahren, wenn sie einen neuen Job haben, lieber 30 Kilometer zur Arbeit, weil sie bei einem Umzug mehr zahlen müssten oder erst gar keine Wohnung finden würden. Andere, die nicht pendeln können, landen irgendwann beispielsweise in einer WG, wo sie 500 Euro für ein Zimmer zahlen müssen. Und das ist nicht nur in München so.

Die Leute fahren, wenn sie einen neuen Job haben, lieber 30 Kilometer zur Arbeit, weil sie bei einem Umzug mehr zahlen müssten oder erst gar keine Wohnung finden würden.

Das birgt sozialen Sprengstoff.

Bresinski: Natürlich. Immer mehr Leute sind zwangsläufig bereit, höhere Preise zu bezahlen. Das ist das Besondere am Wohnungsmarkt: Das Angebot ist kurzfristig starr, deshalb können sich die Preise nicht einpendeln. Immer weniger Neubauten, immer weniger Familien, die sich Eigentum leisten können Es braucht mehr Neubau. Doch dafür werden zu wenig Flächen ausgewiesen. Die Bahnstadt hier in Heidelberg ist ein Glücksfall, weil das ein altes Rangierbahnhofgelände war. Aber auch da hat es von der Stilllegung 30 Jahre gedauert, bis alles fertig war.

Wenn wir zu wenige Flächen haben, können wir an der Misere doch gar nichts ändern.

Bresinski: Doch, das geht schon. Die Kommunen müssten sich einen Ruck geben und endlich neue Flächen ausweisen.

Die Bodenversiegelung nimmt doch immer mehr zu.

Bresinski: Da prallen widersprüchliche Ziele aufeinander. Die Naturschützer wollen, dass keine Wiese bebaut wird, und auch die Landesregierung macht sich für eine geringere Flächenversiegelung stark. Andererseits braucht es neuen Wohnraum. Wir reden ja nicht davon, dass Deutschland über Nacht doppelt so viele Einwohner hat und wir jeden Quadratmeter Boden versiegeln müssen. Das Problem ist aber, dass viele Flächen, die im Flächennutzungsplan ausgewiesen sind, nicht angepackt werden, weil die Kommunalpolitik das nicht will.

Warum?

Bresinski: Weil die Bürgerinnen und Bürger sagen: Nein, da ist eine Wiese, da stehen drei Bäume. Ich finde es natürlich auch schade, wenn eine Streuobstwiese mit Gebäuden zugebaut wird. Aber wenn das „Wohnen“ die soziale Frage unserer Zeit ist, muss man sich entscheiden.

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Und, was ist, wenn wir die Wiese bebauen, nimmt dann der Druck auf die Mieten ab?

Bresinski: Kurzfristig können wir das Problem nicht lösen. Wir haben gegenwärtig eine Neubaurate von einem Prozent, die müsste aber auf fünf Prozent steigen. Wir müssen deshalb die Bestände aktivieren und vor allem den ländlichen Raum attraktiver machen, sonst will dort niemand hinziehen.

Die Wohnwirtschaft kritisiert immer wieder die Bauvorschriften. Gehört das nicht auch zur üblichen Verbandslyrik?

Bresinski: Dass die Politik die Rahmenbedingungen ändern muss, liegt doch auf der Hand. Die Qualität, die wir inzwischen produzieren, ist übertrieben. Das liegt auch daran, dass sich alle möglichen Interessengruppen mit irgendetwas im Laufe der Zeit durchgesetzt haben: Dächer müssen beispielsweise für Schneelasten ausgerichtet werden, die wir nur dann bekommen werden, wenn hier eine Eiszeit ausbricht. Oder: Häuser müssen doppelt erdbebensicher sein. Ein Statiker reicht nicht, da muss zusätzlich ein Prüfstatiker ran, der die Zahlen kontrolliert. Das gibt es sonst nirgendwo. Wir müssen auch weg von diesen übertriebenen naturschutzrechtlichen Prüfungen.

Sie machen sich unbeliebt.

Bresinski: Bei wem? Bei den Statikern oder bei den Naturschutzverbänden? Im Ernst: Vor dem Hintergrund einer gesellschaftspolitischen Interessenabwägung muss man das sagen dürfen. Ich kann ja noch verstehen, dass wir Rücksicht auf den Roten Milan nehmen sollen. Aber es gibt Grenzen. Wir haben hier in der Bahnstadt für vier Millionen Euro 2000 Eidechsen in Habitate umgesiedelt, die hauptsächlich aus Gabionen bestehen. Deren Verwendung in privaten Gärten würde man am liebsten verbieten, was auch wegen der Aufheizung unserer Städte richtig ist. Aber wenn wir es für Eidechsen machen, ist es in Ordnung. Im Übrigen wird diese streng geschützte Art gern von Vögeln gefressen. In unserem Fall kostet diese Mahlzeit dann rund 2000 Euro. Das ist doch schizophren.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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